IM INTERVIEW: BEATRICE FREIWALD, BUNDESANSTALT FÜR FINANZDIENSTLEISTUNGSAUFSICHT (BAFIN)

"Wir gelten als sicherer Adressat"

Die Exekutivdirektorin über anonyme Hinweise, den BaFin-Pranger, höhere Bußen und das Basiskonto

"Wir gelten als sicherer Adressat"

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat eine verschlüsselte Online-Meldeplattform für Whistleblower freigeschaltet. Im Interview erklärt Exekutivdirektorin Béatrice Freiwald, was sich die Aufsicht davon verspricht, wie sie mit ihren erweiterten Möglichkeiten, höhere Bußen zu verhängen, umgehen will, und warum sie manche Geldbuße öffentlich gemacht hat, nicht jedoch die 2015 verhängte Rekordstrafe wegen Geldwäsche.- Frau Freiwald, im Juli hat die BaFin eine Hinweisgeberstelle für anonyme Hinweise auf Verstöße in ihrem Aufsichtsbereich eingerichtet. Hat sich schon jemand gemeldet?Wir haben über die Hinweisgeberstelle bisher über 100 Hinweise erhalten.- Zu welchen Themen?Thematisch sind die Hinweise recht vielfältig. Häufig geht es bei den Hinweisen um unerlaubt betriebenes Geschäft oder um Verstöße gegen das Aufsichtsrecht in seiner ganzen Vielfalt. Allerdings muss man auch sagen, dass es einen hohen Prozentsatz derer gibt, die sich einfach einmal Luft machen möchten, uns aber keine relevanten Hinweise geben können.- Haben Hinweise schon Konsequenzen gehabt und sind etwa in Ermittlungsverfahren gemündet?Dafür ist es noch zu früh. Nach dem Erhalt von relevanten Hinweisen müssen die Sachverhalte ja erst einmal ermittelt und geprüft werden. Dabei kann die Aufsicht unterschiedlich vorgehen: Man kann die Sachverhalte im Rahmen einer örtlichen Prüfung aufgreifen oder eine solche veranlassen, um eine Stellungnahme bitten oder Unterlagen anfordern. Das ist normale Aufsichtsarbeit, da geht es nicht unbedingt um Ermittlungsverfahren im strafrechtlichen Sinn. Die Hinweisgeberstelle soll zuerst uns als Aufsicht helfen, schneller und besser Kenntnis von aufsichtsrechtlichen Verstößen zu erlangen. Man muss sich klarmachen, dass die Aufsicht nicht laufend im Unternehmen ist. Und im Zuge von Prüfungen erhalten Sie immer nur Einblick in einen bestimmen Ausschnitt eines Unternehmens.- Wie funktioniert diese Stelle?Wir haben sie als zentrale Schnittstelle eingerichtet. Hinweise konnten auch vorher an uns gegeben werden, jetzt haben wir das allerdings zentralisiert, um den Anforderungen der neuen Regelung im § 4 d Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG) Rechnung zu tragen. Und seit Anfang des Jahres halten wir zudem eine Online-Meldeplattform vor, die in besonderer Art und Weise den Schutz des Hinweisgebers sicherstellt.- Wie geht das?Derzeit können anonyme Hinweise erfolgen, indem man uns einfach etwas zuschickt. Dann ist es für uns aber nicht möglich, Rückfragen zu stellen. Und manche oder besser sehr viele Hinweisgeber wissen nicht, was aufsichtsrechtlich relevant ist. Wenn wir aber keine Nachfragen im Hinblick auf aufsichtsrechtlich relevante Punkte stellen können, dann ist es häufig schwierig, mit den Hinweisen wirklich etwas anzufangen. Mit der verschlüsselten Online-Meldeplattform können wir dann mit dem Hinweisgeber in Kontakt treten, während dieser weiterhin anonym bleibt. Auf der Meldeplattform kann eine Art Briefkasten eingerichtet werden, in den wir Nachfragen einstellen können, auf die der Hinweisgeber uns, sofern er das möchte, wieder antworten kann. Das System ist technisch so ausgestaltet, dass der Hinweisgeber nicht zurückverfolgt werden kann. Das ist ganz wichtig, um auch das Vertrauen des Hinweisgebers zu untermauern, dass wir seinen Schutz ernst nehmen und gewährleisten.- Ist das denn in Zweifel zu ziehen?Im Arbeits- und Strafrecht gibt es grundsätzlich Möglichkeiten, Sanktionen gegen Hinweisgeber zu verhängen. Arbeitsrechtlich droht möglicherweise eine Kündigung und strafrechtlich gilt grundsätzlich ebenfalls, dass man Geheimnisse des Arbeitgebers nicht ohne weiteres weitergeben darf. Ich kann mir gut vorstellen, dass in Unternehmen, die unserer Aufsicht unterliegen, viele Personen arbeiten, die auf Grund der derzeitigen Rechtsprechung zurückgezuckt haben. Denn es ist nicht einfach, die Abwägung zu treffen und in der Unsicherheit zu leben, ob danach noch etwas auf den zukommt, der etwas weitergibt. Das Erste Finanzmarktnovellierungsgesetz sieht nun mit der neuen Regelung im FinDAG ausdrücklich vor, dass die BaFin die Anonymität gewährleisten muss. Es ist auch gesetzlich sichergestellt, dass Hinweisgebern, die sich im Rahmen des Regelungsbereiches bewegen und an die BaFin wenden, keine arbeits- oder strafrechtlichen Konsequenzen mehr drohen.- Deshalb kommt nun die verschlüsselte Online-Meldeplattform mit Dialogfunktion.Zusätzlich bieten wir nun einen besonders geschützten Kanal an. Wir gelten als sicherer Adressat, dem man solche Hinweise geben kann. Damit wollen wir erreichen, dass sich niemand, der einen berechtigten Hinweis hat, aus Sorge vor Sanktionen abhalten lässt, uns zu informieren. Die zentrale Eingangsstelle leitet diese Hinweise an die zuständigen Arbeitsbereiche weiter, die dann den Hinweis verarbeiten und wieder an die zentrale Stelle rückkoppeln, wie mit dem Hinweis umgegangen worden ist. Damit ist sichergestellt, dass wir auch anonyme Hinweise ernst nehmen.- Mit dem Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetz hat die BaFin auch mehr Möglichkeiten bekommen, höhere Geldbußen zu verhängen. 2015 setzte es schon gegen die Deutsche Bank ein Rekordbußgeld von 40 Mill. Euro wegen Verstößen gegen das Geldwäschegesetz. Was kam denn 2016 zusammen?Zu konkreten Verfahren äußern wir uns grundsätzlich nicht öffentlich. Derzeit laufen unterschiedliche Bußgeldverfahren, unter anderem auch wegen Verstößen gegen das Geldwäschegesetz. Es wird aber nicht wieder einen solchen Peak geben wie im vorvergangenen Jahr. Und im laufenden Jahr wird dann gegebenenfalls auch die Erhöhung der Maximalbeträge greifen. Das ist eine ganz wichtige Änderung. Es kann dann nicht mehr nur der wirtschaftliche Vorteil abgeschöpft werden, sondern dieser kann eben auch bei der Bestimmung der Bußgeldhöhe zu Grunde gelegt werden.- Die Aufsicht kann immerhin bis zu 15 % des Gesamtumsatzes veranschlagen.Genau, im Bereich Marktmissbrauch ist das möglich. Im Kreditwesengesetz liegt die Grenze bei 10 % des Jahresumsatzes.- Das werden Sie auch tun?Wir werden es tun, wenn die entsprechende Fallgestaltung das gebietet. Dazu ist der Bußgeldrahmen da.- Seit einiger Zeit veröffentlicht die BaFin auch die Namen der Unternehmen, gegen die sie Geldbußen verhängt. Täuscht der Eindruck, dass am Pranger nur ein Bruchteil der Unternehmen auftaucht, die bisher Bußen zahlen mussten? Das Rekordbußgeld von 40 Mill. Euro findet sich dort jedenfalls nicht, sondern eher Kleinkram.Wie gesagt, zu konkreten Verfahren äußert sich die BaFin nicht öffentlich. Allgemein gilt jedoch, dass es im Geldwäschegesetz derzeit noch keine Veröffentlichungspflicht gibt. Im KWG aber, dem Aufsichtsgesetz für das Kreditwesen, gibt es diese.- Richtig glücklich ist es allerdings nicht, wenn am BaFin-Pranger kleine Buden mit Kleckerbeträgen stehen, nicht aber die großen Fälle.Wir sind an Recht und Gesetz gebunden. Solange es kein Gesetz gibt, das uns die Möglichkeit gibt oder aber die Pflicht auferlegt, zu veröffentlichen, würden wir gegen unsere Verschwiegenheitspflicht verstoßen, wenn wir dies trotzdem tun würden. Man kann schon darüber reden, was man richtig findet. Das darf für uns als Aufsichtsbehörde aber keine Rolle spielen. Wir sind dem jeweils geltenden rechtlichen Rahmen verpflichtet. Auch im Geldwäschegesetz wird die Pflicht zur Veröffentlichung von Bußgeldern eingeführt.- Wann?Das Gesetzgebungsverfahren hierzu steht unmittelbar bevor.- Hat man dann ein komplettes Bild oder gibt es weitere Bereiche, in welchen das jeweilige Aufsichtsgesetz einer Publikation entgegensteht?Eine flächendeckende Veröffentlichung von Maßnahmen gegen Banken gibt es nicht. Für Verstöße in aufsichtlichen Randgebieten wie zum Beispiel gegen einzelne Vorgaben des Handelsgesetzbuches (HGB) ist auch keine Veröffentlichung von Geldbußen vorgesehen.- Wünschen Sie sich denn mehr Offenheit?Wir müssen erst einmal schauen, wie die Praxis der Veröffentlichung überhaupt wirkt. Es gibt Aufseher aus anderen Staaten, die sagen, die Publikation sei am Anfang ein großer Knall gewesen, danach aber sei eine Art Gewöhnung eingetreten. Wenn wir das flächendeckend überall machen, dann sagt vielleicht jeder – wenn ich das mal übertrieben sagen darf – das gehört ja schon zum guten Ton. Das sollte uns nicht passieren. Jetzt hat man die Veröffentlichung in allen wichtigen Aufsichtsgesetzen, und ich halte es für gut, dass man sich auf wichtige Verstöße konzentriert.- Sie können auch Bußen verhängen, wenn Banken die Einrichtung eines Basiskontos verweigern. War das in der Vergangenheit bereits der Fall?Das Verfahren zum Basiskonto ist im Zahlungskontogesetz (ZKG) verankert. In der Praxis lehnen Kreditinstitute eine Eröffnung im Wesentlichen aus zwei Gründen ab. Da geht es um fehlende oder unzureichende Identifikationspapiere oder darum, dass bereits ein nutzbares Zahlungskonto zur Verfügung steht. Da können sich dann Streitfragen ergeben, im zweiten Fall etwa darüber, ob ein Zahlungskonto andernorts tatsächlich nutzbar oder etwa gepfändet oder gekündigt ist. Solche Sachverhalte zu klären, ist für das eine oder andere Kreditinstitut nicht so einfach, wie sich in unseren Verfahren zeigt. Wir schauen uns innerhalb einer bestimmten Frist an, ob die Begründungen durch die Kreditinstitute berechtigt sind oder ob ein Kreditinstitut verpflichtet ist, das beantragte Basiskonto einzurichten.- Wie viele Beschwerden sind denn eingegangen und wie wurde über sie entschieden?Bislang sind mehr als 200 Anträge auf Überprüfung der Basiskontoablehnung eingegangen. In etwa der Hälfte der Fälle konnten wir erreichen, dass ein Konto eröffnet wurde, in den übrigen stellte sich heraus, dass die Ablehnung berechtigt war. Oft bringt schon unsere Nachfrage Institute dazu, ein Basiskonto doch noch einzurichten. Dass wir tatsächlich eine förmliche Anordnung erlassen müssen, ist daher eher selten. Zusätzlich haben wir aber auch entsprechende Bußgeldverfahren eingeleitet, wenn ein Verstoß vorliegt. Im Großen und Ganzen müssen wir den Instituten nach einem halben Jahr aber noch zugestehen, dass sie den Umgang mit dem neuen Instrumentarium in der Praxis erst einmal finden müssen. Insgesamt kommen die Institute ihren neuen Pflichten aus dem ZKG dabei grundsätzlich nach. Nur in Einzelfällen müssen wir nachhaken.—-Das Interview führte Bernd Neubacher.