"Wir haben ein nicht funktionierendes Pensionssystem"

Nach Ansicht des Aufsichtsratschefs der Deutschen Börse werden die Kapitalkosten für Risiko-Assets völlig falsch berechnet

"Wir haben ein nicht funktionierendes Pensionssystem"

ck Frankfurt – Nach Meinung des Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Börse, Joachim Faber, besteht bezüglich der kapitalgedeckten Altersvorsorge in Deutschland dringender Handlungsbedarf. “Wir haben ein ganz offensichtlich nicht funktionierendes Pensionssystem”, sagte Faber auf dem 8. DFVA Asset Management Forum. “Unser Pensionssystem ist de facto ein Lebensversicherungssystem. Die Kapitalkosten für jegliche Risiko-Assets werden völlig falsch berechnet.”Das Risiko eines sogenannten Risikopapiers wie einer Aktie hänge sehr stark vom Haltezeitraum ab. “Wenn ich eine Aktie drei Monate lang halte, habe ich eine Drei-Monats-Volatilität, die ich messen kann und die mir auch sagt, dass das ein nicht unerhebliches Risiko ist. Wenn ich aber wie jeder Pensionsfonds ein Papier zwanzig Jahre lang halte, dann ist das eine völlig andere Volatilität, und meine These ist, diese Solvency-Regelungen sind völlig falsch bemessen, mathematisch falsch und mit falschen Risikoparametern hinterlegt.” Die ursprünglich zugrunde gelegten Drei-Monats-Volatilitäten seien in Ein- und Zwei-Jahres-Volatilitäten geändert worden, aber das sei immer noch zu groß für eine vorhersehbar zwanzigjährige Laufzeit.”Diese Kapitalhinterlegungen killen alles”, sagte Faber. Hinzu kämen andere aufsichtsrechtliche, regulatorische Vorschriften in Deutschland und in der EU. “Solange wir nicht in der Lage sind, das zu bekämpfen in Zeiten, in denen die zehnjährige Bundesanleihe nicht nur kein Geld mehr gibt, sondern sogar Geld nimmt, ist es ein Wahnsinn allererster Sorte, dass wir dieses tolerieren.” Selbstverständlich sei die Aktie da die absolute Lösung. Es werde nicht mehr lange dauern, bis das Rentensystem und auch die kapitalgedeckten Systeme in massive Probleme geraten würden, solange sie gezwungen seien, ihre Portfolios mit bis zu 80 % Bondhinterlegung zu fahren. Es sei zu erwarten, dass das Niedrigzinsumfeld noch eine unangenehm lange Zeit Bestand haben werde.In diesem Zusammenhang kritisierte Faber die Europäische Zentralbank. Ihre Geldpolitik stütze sich auf nicht mehr aktuelle Inflationsbarometer, bei denen kostenlose Internet-Dienstleistungen, die Werte schüfen, aus der Inflationsmessung herausfielen. Einer Studie zufolge seien in den zurückliegenden zehn Jahren 21 % Wertschaffung in die Inflationsrechnung nicht einbezogen worden. “Wir machen eine Geldpolitik, als hätten wir null oder nur eine geringe Inflation.””Wenn wir eine Chance haben wollen, im Konzert der globalen Kapitalmärkte mitzuspielen, müssen wir den Finanzplatz Eurozone so schnell wie möglich errichten”, so Faber weiter. Das verunglückte Projekt Kapitalmarktunion müsse in Europa wiederbelebt und zu einer wirklich lebendigen Veranstaltung gemacht werden. Der Ecofin-Rat habe kürzlich ein Papier vorgelegt und nenne das Projekt nun “Savings and Sustainable Investment Union”. Faber begrüßte, dass jetzt versucht werde, dem Projekt etwas Relevanz für die breite Bevölkerung zu geben.”Die Frage der Aktienkultur muss uns nach wie vor beschäftigen”, sagte er. Nicht nur Deutschland habe eine schlechte Aktienkultur, sondern auch die großen Länder Frankreich und Italien hätten eine ähnliche Situation. Es sei ein Phänomen der großen europäischen Staaten, in denen eine breitere Bevölkerungsschicht einfach nichts mit Aktien zu tun habe. “Wenn wir in Gesellschaften wie Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien nur eine Oberschicht haben, die auch an den Wertgewinnen des Aktienmarktes teilhat, ist völlig klar, dass wir in der Bevölkerung eine Kultur haben, in der das als Spekulation und völlig unberechtigter Vermögenszuwachs angesehen wird.”