EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis

„Wir haben hier keine Wunder­waffe“

Mit einem weiteren Gesetzespaket versucht die EU-Kommission erneut, die Kapitalmarktunion zu stärken. Diese soll schließlich, so sagt Vizepräsident Valdis Dombrovskis im Gespräch, auch zum Aufschwung nach der Coronakrise beitragen. Bereits 2022 will er noch einmal mit weiteren Initiativen nachlegen.

„Wir haben hier keine Wunder­waffe“

Von Andreas Heitker, Brüssel

Der für Wirtschaft zuständige exekutive Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, hat im Zuge der Vorlage des neuen Pakets zur Kapitalmarktunion bereits für das nächste Jahr zahlreiche neue Gesetzesinitiativen angekündigt. Er sieht die Arbeiten an dem Projekt noch lange nicht am Ende angelangt. „Ich denke, dass wir aktuell vielfältigste Maßnahmen in viele Richtungen benötigen, um wirklich die Inanspruchnahme und Nutzung der Kapitalmärkte zu fördern“, sagte Dombrovskis im Gespräch mit der Börsen-Zeitung und einigen anderen europäischen Zeitungen. „Wir haben hier keine Wunderwaffe“.

Die EU-Kommission arbeitet be­reits seit 2015 an der Europäischen Kapitalmarktunion (CMU) und hat seither auch schon zahlreiche Gesetzesinitiativen vorgelegt, die mittlerweile in Kraft sind. Das nun an den Start gebrachte neue Paket rund um die Nachbesserungen in den Fonds-Regulierungen AIFMD und Eltif, der Einrichtung eines zentralen Datenhubs für Finanzinformationen (ESAP) sowie einer Bündelung von In­formationen europäischer Handelsplätze (Consolidated Tape) ist bereits das zweite CMU-Paket in der aktuellen Legislatur. „Wenn man auf die legislative Arbeit schaut, sieht man, dass wir gute Fortschritte machen“, sagt Dombrovskis in dem Gespräch. „Wenn man aber auf die allgemeine Struktur bei der Finanzierung der Wirtschaft in der EU schaut, da gibt es weiteres Verbesserungspotenzial.“

Tief verwurzelte Traditionen

Was der Kommissionsvize damit sagen will: Der stark dominierende Anteil der Bankfinanzierung in Europa ist seither kaum gesunken. Die Kapitalmärkte sind immer noch fragmentiert. Ihr Anteil an der Finanzierung ist seit 2015 nicht wesentlich gestiegen. Man könne nicht sagen, dass die einzelnen Maßnahmen nicht funktioniert hätten, sagt Dombrovskis. Die Kapitalmarktunion könne aber nicht in einem Tag oder einem Jahr aufgebaut werden, da es in Europa in den Mitgliedstaaten „tief verwurzelte Traditionen und Ansätze“ gebe, die sich nicht über Nacht änderten. Darum habe auch die Bankfinanzierung immer noch eine so dominierende Rolle in der EU – ganz anders als in den USA.

Mit den neuen Gesetzesvorschlägen verbindet die EU-Kommission dennoch das Ziel, auch einen Beitrag zur Überwindung der Coronakrise zu liefern. „Die Grundidee des neuen Pakets ist, dass die Kapitalmärkte uns auch bei der wirtschaftlichen Erholung helfen“, stellt Dombrovskis klar. „Dafür brauchen wir aber tief integrierte und gut funktionierende Kapitalmärkte.“

Die aktuellen Fragmentierungen sieht man seinen Worten zufolge aber insbesondere noch bei grenzüberschreitenden Investitionen und Finanzierungen. Viele Investoren selbst verwiesen zudem auf die unterschiedlichen Insolvenzregime in der EU, so Dombrovskis. Dies sei ein „sehr wichtiger Faktor“. Und genau hier will die EU-Kommission nun 2022 ansetzen: Die Behörde will eine neue Initiative starten zur Harmonisierung der Insolvenzregeln für Unternehmen – allerdings keine vollständige Harmonisierung, sondern erst einmal nur von ausgesuchten Aspekten in den Regeln und ausgesuchten Insolvenzverfahren.

Zu den weiteren Gesetzesvorlagen, die Dombrovskis in dem Ge­spräch ankündigte, gehört in der zweiten Jahreshälfte 2022 eine Überprüfung der Börsennotierungsregeln. Ziel sei, die bürokratischen Hürden für Unternehmen beim Gang an die Börse abzubauen.

Neue Initiativen für 2022

Zudem will die Kommission aufbauend auf einer Überprüfung der aktuellen Zahlungsdiensterichtlinie (PSD II) die Arbeit an einem offenen Finanzierungsrahmen aufnehmen. Dabei soll untersucht werden, wie Daten von Finanzinstituten geteilt und wiederverwendet werden könnten, um neue Dienste im Einklang mit den Datenschutzregeln zu schaffen.

Eine weitere Initiative betrifft eine bessere Bildung in Finanzfragen. Diese soll auch Privatinvestoren helfen, die Kapitalmärkte besser zu ­nutzen.

Beim aktuellen CMU-Paket hat die EU-Kommission ausdrücklich auch auf die Vorschläge aus der Industrie und der Stakeholder gehört, um Engpässe zu beseitigen, wie Dombrovskis weiter ausführte. Der European Single Access Point (ESAP) etwa werde Unternehmen sichtbarer machen, gerade auch grenzüberschreitend. Er helfe den Unternehmen auch bei der stärkeren Diversifizierung der Investorenbasis. Der ESAP werde auch keine zusätzlichen Veröffentlichungsanforderungen an die Unternehmen stellen, sondern lediglich den Zu­gang zu bestehenden Informationen aus der gesamten EU verbessern. Dass die Marktaufsichtsbehörde ESMA den Datenhub betreiben werde, sei ebenfalls Wunsch der Investoren gewesen.

Die Regeln zu alternativen Investmentfonds (AIFMD) funktionieren laut Dombrovskis im Allgemeinen ganz gut. Allerdings gelte es auch hier, grenzüberschreitende Barrieren zu entfernen. Die Investmentfonds Eltif nutzten zudem ihr Potenzial nicht, sagte er. Daher würden diese nun attraktiver gestaltet.

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