"Wir haben nie nach Lücken im Steuerrecht gesucht"

Von Angela Wefers, Berlin Börsen-Zeitung, 13.5.2016 Lange ist es her, dass sich Hans-Jürgen Krause mit steuerlichen Problemen herumgeschlagen hat. Vor 13 Jahren, Ende 2003, ging der Steuerexperte und Geschäftsführer des Bankenverbandes BdB in den...

"Wir haben nie nach Lücken im Steuerrecht gesucht"

Von Angela Wefers, BerlinLange ist es her, dass sich Hans-Jürgen Krause mit steuerlichen Problemen herumgeschlagen hat. Vor 13 Jahren, Ende 2003, ging der Steuerexperte und Geschäftsführer des Bankenverbandes BdB in den Ruhestand. Nun sitzt er als Zeuge vor dem Cum-ex-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Von seiner steuerlichen Expertise hat der 75-jährige Krause nichts eingebüßt, wie sich in der mehr als dreistündigen Befragung durch die Abgeordneten zeigt.Ziel der Zeugenvernehmung: die Motivation hinter einem Schreiben zu ergründen, das der BdB Ende 2002 an das Bundesfinanzministerium mit einem Gesetzesvorschlag gerichtet hatte, um eine Steuerlücke bei der Erstattung auf Dividenden zu schließen. Handelten der Bankenverband und die dahinter stehenden Kreditinstitute, namentlich die Deutsche Bank, wirklich im Interesse des Fiskus? Oder wollte der Verband nur seine Mitgliedsinstitute vor der Haftung schützen, in denen es unberechtigt zu einer doppelten Steuererstattung kam? Oder ging es gar darum, eine sichere Rechtsgrundlage für ein Gestaltungsmodell zu schaffen, das Milliardeneinnahmen zulasten des Steuerzahlers generierte?Steuerausfälle von 12 Mrd. Euro, so schätzen manche Experten, sollen dem Fiskus durch Dividendenstripping via Leerverkäufe verloren gegangen sein, nachdem sich diese Praxis zum steuerlichen Gestaltungsmodell entwickelt hatte. Durch Leerverkäufe über den Dividendenstichtag hinweg konnte es zu zwei Steuerbescheinigungen über die Steuer kommen, die auf Dividenden abgeführt worden war, und zur doppelten Steuererstattung – beim Leerverkäufer und beim -käufer der Aktien. Erst 2012 hat der Gesetzgeber dieses Einfallstor endgültig dicht gemacht. 2006 war mit dem Jahressteuergesetz 2007 ein Teilbereich gestopft und dabei im Gesetzestext auf die Formulierung des BdB zurückgegriffen worden. Diese Regelung umfasste nur inländische Transaktionen. Leerverkäufe mit doppelter Steuererstattung im Umweg über das Ausland waren weiterhin möglich. Darauf hatte der BdB in seinem Schreiben von 2002 auch hingewiesen.”Wir haben nie Steuergestaltungswissenschaft betrieben, wir haben nie nach Lücken im Steuerrecht gesucht”, sagte Krause im Untersuchungsausschuss. Vielmehr sei es das Ziel gewesen, eine Steuergestaltungsmöglichkeit zu beseitigen: “Alle Maßnahmen waren darauf gerichtet, klare gesetzliche Verhältnisse zu haben.” Anders als in der heutigen Betrachtung sei dies damals ein gefährliches, aber kein “riesengroßes Thema” gewesen, machte Krause deutlich. Dass Banken aus Cum-ex-Transaktionen ein Geschäftsmodell im großen Stil gemacht haben, hat Krause nach eigenem Bekunden nicht gewusst. “Das kann ich definitiv sagen, dass mir das nicht zu Ohren gekommen ist.”Tatsächlich hat sich eine ganze Reihe von privaten und öffentlichen Banken mittlerweile mit den Finanzbehörden auf Nachzahlungen in mehrstelliger Millionenhöhe verständigt, um weiteren Rechtsstreiten aus dem Weg zu gehen. Eine höchstrichterliche Entscheidung gibt es bislang nicht.Für den Bankenverband ging es um wenige “Unglücksfälle”, wie Krause sich ausdrückte, etwa wenn ein Börsenmakler einen Auftrag hereinnahm und auf die eigenen Bücher angerechnet bekam, weil er die Aktien mit Dividende nicht veräußert hatte und die Lieferung erst nach dem Stichtag ohne Dividende erfolgte. Eine bessere Lösung bei der technischen Abwicklung über die Börsen sei damals nicht zu finden gewesen. In den Börsenabrechnungen von Clearstream sei nicht zwischen echten und synthetischen Dividenden aus Leerverkäufen zu unterscheiden gewesen. Der Vorschlag des BdB von 2002 habe sich nur deshalb auf Inlandstransaktionen beschränkt, “weil uns damals nicht die umfängliche Lösung eingefallen ist”. Der Finanzverwaltung und dem Gesetzgeber sei es offensichtlich bis 2006 nicht viel anders gegangen, mutmaßte Krause. Erst seit die Steuer von den depotführenden Instituten und nicht mehr vom Emittenten abgeführt wird, ist die doppelte Erstattung gestoppt. An eine solche Systemänderung hatte damals aber keiner gedacht, unterstrich Krause. ——–Der Cum-ex-Untersuchungssauschuss des Bundestags hat erstmals Zeugen vernommen.——-