„Wir machen heute einiges anders“
luk/fed/scd Frankfurt
„Die Investoren haben uns die Treue gehalten, auch supranationale Organisationen wie beispielsweise die Europäische Investitionsbank oder die Weltbanktochter IFC“, berichtet Chief Executive Officer Tobias Pross im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Die Aufarbeitung des Structured-Alpha-Kollapses habe gezeigt, „dass AGI bei institutionellen Investoren einen guten Ruf hat“. Deshalb habe sich AGI im zweiten Quartal auch „gut geschlagen, obwohl das eine schwierige Zeit war für die gesamte Industrie“. Allianz Global Investors sei im operativen Ergebnis gegenüber Vorjahr sogar noch etwas stärker geworden.
Mit dem Kursabsturz zu Beginn der Corona-Pandemie 2020 waren langjährige kriminelle Machenschaften von drei ehemaligen AGI-Managern aufgeflogen, die die Structured-Alpha-Fonds verwalteten. Der Kollaps kam die Allianz teuer zu stehen – mehr als 5 Mrd. Euro. „Greg Tournant und die beiden anderen ehemaligen Mitarbeiter haben gegen alle geltenden Regeln unseres Unternehmens verstoßen“, erläutert Pross. „Wenn man sich in Tiefgaragen trifft, um Papiere auszutauschen, und wenn man sich über private Telefone verabredet, dann ist es schwierig für jedes Compliance- und Risk-Team, Fehlverhalten zu entdecken“, sagt der Vorstandschef und fügt an: „Ohne den Druck der Strafverfolgung war das unmöglich.“
Gleichwohl habe die AGI Lehren gezogen: „Wir machen heute einiges anders.“ So werde beispielsweise über ein neues Werkzeug, das Daten bündele und sie von der Compliance-Abteilung prüfen lasse, sichergestellt, dass Kunden auch bei schnellen Anfragen geprüfte Informationen über die Auswirkungen von Ereignisse auf ihre Portfolien erhalten.
Kompensation der Anleger
Pross unterstreicht, dass die AGI im Fall Structured Alpha Verantwortung übernommen habe: „Dank der Unterstützung der Allianz-Gruppe haben wir die Anleger in den USA fair kompensieren können.“ Allianz-Konzernvorstandschef Oliver Bäte habe das Thema von Anfang an zur Chefsache gemacht, berichtet Pross. „Wir haben bereits vor dem Schuldspruch begonnen, Anlegern Kompensation anzubieten, weil es der Allianz-Gruppe wichtig war, betroffene Anleger gerecht zu entschädigen.“ Die Tatsache, dazu in der Lage gewesen zu sein, beweise „die Stärke des Mutterkonzerns“.
Pross ist zuversichtlich, dass mittlerweile die Aufarbeitung des Falls Structured Alpha weit fortgeschritten ist. In den Vereinigten Staaten sei noch eine Class Action anhängig. „Wir haben noch einige Restarbeiten zu erledigen, aber dann ist das Kapitel hoffentlich für uns abgeschlossen.“
Ebenfalls abgeschlossen ist die Übertragung von Vermögenswerten und der Transfer des Investmentteams zu Voya Financial. Dass man sich für diesen Partner entschieden habe, begründet Pross mit Verweis auf Gemeinsamkeiten: „Unser Partner Voya hat eine ähnliche Geschichte wie wir: Beispielsweise hat er einen Versicherer als Mutterkonzern und ist ganz weit vorne bei ESG.“
Die Allianz Gruppe ist Minderheitseigner mit 24,9 % an Voya. Daraus soll eine stabile Partnerschaft entstehen. „Im Assetmanagement braucht man einen langen Atem“, betont Pross.
Private Markets im Blick
Angesprochen auf Prioritäten von AGI nennt der CEO unter anderem drei Stichworte: Private Markets, Nachhaltigkeit und China. So bekräftigt er, dass AGI im Segment Private Markets, also zum Beispiel bei der Infrastrukturfinanzierung oder Private Debt, „so stark werden will wie bei liquiden Vermögenswerten“.
Beim Thema nachhaltige Finanzanlage differenziert Pross: „Nachhaltigkeit ist wichtig für uns – und damit meine ich nicht nur ESG“, also Environment, Social, Governance. AGI unterscheide sich von anderen, indem die Fondsgesellschaft „beispielsweise alle 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen in den Fokus nimmt“. So betreue Allianz Global Investors etwa einen Fonds, der soziale Ziele in Afrika, wie Ausbildung und Schaffung von Arbeitsplätzen, anstrebe.
Kooperation in China
Pross erklärt, dass der chinesische Markt ebenfalls eine große Bedeutung für AGI habe. „Wir streben dort eine Fund-Management-Company-Lizenz an und haben uns gerade mit zwei Partnern auf eine Vertriebskooperation verständigt.“
Mit Blick auf das Geschäft in Deutschland ist er zuversichtlich, dass die aktuelle wirtschaftliche Situation Chancen eröffnet, Bundesbürger für eine Anlage in einem aktiv gemanagten Fonds zu gewinnen. „Ich bin überzeugt, dass ein aktiver Manager gerade in Zeiten hoher Inflation unter Beweis stellen kann, warum es sich lohnt, zu ihm zu gehen.“ Die große Herausforderung werde sein, wie die Deutschen den Wohlstand halten können, den sie über Jahrzehnte aufgebaut haben. „Jeder bekommt zu spüren, dass die Preise steigen. Deshalb geht es darum, das Geld härter arbeiten zu lassen als bisher.“
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Interviews wurde der Internationale Währungsfonds als Investor genannt. Tatsächlich gemeint war jedoch die Weltbanktochter IFC. Wir haben die entsprechende Stelle korrigiert.