„Wir reden in fünf Jahren nicht mehr über ESG“
Von Michael Flämig, München
„Wir wollen in großem Maßstab privates Kapital in nachhaltige Entwicklung lenken“, kündigt Lead-Portfoliomanagerin Nadia Nikolova an, die für Allianz Global Investors (AGI) das sechsköpfige Team Development Finance Private Debt Impact Investing leitet.
Aktuell seien Schwellenländer-Investments aus kombiniertem privaten und öffentlichen Kapital im Fokus, so Nikolova im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Diese Investments würden häufig gemeinsam mit Entwicklungsbanken umgesetzt. „Diese Mischfinanzierung, auch ‚blended finance‘ genannt, ist erst einmal eine Investmenttechnik, kann aber im Laufe der Zeit eine eigene Assetklasse werden“, so Nikolova.
„Geld muss etwas bewirken“
Die Allianz beschränke sich aber nicht auf derartige Partnerschaften, erklärt die Portfoliomanagerin: „Wir wollen in Zukunft auch entwickelte Märkte angehen.“ Sie hat dort vor allem Investments in kleinere Firmen beispielsweise in der Start-up-Phase im Blick. Sie könnten auf disruptive Technologien ausgerichtet sein, die die nachhaltige Wirtschaft auf eine nächste Stufe heben: beispielsweise durch den Bau von Batterien oder die Etablierung intelligenter Stromnetze. Aber auch Spezialisten für soziale Inklusion oder Lebensmittelsicherheit seien interessant. Europa und die USA seien wichtige Märkte hierfür. Die Laufzeit der Anlagen werde deutlich kürzer sein als bei Infrastruktur-Investments.
Auf eine zu investierende Gesamtsumme in den nächsten Jahren legt Nikolova sich nicht fest: „Wir sind noch in einer zu frühen Phase unserer Planung.“ Anfangs werde man kleinere Summen wählen. Sobald das Konzept sich bewährt habe, solle es skaliert werden.
Impact Investing hat sich zum Ziel gesetzt, eine positive Auswirkung – also einen Impact – auf das Leben auch in der Zukunft zu haben. Diese Variante des nachhaltig orientierten Assetmanagements werde sich bald gegenüber ESG (Umwelt, Soziales, Führung) durchsetzen, ist Nikolova überzeugt. „Ich glaube, dass wir in fünf Jahren nicht mehr über ESG reden werden.“ Dieser Ansatz werde in gewisser Weise einfach normaler Teil der Risikobewertung sein.
Die Frage des Impact Investing müsse vielmehr sein: Welchen zusätzlichen Nutzen für nachhaltiges Wirtschaften werde mit den investierten Euro gestiftet? „Das Geld muss wirklich etwas bewirken“, so ihr Credo. Aus Sicht von Nikolova schafft daher beispielsweise eine Investition in einen bereits bestehenden Nordsee-Windpark nur einen vergleichsweise geringen Zusatznutzen im Vergleich zu einer Anlage, die zusätzliche saubere Energiekapazitäten in einem Land mit einer sehr geringen Durchdringung erneuerbarer Energien errichtet.
Nikolova räumt ein, dass der Definition von „Impact“ eine zentrale Rolle zukommt, auch um Greenwashing jeder Art zu verhindern. Die AGI habe daher den Impact-Investing-Teams für Private Debt sowie Private Equity eine verbindende Einheit zugeordnet. Dieses Impact Measurement&Management Team soll ein Rahmenwerk für wirkungsorientierte Investments einführen, um die Auswahl von Impact Investments zu erleichtern und um die gewünschten Auswirkungen langfristig zu messen. Impact Investing habe sich in den vergangenen Jahren sehr dynamisch entwickelt, erklärt Nikolova. Mit einem Generationswechsel in Family Offices habe sich diese Anlegergruppe stark in dem Thema engagiert. Mittlerweile sei auch das Interesse größerer institutioneller Investoren vorhanden: „Es schlägt Wellen, was wir tun.“ Die Nachfrage der Beschäftigten sei groß, denn viele Jüngere suchten nach sinnstiftenden Arbeitsstellen: „Es fällt mir wesentlich einfacher als anderen Portfoliomanagern, neue und diverse Mitarbeiter*innen zu finden.“
„Markt noch entwickeln“
Nikolova setzt sich mit ihrem Team dafür ein, Impact Investing auch in Schwellenländern voranzutreiben. Diese Wachstumsmärkte gehören zu den größten Luftverschmutzern, daher gelte: „Der Kampf gegen den Klimawandel wird in diesen Regionen gewonnen oder verloren.“ Das Team von Nikolova hat seit 2017 nach eigenen Angaben über 2Mrd. Dollar aufgebracht. Es verwaltet außerdem das Managed Co-Lending Portfolio Program (MCPP) zwischen der Allianz und der International Finance Corporation (IFC), einem Mitglied der Weltbankgruppe.
Bislang hat die IFC im Rahmen des MCPP 10 Mrd. Dollar eingesammelt. In Erweiterung der bestehenden Partnerschaft wurde auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow 2021 (COP26) das Programm MCPP One Planet angekündigt. Dieses ist weltweit das erste sektorübergreifende Kredit-Portfolio für Schwellenländer, das auf die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens ausgerichtet ist und ebenfalls von AGI verwaltet wird. Die Allianz habe sich in der Vergangenheit auf exklusive Partnerschaften in Schwellenländern fokussiert, sagt Nikolova. In Zukunft wolle man einen Multi-Stakeholder-Ansatz fahren.
Die Mischfinanzierung der öffentlichen und privaten Geldgeber finde zwar zunehmend Nachahmer und werde auch von der EU-Kommission unterstützt, erklärt Nikolova: „Aber der Markt muss sich erst noch entwickeln.“ Es handle sich um eine komplexe Materie. Die AGI könne dem Geschäft die erforderliche Zeit widmen. Perspektivisch müssten jedoch derartige Transaktionen vereinfacht werden: „Die Regulierungsbehörden können dabei helfen.“
Am wichtigsten aus Sicht von Nikolova: „Hilfreich wäre eine klare Aussage, dass bestimmte Mischfinanzierungsstrukturen nicht als Verbriefung gelten.“ Denn diese Einstufung drohe zu höheren Kapitalanforderungen und Berichtspflichten zu führen. Aktuell könne der Verbriefungsstatus nur verhindert werden, indem man komplexe Strukturen schaffe. Derartige Konstrukte seien aber nicht im Interesse der Anleger.
Die Allianz profitiere von den Mischfinanzierungen auf mehrere Weise, erklärt Nikolova. Erstens sei sie so in den Wachstumsmärkten engagiert, was zur Portfoliodiversifikation beitrage. Zweitens seien die Renditen höher als jene von öffentlich gehandelten Assets ähnlichen Risikos. Drittens brächten Partner wie die Weltbank jahrzehntelange Erfahrungen in ihren regionalen Märkten mit. Teils könnten private Investoren bei solchen Mischfinanzierungen auch davon profitieren, dass die Entwicklungsbanken von Kapitalverkehrskontrollen ausgenommen seien. Da die Banken und Geldgeber die Erstverluste übernähmen, könnten die Investitionen ein Investment-Grade-Profil erhalten.