Jean-Marc Stenger und Christian Schütze

„Wir sehen großartige Perspektiven“

Nachdem sich Société Générale mit Anleiheplatzierungen über öffentliche Blockchains als Pionierin hervorgetan hat, geht sie nun einen Schritt weiter. Es geht um nicht weniger als eine DeFi-Premiere.

„Wir sehen großartige Perspektiven“

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Die französische Großbank Société Générale (SG) gehört zu den Vorreitern beim Einsatz von Blockchain-Infrastruktur für Wertpapierprozesse. Nachdem zunächst die grundsätzlichen Einsatzmöglichkeiten von Ethereum geprüft und für gut befunden worden waren, stellte man vor anderthalb Jahren mit SG Forge eine integrierte Tochter auf eigene Füße. Dort widmet man sich dem Aufbau von Blockchain-Infrastruktur, die digitale Wertpapiere in Form von Security Token marktgängig macht. Über die von Jean-Marc Stenger geführte SG Forge erhalten institutionelle Investoren und Firmenkunden Zugang zu volldigitalen Wertpapierprozessen mit regulatorischer Compliance – und bald wohl auch mit Zugang in die Welt der dezentralisierten Finanzmärkte (DeFi).

EIB-Transaktion lief prima

Den Anfang machte im Frühjahr 2019 die Emission eines 100 Mill. Euro schweren Covered Bond als Security Token auf Ethereum, der sogenannte OFH Token – der spielt dann auch eine Schlüsselrolle bei der geplanten DeFi-Anbindung. „Wir sehen großartige Perspektiven für Settlement und Collateral Management von volldigitalisierten Wertpapieren wie Security Token auf Blockchan-Infrastruktur“, so SG-Forge-CEO Stenger und Christian Schütze, Head of Cross Asset Secured Financing Sales bei Société Générale in Frankfurt, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Es gibt weitere Mandate

Ihr Auftrag: Bonds und strukturierte Produkte auf öffentlichen Blockchains platzieren. „Das hatte mit der EIB-Transaktion im April 2021 sehr gut funktioniert, um großen Emittenten das Testen einer volldigitalen Emission zu ermöglichen.“ Dabei hatte die Europäische Investitionsbank (EIB) Goldman Sachs, Santander und Société Générale als Bookrunner angeheuert, um die Emission über 100 Mill. Euro mit zweijähriger Laufzeit von der Registrierung bis zum Settlement zu begleiten. Man sei bereits für drei weitere Bondemission dieser Art mandatiert, so Stenger. Bei der EIB-Transaktion habe man den Security Token kreiert, den Smart Contract auf der Blockchain verankert und dann mit Hilfe der (synthetischen) CBDC der Banque de France das Settlement vollständig auf der Ethereum-Blockchain vorgenommen. Außerdem war SG Forge als Betreiber der Token-Plattform Cast auch für die Verwahrung und das Management der kryptografischen Schlüssel verantwortlich – eine Kernaufgabe im Krypto- und DLT-Bereich.

Global zugängliche Register

„Wir glauben daran, dass es große Vorteile bringt in der gesamten Wertschöpfungskette der Wertpapierindustrie, wenn man Finanzinstrumente auf eine global für alle gleichermaßen zugängliche Infrastruktur bringt, da dies letztendlich den Liquiditätspool vergrößert.“ Ein voll onchain stattfindender Prozess von Emission bis finalem Settlement berge erhebliche operationale und finanzielle Vorteile, die Verwendung von Smart Contracts ermögliche eine eingebettete Automatisierung im Post Trade für Coupon-Zahlungen und Collateral Management, so Schütze.

Einen solchen automatisierten Datenhaushalt füttert SG Forge über selbst entwickelte Oracles, das sind APIs, die verschiedene Blockchains miteinander verbinden, aber auch traditionelle Datenbanken integrierbar machen, erklären die beiden Wertpapierspezialisten. So kommen dann auch bankübliche Elemente wie KYC-Daten für Ident-Prozesse und ISINs für das lückenlose Tracking der Wertpapier-Eigentümerschaft in den Prozess hinein.

Das alles läuft über die selbst entwickelte Cast-Open-Source-Plattform (Compliant Architecture for Security Tokens), die gewissermaßen sicherstelle, dass alle Banken dieselbe Sprache sprechen und jeder seine eigenen IT-Systeme leicht für den Plattformzugang anpassen kann. Wichtig dabei ist, dass bei SG Forge alle externen Blockchains einer Due Diligence unterzogen werden, da man bei Governanceregeln von Partnern keine Kompromisse machen kann. Stengers Credo: „Nicht alle Blockchains sind gleich.“ Die Forge-Plattform ist agnostisch gegenüber angebundenen Blockchains, neben Ethereum und Tezos werde man bald einen dritten Partner bekannt geben. Ob es sich um die hyperschnelle Solana-Blockchain handeln könnte, dazu sagen die beiden nichts.

Auf Peter Thiels Spuren

Mit dem eingangs erwähnten OFH Bond wagt SG Forge nun auch den Brückenschlag zu DeFi, einer von Software-Protokollen definierten Finanzwelt, in der sich neuartige Möglichkeiten für das Yield-Management ergeben. Das Schwierigste sei immer der Schritt von „zero to one“, so Stenger in Anlehnung an die Innovationslehre von Investor Peter Thiel.

Über DeFi könne man Collateral-Prozesse „dramatisch verbessern, da man beim Transport von Geldeinheiten repräsentierenden Daten diese nur als Code hin und her schicken muss“. Das heißt, Papierprozesse gehören der Vergangenheit an. Zwar müsse man in der DeFi-Struktur mehr Collateral vorhalten, könne aber intraday friktionsfrei Assets bewegen und damit insgesamt mehr Finanzierung bereitstellen. Damit erreicht man das, was in DeFi „automatisierte Liquidität“ bezeichnet wird – wobei Stenger anmerkt, dass manche Akteure in DeFi diese propagierte Leistung gar nicht liefern.

Her mit dem Stablecoin

Konkret will SG Forge ihre Security Token nun als Sicherheit einbringen, um dafür einen bestimmten Stablecoin zu erhalten. Stablecoins kann man dann selbst für andere, mitunter gut verzinste Geschäfte einsetzen. Und so soll’s gehen: Aus der OFH-Emission wurde eine Tranche von OFH Token genommen, um diese (in Dollar gewandelt) für ein Refinanzierungsgeschäft einzusetzen, bei der SG Forge über einen Zeitraum von sechs Monaten Token im Wert von 20 Mill. Dollar des Stablecoin DAI erhält.

Dieses Geschäft hat SG Forge dieser Tage der über DAI wachenden Community von Maker DAO vorgeschlagen und ist damit auch auf Wohlwollen gestoßen. Jetzt wird das von den Token-Besitzern diskutiert, die dann bald darüber abstimmen dürften. Die bislang noch über DAI wachende Stiftung der Gründer um Rune Christensen wird zum Jahresende aufgelöst, die Governance des Stablecoin liegt dann komplett in der dezentralen Struktur einer DAO (Decentralized Autonomous Organisation).

Dass sich die Société Générale auf ein solches DeFi-Abenteuer einlässt, begründet sie auch damit, dass schon bald eine volle EU-Regelung für Security Token bestehen dürfte – und dann sowieso viele Adressen aus TradFi (Traditional Finance) die Liquidität auf DeFi suchen würden.

EU-Regeln gute Grundlage

Mit der Großwetterlage bei Security Token ist Stenger nicht unzufrieden. Regulatorisch sei zu etwa 90% alles vorhanden, was SG Forge benötige, da in der EU insbesondere Frankreich und Deutschland innovativ gewesen seien mit schneller Gesetzgebung.

Die fehlenden 10% verortet er bei mangelnder nationaler Umsetzung der CSDR, dass sich also Security Token nicht auf regulierten Handelsplätzen listen lassen. Das sollte im kommenden Jahr aber behoben sein, so seine Erwartung. Es sei wichtig, dass Europa hier fix vorankomme, da die US-Großbanken sicher harte Wettbewerber würden und auch ein Player wie Coinbase hier ruckzuck über eine Akquisition an die erforderliche Banklizenz kommen könnte.

Digitaler Euro fehlt

Ein elementares Puzzleteil fehlt aber noch für einen durchgängigen Onchain-Prozess im Wertpapiergeschäft: Eine digitale Zentralbankwährung sei notwendig, um alles volldigital zu bündeln.

Stenger erwartet, dass es zu einer Übergangsphase kommen wird, in welcher man als Bank eine hybride Organisation braucht. Denn zum einen könnte man schnell die Trigger-Lösungen für Delivery vs. Payment von den Target-Systemen in eine Blockchain hinein nutzen und zum anderen dann später on top schrittweise CBDC für komplettes Onchain-Settlement integrieren, sobald der digitale Euro eingeführt ist.

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