Im GesprächFrank Walthes und Andreas Kolb

„Wir sehen uns in der Champions League"

Die Versicherungskammer will 2025 durchstarten. Es könne ein richtig gutes Geschäftsjahr werden, sagt Vorstandsvorsitzender Frank Walthes im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Der Münchner Konzern komme auf die Ziellinie zurück, ein Beitragsvolumen von 10 Mrd. Euro zu erreichen.

„Wir sehen uns in der Champions League"

Nach zwei Jahren mit einer sehr hohen Schadenbelastung sieht sich der Konzern Versicherungskammer mit Hauptsitz in München für die angelaufene Periode gut gerüstet. „2025 kann unter der Voraussetzung, dass wir uns wieder einer geopolitischen Normalisierung annähern, ein richtig gutes Geschäftsjahr werden“, sagt Vorstandsvorsitzender Frank Walthes im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Finanzvorstand Andreas Kolb weist darauf hin, dass der Erstversicherer mit einer IT-Offensive hohe Vorleistungen gebracht habe.

Walthes begründet den Optimismus auch mit den bereits getätigten Investitionen in geplante Produkteinführungen. Außerdem seien personelle Weichen gestellt worden. Im vergangenen Jahr habe die Versicherungskammer die Zahl der Beschäftigten um rund 300 aufgestockt, trotz Fachkräftemangels und demografischer Herausforderungen. Zudem sei der Vorstand zum Jahresanfang neu strukturiert worden.

Kundenorientierung gebündelt

„Wir wollen das Ressort Operations stärken“, erläutert Walthes. Künftig sei Vorständin Isabella Martorell Naßl durchgängig für alle Aktivitäten mit Kundenorientierung zuständig. In diesem Feld arbeite rund ein Drittel der knapp 7.500 Beschäftigten. Das Ziel von Walthes: „Operations soll eine deutlichere Wirkung auf die Geschäftsfelder zeigen.“

Der Vorstandsvorsitzende bekräftigt das Ziel einer deutlichen Umsatzsteigerung: „Wir sehen uns in der Champions League. Unser Ziel ist es, künftig Beitragseinnahmen von rund 10 Mrd. Euro zu generieren.“ Diese Marke wolle die Versicherungskammer im Jahr 2027 oder 2028 erreichen. Mit dem Ergebnis 2024 sei man zurück auf der Ziellinie zu dieser Vorgabe und sichere ein profitables Unternehmenswachstum.

2024 höheres Wachstum als geplant

Im vergangenen Jahr seien die Beitragseinnahmen um knapp 4% auf mehr als 9 Mrd. Euro gestiegen, detailliert Kolb. Damit habe die Versicherungskammer besser abgeschnitten als ursprünglich geplant. Zuvor hatte sie, ausgehend von 9,4 Mrd. Euro im Jahr 2020, seit dem Beginn der Pandemie in der Kategorie gebuchte Beitragseinnahmen (brutto) Rückgänge aufgrund des sinkenden Einmalbeitragsgeschäfts in der Lebensversicherung hinnehmen müssen.

Im vergangenen Jahr sei die Schaden- und Unfallversicherung der Treiber gewesen, sagt Kolb. Diese habe ihre Einnahmen um 9,2% gesteigert. Rund zwei Drittel des Beitragsanstiegs sei durch Preisanpassungen begründet.

Kooperation statt Fusion

Als Erfolgsfaktor 2025 sieht Walthes auch die Kooperation mit den Schwestergesellschaften aus dem öffentlich-rechtlichen Lager: „Wir sind für das neue Jahr richtig gut aufgestellt.“ Dies gelte beispielsweise in der Personenversicherung, für die die Versicherungskammer nun im Vorstand ein eigenes Ressort gegründet habe.

Darüber hinaus sei unter der Führung der Versicherungskammer eine IT-Technologiepartnerschaft mit der Provinzial Gruppe gegründet worden – so würden 80% der IT-Dienstleistungen der Versicherer aus dem Sparkassensektor gebündelt: „Für uns ist Skalierung ein wesentlicher Faktor, und am besten tun wir dies innerhalb des öffentlich-rechtlichen Lagers.“ Fusionen stehen laut Walthes nicht an.

Mit Blick auf 2024 bilanziert Walthes: „Es war ein ausgesprochen herausforderndes Geschäftsjahr.“ Die Inflation wirke sich auch bei der Versicherungskammer auf die Ergebnisse und Kostenstrukturen aus. Außerdem habe das Pfingsthochwasser in Bayern und dem Saarland zu hohen Schadenzahlungen geführt, nachdem im Vorjahr ein Hagelsturm im bayerischen Bad Bayersoien die Schäden nach oben getrieben hatte.

Combined Ratio schlechter als 100%

Infolge der hohen Beitragszuwächse und der etwas geringer gestiegenen Schadenaufwendungen und Kosten sei die Combined Ratio von 106% auf rund 103% gesunken, sagt Kolb. Der auch inflationsgetriebene Schadenaufwand (ohne VKB Rückversicherung) erhöhte sich von 2,56 Mrd. Euro im Vorjahr auf 2,65 Mrd. Euro um rund 6%.

Die Belastung aus Naturkatastrophen belaufe sich dabei mit rund 380 Mill. Euro auf Vorjahresniveau. In einem Jahr mit einer durchschnittlichen Belastung erwarte die Versicherungskammer einen Wert von gut 240 Mill. Euro.

Zuwachs in Autoversicherung

Obwohl die Combined Ratio nun erneut schlechter als 100% war, hat die Versicherungskammer nach eigener Einschätzung die Beiträge nicht zu zögerlich erhöht. Mit einem Beitragsplus in der Komposit-Sparte von jeweils knapp 10% in den vergangenen zwei Jahren sei man relativ klar positioniert, sagt Walthes.

In der Autoversicherung habe man 2024 einen Nettozuwachs der versicherten Fahrzeuge verzeichnet, berichtet Walthes. Kolb zufolge sank dort die Combined Ratio von 113% auf circa 106%.

Eine besondere Inflation bei den Personenschäden sieht der Finanzvorstand nicht, vielmehr seien die Ersatzteilpreise und Werkstattkosten die Kostentreiber. Die medizinischen Kosten und Ausgaben für Pflege seien nicht exorbitant gestiegen.

In der Folge der hohen Schäden und hochinflationsbedingt gestiegenen versicherten Summen habe die Versicherungskammer ihre Rückversicherungsstruktur neu justiert, erläutert der Finanzvorstand. Die Programme seien zudem deutlich ausgeweitet worden, und zwar auf 1,4 Mrd. Euro pro Einzelkumulereignis im Naturkatastrophenbereich (Elementarereignisse).

Einmalbeiträge schrumpfen

In der Lebensversicherung seien die Einmalbeiträge 2024 um rund 8% gesunken, sagt Kolb, so dass die gesamten Beitragseinnahmen leicht zurückgegangen seien. Mit dem Sockel von rund 840 Mill. Euro Einmalbeiträgen jährlich sei man nun zufrieden. Im Jahr 2023 hätten im Bereich der Lebensversicherung Rückkäufe im institutionellen Geschäft zu verstärkten Leistungen gesorgt, diese wären wieder zurückgegangen.  

In der Krankenversicherung seien die Leistungsausgaben stärker gestiegen, sagt Kolb. Während die Wettbewerber im Schnitt mit einem Plus von bis zu 10% rechneten, liege die Versicherungskammer bei einem Anstieg von rund 7%. Die Sparte habe die Beitragseinnahmen um 3,8% erhöht.

Mehr Geld für die IT

Das Ergebnis vor Steuern 2024 werde in der Größenordnung von 360 bis 370 Mill. Euro landen, sagt Kolb. Im Jahr zuvor hatte die Versicherungskammer 386 Mill. Euro gemeldet.

Im Jahr 2024 seien auch rund 80 Mill. Euro verarbeitet, die die Versicherungskammer zusätzlich zu den jährlichen Projektausgaben von 70 bis 80 Mill. Euro jährlich in die IT investiert habe. Im Zeitraum von fünf Jahren würden zusätzlich rund 250 Mill. Euro ausgegeben. Die laufenden Kosten dagegen legten weniger stark zu als die allgemeinen Preissteigerungen.

Immobilien verlieren an Wert

Rückenwind habe die Versicherungskammer vom Kapitalanlageergebnis erhalten, das von 1,4 auf 1,5 Mrd. Euro gestiegen sei. Dies entspreche einer Nettoverzinsung von 2,3%, so Kolb. Sehr positiv gelaufen seien der gesamte Aktienmarkt, der Bereich Rohstoffe und High-Yield-Bonds. Im vergangenen Jahr habe die Versicherungskammer rund 2,5 Mrd. Euro mit einer Rendite von durchschnittlich deutlich über 3% angelegt.

„Im Bereich Immobilien war unser Portfolio von der Marktentwicklung, wie auch im Vorjahr, weniger stark betroffen als der Gesamtmarkt“, erläutert Kolb. Im Bereich der Gewerbeimmobilien mit einem Volumen von rund 2,5 Mrd. Euro liege der Marktwert-Rückgang bei rund 7 bis 8%, während der Markt rund 10% verzeichne. Insgesamt besitzt die Versicherungskammer Immobilien im Wert von in etwa 8 Mrd. Euro.

Von Michael Flämig, München

Im Gespräch: Frank Walthes und Andreas Kolb

„Wir sehen uns
in der
Champions League“

Vorstandsvorsitzender und Finanzvorstand der Versicherungskammer über den geplanten Beitragssprung auf 10 Mrd. Euro

Die Versicherungskammer will 2025 durchstarten. Es könne ein richtig gutes Geschäftsjahr werden, sagt Vorstandsvorsitzender Frank Walthes im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Der Münchner Konzern komme auf die Ziellinie zurück, ein Beitragsvolumen von 10 Mrd. Euro zu erreichen.

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