IM GESPRÄCH: CHRISTIAN OSSIG, BUNDESVERBAND DEUTSCHER BANKEN

"Wir stehen in den Startlöchern"

Der Bankensektor will sich stärker an der Finanzierung des europäischen Green Deal beteiligen, fordert aber zusätzliche Anreize

"Wir stehen in den Startlöchern"

Die europäischen Banken unterstützen den Green Deal der EU-Kommission und wollen auch einen wichtigen Teil zur Finanzierung beitragen. BdB-Hauptgeschäftsführer Christian Ossig plädierte im Gespräch aber auch für zusätzliche Anreize – zum Beispiel Erleichterungen bei der Eigenkapitalunterlegung.Von Andreas Heitker, BrüsselDie privaten Banken sehen sich bei der Finanzierung des 1 Bill. Euro teuren Green Deal in Europa noch nicht genügend eingebunden. Die Europäische Kommission setze derzeit hauptsächlich auf den EU-Haushalt und auf Förderbanken wie die Europäische Investitionsbank (EIB), sagte Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken (BdB), im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Dies sei aber zu kurz gedacht. “Solche großen Summen kann man nur stemmen, wenn die Finanzmärkte auch mit einbezogen werden und die großen Investoren noch mehr im nachhaltigen Bereich machen.” Dieser Aspekt sei in der Diskussion bisher zu kurz gekommen.Die Finanzwirtschaft und die privaten Banken in Europa begrüßen laut Ossig den Green Deal der EU-Kommission ausdrücklich: “Er ist ambitioniert, aber auch notwendig. Alle müssen an einem Strang ziehen, um das Klima zu schützen”, betonte er. Notwendig seien nach Schätzungen der Europäischen Kommission aber zusätzliche nachhaltige Investitionen von rund 260 Mrd. Euro pro Jahr. “Es ist klar, dass diese zusätzlichen Investitionen nicht ohne die Banken zu stemmen sind. Wir finanzieren heute bereits viele Milliarden im grünen, nachhaltigen Bereich – das muss aber noch viel mehr werden.”Ossig, der im Januar auch den Vorsitz des Executive Committee des Europäischen Bankenverbandes EBF übernommen hat, verweist darauf, dass dies nicht nur die Haltung des deutschen Bankensektors sei. “Wir stehen in den Startlöchern. Und die europäischen Banken ziehen dabei an einem Strang.” Der Green Deal bietet der Finanzwirtschaft ja schließlich auch neue Chancen. “Bürokratie kann Klima killen”Um das Brüsseler Klimaprogramm auch umsetzen zu können, sind nach Einschätzung von Ossig vor allem “praxisadäquate Rahmenbedingungen” notwendig, zum Beispiel beim Thema Taxonomie. “Wir müssen uns im Klaren sein: Auch zu viel Bürokratie kann das Klima killen”, warnt der BdB-Hauptgeschäftsführer. Wichtig sei, dass die Rahmenbedingungen, die jetzt in Brüssel aufgestellt würden, die Marktkräfte “nicht ausbremsen, sondern sie nutzen und weiter stärken”.Das Klassifizierungssystem für nachhaltige Anlagen sei in erster Linie fürs Kapitalmarktgeschäft entwickelt worden, sagt Ossig. Welche Rolle diese Taxonomie im Endeffekt bei der Kreditvergabe der Banken spielen werde, sei zurzeit noch nicht klar.Ossig forderte in dem Gespräch die Politik auf, sich konkrete Gedanken über zusätzliche Anreize zu machen, um die Finanzwirtschaft noch stärker als bisher für den Green Deal zu mobilisieren. “Zu den Anreizen sollten Steuervorteile auf nationaler Ebene gehören, aber auch Eigenkapitalerleichterungen”, erläuterte er. “Wir sollten zum Beispiel über einen Sustainable Supporting Factor in der Bankenregulierung reden.” Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA habe ja hier auch einen Prüfauftrag. Ossig stellte zugleich allerdings auch klar, dass bei der Eigenkapitalunterlegung auch in Zukunft selbstverständlich immer zunächst das Risiko eines Geschäfts reflektiert werden müsse. Verbriefungen bieten Chancen”Enorme Stellschrauben” sieht der Bankenverband zudem im Verbriefungsmarkt. “Über Verbriefungen könnten viele zusätzliche Mittel für den Green Deal mobilisiert werden”, betonte Ossig. Der Rechtsrahmen für Verbriefungen (STS), den die EU-Gesetzgeber in den vergangenen Jahren neu definiert hätten, habe den Markt – anders als versprochen – nicht gefördert. So lasse der neue Rahmen nachhaltige Verbriefungen außen vor, und auch synthetische Verbriefungen seien zunächst stiefmütterlich behandelt worden. Diese sollten aber ebenfalls von einem STS-Label profitieren können. “Denn gerade solche Verbriefungen sind der Königsweg, um kleinteilige Finanzierungen von klein- und mittelständischen Unternehmen an den Kapitalmarkt zu bringen.”Brüssel sollte nach Meinung von Ossig jetzt neue Verbriefungsregeln speziell für grüne Kreditportfolien in Erwägung ziehen, um den Markt anzukurbeln. “Woran es heute doch oft fehlt, sind nachhaltige Projekte und gar nicht so sehr die finanziellen Mittel”, sagte er in dem Gespräch. Neue Möglichkeiten für Investments seien da, so dass die vorhandenen Gelder beispielsweise auch besser in den Mittelstand gebracht werden könnten. “Dadurch ließen sich ganz neue Projekte erschließen.”