"Wir werden Verlagerungen sehen"

Ex-UBS-Chefvolkswirt George Magnus warnt die City of London vor einem Bedeutungsverlust

"Wir werden Verlagerungen sehen"

George Magnus, einer der Elder Statesmen am Finanzplatz London, hat auf einer Branchenkonferenz vor einem Bedeutungsverlust der City gewarnt. Davon würde aus seiner Sicht besonders New York profitieren.hip London – Der ehemalige UBS-Chefvolkswirt George Magnus hat auf der AFME European High Yield Conference vor einem Bedeutungsverlust der City of London im Vergleich zu ihren Wettbewerbern gewarnt, insbesondere im Vergleich zu New York. “Mein Eindruck ist, dass sich viele Banken schon überlegen, welche Geschäfte sie anderswo ansiedeln wollen, sei es nun in New York, Singapur, im Nahen Osten oder in einem der vielen europäischen Finanzzentren”, sagte Magnus, der nach einer langen Karriere im Investment Banking als Senior Independent Economic Advisor der UBS fungiert. “Wir werden bedeutende Verlagerungen sehen.” Keine Zeit, um abzuwartenDas liege nicht zuletzt daran, dass sich die mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU verbundene Unsicherheit noch lange hinziehen könne. Die Institute könnten es sich aber nicht leisten, abzuwarten. Übergangsregelungen über 2019 hinaus, etwa bis 2025, wären deshalb hilfreich, sagte Magnus. Aus seiner Sicht ist der von der Finanzbranche gefürchtete “Hard Brexit” derzeit das wahrscheinlichste Ergebnis des Prozesses – ein Verlassen nicht nur der Staatengemeinschaft, sondern auch des gemeinsamen Markts. Die wirtschaftlichen Folgen seien nahezu komplett unvorhersehbar.Die britische Finanzdienstleistungsbranche sei in hohem Maße in das weltweite Finanzsystem integriert. “Mit anderen Worten: Sie ist sehr anfällig, wenn es zu einer Balkanisierung kommt”, sagte Magnus. Es gebe zwar keinen Grund, warum der Devisenhandel nicht mehr in London stattfinden sollte. Auch Hedgefonds erschienen relativ immun. Aber viele Geschäfte wären von den Auswirkungen des EU-Austritts betroffen, was in gewissem Umfang Verlagerungen nach sich ziehen werde. Mit der Ankündigung, bis Ende März 2017 Artikel 50 des Vertrags von Lissabon in Anspruch zu nehmen, habe die Regierung den einzigen Hebel aus der Hand gegeben, den sie gehabt habe: die Situation im Schwebezustand zu belassen.Am europäischen Markt für Hochzinsanleihen zeichnet sich nach mehreren Rekordjahren eine Verlangsamung ab. Im zweiten Quartal belief sich das Emissionsvolumen den Daten der Association for Financial Markets in Europe (AFME) zufolge auf 31,8 (i.V. 30,5) Mrd. Euro. Michael Moravec, Head of Leveraged Finance EMEA bei Barclays, führt dies darauf zurück, dass sich einige Trends, die zum rasanten Wachstum dieses Markts nach der Finanzkrise geführt haben, inzwischen umgekehrt haben. Hatten Unternehmen damals wegen der Risikoaversion der Banken keine andere Wahl, als Ramschanleihen zu begeben, habe sich die Kapitalausstattung der Institute mittlerweile verbessert. Manche weiteten die Bilanzen wieder aus. “Europäische Champions” würden unterstützt. “Ziemlich aggressiv”Die Banken seien “ziemlich aggressiv” und “ziemlich liquide”, insbesondere in Ländern wie Spanien oder Italien, sagte Luke Gilliam, Co-Head of EMEA Leverage Capital Markets bei Goldman Sachs. Dabei würde man eigentlich damit rechnen, dass sie ihre risikogewichteten Assets weiter reduzieren, fügte er hinzu. Für den Rest des Jahres erwarteten die Junk-Bond-Experten der Großbanken keine neuen Rekorde mehr. Es kämen zwar noch Emissionen, die Anleger hätten auch noch Cash, aber manche wollten mit Blick auf die herannahenden US-Wahlen die seit Jahresauftakt aufgelaufenen Gewinne sichern, sagte Tanneguy de Carné, Global Head of High Yield Capital Markets bei Société Générale. Allerdings sei ein möglicher Sieg Trumps nicht mehr das große Thema, das er einmal gewesen sei. “Das Ergebnis scheint absehbar. Die Leute machen sich weit mehr Sorgen über den Ausgang des Referendums in Italien.” Chris Munro, Co-Head of EMEA Leveraged Finance und Head of EMEA Loans bei BoA Merrill Lynch, geht davon aus, dass alle Emissionen vor den US-Wahltermin gelegt worden sind. Danach werde nicht mehr viel passieren. “Es wird nicht wahllos gekauft oder mehr Risiko in Kauf genommen”, sagte Munro. “Die Anleger haben sich ziemlich diszipliniert verhalten. Sie sind nicht bereit, jeden Preis für Rendite zu zahlen.” Die typischen Anzeichen für eine Überhitzung fehlten also bislang.