FINTECH-STANDORT FRANKFURT - IM INTERVIEW: CHRISTOPHER SCHMITZ, EY

"Wir wollen kein zweites Berlin werden"

Finanzplatz Frankfurt will rund um das geplante Fintech-Zentrum ein Ökosystem mit internationaler Strahlkraft schaffen

"Wir wollen kein zweites Berlin werden"

Die deutsche Fintech-Industrie entwickelt sich rasant. Frankfurt will seine Vorzüge als Bankenmetropole als Anreiz für die Ansiedelung der Firmen zur Geltung bringen. Im Rahmen der Standortentwicklung hat die Finanzplatzinitiative “Frankfurt Main Finance” bereits Basisarbeit geleistet, um rund um das geplante Fintech-Zentrum ein Ökosystem für Gründer auf die Beine zu stellen. Gute Chancen sieht auch Christopher Schmitz, Partner der Beratungsgesellschaft EY.- Herr Schmitz, in der Studie zur deutschen Fintech-Landschaft bescheinigen Sie Frankfurt das Potenzial, sich zur führenden deutschen Drehscheibe zu entwickeln. Was ist zu tun, wie kann der Finanzplatz seine Stärken ausspielen?Wir haben von den 30 befragten Fintechs viel Feedback erhalten, was Frankfurts Stärken ausmacht. Und die sind in der lokalen Infrastruktur, den hier ansässigen Banken sowie der EZB und BaFin als Regulatoren zu finden. Außerdem haben wir mittlerweile eine recht etablierte Private-Equity-Szene, die aber auf der Venture-Capital-Seite mit Anschlussfinanzierungen noch ausbaufähig ist. Infrastrukturell haben wir auch auf der IT-Seite ein hervorragendes Umfeld mit der Nähe zum deutschen Internetknoten. Hinzu kommt ein erstklassiges universitäres Umfeld, was eine wichtige Voraussetzung für eine Gründerszene ist. Der aktuelle Ansatz der Landesregierung umfasst mit Rhein-Main-Neckar eine große Region. Wenn man diese Punkte zusammenzählt, sind das Standortfaktoren, die für Frankfurt als zentralen Fintech-Standort sprechen.- Was sind denn die Stellschrauben, um das gewünschte Ökosystem in der Rhein-Main-Neckar-Region zu schaffen?Es gibt verschiedene Aktivitäten wie zum Beispiel das Dialogforum Fintech. Wir sind da seit mehr als einem halben Jahr über Frankfurt Main Finance organisiert, aber mit breiter Aufstellung in der Industrie. Rund 50 Unternehmen aus der Region beteiligen sich an der Standortentwicklung im Rahmen des Dialogforums. Dort folgen wir einer klaren Agenda, haben wir in der Studie doch eine Reihe von Handlungsfeldern aufgezeigt, die nun schrittweise abgearbeitet werden. Der Lenkungskreis ist weitgehend auf Vorstandsebene angesiedelt mit Vertretern von Häusern wie der Deutschen Börse, der Deutschen Bank, der DZ Bank, der Helaba – da ist schon Power dahinter.- Und eine der wesentlichen Aufgaben des Dialogforums ist der Aufbau eines Fintech-Zentrums?Wir arbeiten im Dialogforum in elf Arbeitsgruppen an der Umsetzung der Konzeptmerkmale, die zusammenführen, was ein Ökosystem ausmachen kann. Da ist das Zentrum selbst mit einem ordentlichen Betriebskonzept, dann staatliche Förderinfrastruktur, Marketing mit internationaler Strahlkraft, Kooperation mit der Regulierung, das Thema Finanzierung, Akzeleratoren und Inkubatoren – bislang der zentrale Schwachpunkt im heutigen Frankfurter Ökosystem – sowie ein Paket von Services für die Ansiedelung, was vor allem Mentorship sowie Integration in bestehende Projekte bedeutet. Hinzu kommen Vernetzung mit Wissenschaft sowie internationale Partnerschaften. Denn es geht darum, echte Global Player aufzubauen. Wir sind zuversichtlich, schon in Kürze ein arbeitsfähiges Fintech-Zentrum in Frankfurt zu haben, was dann auch als Kristallisationspunkt für ein Ökosystem dienen kann.- Das wäre dann also ein Fintech-Zentrum als Knotenpunkt, damit lokal ansässige Fintechs international angebunden sind?Frankfurt Main Finance ist im Rahmen des Dialogforums da auch schon sehr aktiv gewesen und hat in den vergangenen Monaten einige Partnerschaften vereinbart. Insbesondere mit Korea gibt es bereits einen sehr intensiven Austausch. Auch in Hongkong gibt es großes Interesse, mit Israel eine Vielzahl von Ansatzpunkten. Da geht es unter anderem darum, dass von dort Inkubatoren und Akzeleratoren nach Frankfurt kommen.- Welche Fintech-Aktivitäten passen denn am besten nach Frankfurt? Der Standort ist doch prädestiniert für Dienstleistungen von Unternehmen an Unternehmen (Business to Business, B2B)?Mit dieser Frage haben wir uns im Rahmen der Studie lange beschäftigt. Da in Frankfurt viele Dienstleistungen aus Operations und Settlement stattfinden, neigt man dazu, den B2B-Faktor eher hier als in Berlin anzusiedeln. Aus Sicht des Dialogforums haben wir uns deshalb entschlossen, die Botschaft auszusenden, dass B2B besonders gefördert wird. Was aber nicht heißt, dass die B2C-Förderung (Business to Consumer, Anm. d. Red.) am Main vernachlässigt wird – es gibt ja bereits einige hier. Wir möchten an der Stelle mit der Gewichtung nicht ein zweites Berlin werden und eben auch eine andere Klientel ansprechen. Und einer der wichtigen Standortfaktoren ist das Know-how vor Ort. Mit Blick auf die Transformation der Banken sehen wir Potenzial, dass Mitarbeiter aus den Instituten möglicherweise aus der zweiten und dritten Führungsebene heraus eine zweite Karriere anstreben. Und die wissen genau, wo in den Banken bei Abwicklungsprozessen noch Verbesserungsbedarf besteht und können gemeinsam mit Gründern aus dem sich entwickelnden Ökosystem und aus den Universitäten Fintechs aufbauen, die sich besonders dem B2B-Aspekt widmen. Es haben ja schon einige Banker die Seite gewechselt.- Wie lassen sich die regional verteilten Aktivitäten in Berlin, München und Frankfurt am besten steuern? Ist die Fragmentierung ein Hindernis?Es ist nun mal eine fragmentierte Landschaft in der deutschen Finanzindustrie. Diese Verteilung muss nicht schadhaft sein. Unser Eindruck ist, dass man sich in der Gründerszene sehr schnell austauscht und die Fintechs über den Standort hinaus agieren – die sind da, wo jetzt was los ist, auch über Deutschlands Grenzen hinaus. Und indem wir das Ökosystem mit allen Aspekten fördern, stärken wir Frankfurts Attraktivität gegenüber der Benchmark London, die von Anfang an stark von der Finanzindustrie und der öffentlichen Hand gefördert wurde. Da besteht für uns Nachholbedarf – und dass Landes- und Bundespolitik in den vergangenen Wochen sehr viel aktiver geworden sind, haben wir mit viel Wohlwollen registriert. Außerdem engagieren sich die großen Player wie eine Deutsche Bank und eine Deutsche Börse jetzt doch sehr stark und haben signalisiert, sich beim Fintech-Zentrum aktiv einzubringen.- Die Deutsche Börse ist schon vorgeprescht mit einem eigenen Fintech-Zentrum.Es ist super, dass die Deutsche Börse da einen Anfang gemacht hat und ein komplementäres Fintech-Zentrum aufbaut. 60 % des Raumes sind schon fest unter Vertrag. Darüber hinaus hat die Deutsche Börse zugesagt, auch beim unternehmensunabhängigen Fintech-Zentrum mitzumachen. Denn einer der Schlüsselbefunde der Studie ist, dass es nicht nur institutsspezifische Inkubatoren geben sollte, sondern auch unabhängige Strukturen in einem Fintech-Zentrum, über das hinsichtlich Standort und Betreiberkonzept von Stadt und Land zeitnah die Weichen gestellt werden dürften.—-Das Interview führte Björn Godenrath.