Maple Bank

„Wir wussten alle, was wir taten“

Im Frankfurter Strafprozess um die Cum-ex-Geschäfte der Maple Bank widerspricht der angeklagte Chefhändler der Behauptung, die Beteiligten hätten die wahre Natur der Geschäfte nicht durchdrungen.

„Wir wussten alle, was wir taten“

Von Anna Sleegers, Frankfurt

Unterschiedlicher könnte die Retrospektive kaum ausfallen. Nachdem zum Auftakt des Frankfurter Cum-ex-Strafprozesses der frühere Vorstandschef Wolfgang Schuck angekündigt hatte, Verantwortung für die Geschäfte der insolventen Maple Bank zu übernehmen, sind am Montag die mitangeklagten Manager zu Wort gekommen. Auch sie müssen sich wegen der zwischen 2006 und 2015 von der Maple Bank getätigten Cum-ex-Geschäfte vor der 24. Großen Kammer des Landgerichts wegen Steuerhinterziehung verantworten (Az.: 5/24 KLs 17/19).

Kaviar und Froschschenkel

Der US-Amerikaner Paul H., als Mitglied der Geschäftsführung für die Handelsaktivitäten der Maple Bank verantwortlich, geißelte in dem von seinem Verteidiger Björn Krug vorgetragenen Eingangsstatement die fehlende Logik des deutschen Steuersystems: „Es belegt Lebensmittel mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7%, Luxuslebensmittel wie etwa Kaviar mit 19%, um dann wiederum für andere Luxuslebensmittel wie Froschschenkel oder Gänsestopfleber nur den ermäßigten Satz zu verlangen.“ Nur weil sich nach 2009 aufgrund von strafrechtlich nicht relevanten moralischen Erwägungen und unter enormem öffentlichen Druck die Sicht auf Cum-ex-Geschäfte verändert habe, könne sich die Anklage daher rückwirkend kaum auf eine steuerrechtliche Logik berufen, skizzierte er seine Verteidigungslinie.

Auch Hagen W., der ebenfalls als früheres Mitglied der Geschäftsführung auf der Anklagebank sitzt, sieht sich offenbar als Opfer eines veränderten Zeitgeists. Er sei „geschockt über die Vorwürfe“ der Staatsanwaltschaft. Zwar sei es korrekt, dass die Bank im „Cum-ex-Markt“ aktiv gewesen sei. Ins Leere laufe jedoch der Vorwurf, dass sie damit strafrechtlich relevant gehandelt hätten. Bei der Initiierung der Handelsgeschäfte habe es keinerlei Überlegungen zur Erstellung gefälschter Dokumente und keine Täuschungsabsicht gegeben.

Schon aus technischen Gründen sei die von den Ermittlern behauptete Absprache der Leerverkäufe rund um den Dividendenstichtag gar nicht möglich, da der Algorithmus der Eurex bei Leerverkäufen für eine Anonymisierung des Belieferungspools sorge. „Das in der Anklageschrift als Trick dargestellte Netting ist ein börsenrechtlich notwendiger Prozess“, unterstreicht W. Er verfüge über keine steuerrechtlichen Spezialkenntnisse und sei – auch aufgrund der Gutachten der renommierten Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer – davon ausgegangen, an legalen Geschäften mitzuwirken.

Diese Sichtweise lässt der Mitangeklagte Andreas H. nicht gelten. „Wir wussten alle, was wir taten“, so der einst mit Prokura der Maple Bank ausgestattete Wertpapierhändler, der, wie er mehrfach betont, nicht der Geschäftsführung angehörte. „Wir waren eine hoch spezialisierte Truppe“, so der gebürtige Hamburger, der als Trader der US-Investmentbank Salomon Ende der 80er Jahre an der Wall Street tätig war. Er kooperiert nach eigenen Angaben seit 2017 eng mit der Staatsanwaltschaft und erhofft sich davon ein milderes Urteil.

Den Beteiligten sei klar gewesen, dass es sich um abgesprochene Kreisgeschäfte handelte, die auf Leerverkäufen basieren, und dass die daraus resultierende Rendite von 21,5% aus Steuergeldern stammte. In den vergangenen Monaten habe er sich immer wieder gefragt, wie es so weit kommen konnte, dass er mitmachte, obwohl er die Geschäfts aus heutiger Sicht problematisch findet. „Aus damaliger Sicht war es ein Line Call“, sagte er in Anspielung aufs Tennis, wenn der Ball die Auslinie nur knapp touchiert. Der nächste Verhandlungstermin findet am 10. Juni statt.