„Wirecard-Transaktionen stellte ich nicht fest“
Von Stefan Kroneck, München
Im Strafprozess um den Bilanzbetrug bei Wirecard haben bisher vom Landgericht München I befragte Zeugen die Behauptung des Hauptangeklagten Markus Braun widerlegt, dass es das dubiose Drittpartnergeschäft (TPA) gegeben habe. Für die weitere Beweisaufnahme vernahm der Vorsitzende Richter Markus Födisch den Briten Jason Redford, der nach seiner Ladung dafür extra angereist war.
Der leitende Mitarbeiter im Kundenanalysebereich des Kreditkartenanbieters Visa sagte aus, dass er im Rahmen einer Überprüfung einiger Transaktionen über Wirecard nicht bestätigen konnte, dass diese jemals existierten. „Ich stellte die angegebenen Zahlungsvorgänge bei Visa nicht fest“, sagte der 50-jährige Zeuge in Gegenwart seines Rechtsbeistands und einer Dolmetscherin. Redford bezog sich mit seiner Aussage nach eigener Darstellung auf eine Anfrage des Zahlungsabwicklers aus Aschheim bei München im Jahr 2020, ob er die vom Unternehmen vorgetragenen Transaktionen in Asien so bestätigen könne. Dem Zeugen zufolge lagen diese Vorgänge seinerzeit bereits mehr als sechs Monate zurück. Es habe damals einen intensiven Austausch über E-Mails mit Wirecard gegeben, berichtete Redford. Dabei ging es um sogenannte Chargeback Codes, die er von Wirecard eingefordert habe, um die Untersuchung vorzunehmen. Erst nach vielen Monaten, laut Redford im Juli 2020, sei die Prüfung möglich gewesen, nachdem Wirecard die Codes endlich geliefert habe.
Zur Erinnerung: Zu diesem Zeitpunkt hatte das einstige Dax-Mitglied schon längst Insolvenz angemeldet, nachdem zuvor ein Bilanzloch von 1,9 Mrd. Euro festgestellt worden war und der Konzernabschlussprüfer EY daraufhin das Testat für 2019 verweigert hatte. Nach den aufgeflogenen mutmaßlichen Bilanzfälschungen und Manipulationen brach Wirecard Mitte 2020 unter der Last hoher Finanzschulden von insgesamt 3,1 Mrd. Euro zusammen.
Monate zuvor hatte der damalige Aufsichtsratschef Thomas Eichelmann den Wirtschaftsprüfer KPMG mit einer Sonderuntersuchung beauftragt. Anlass waren konkrete Vorwürfe der „Financial Times“.
Redfords Aussagen vor Gericht decken sich mit den Angaben der früheren Compliance-Konzernangestellten Christine Ahlfeld, die in ihrer Befragung angab, bei hausinternen Nachprüfungen zu dem gleichen Resultat gekommen zu sein. Eine Verteidigerin des mitangeklagten Kronzeugen Oliver Bellenhaus interpretierte vor Gericht die Angaben beider Zeugen als Bestätigung für die Aussagen ihres Mandanten. Der frühere Wirecard-Statthalter am Standort Dubai gestand zuvor vollumfänglich, Transaktionen im TPA-Geschäft gefälscht zu haben.
Diese Deutung der Anwältin teilen Brauns Rechtsbeistände nicht. Nico Werning bezweifelte die Beweiskraft der Angaben von Christine Ahlfeld und beantragte vor Gericht, Unterlagen beim Insolvenzverwalter Michael Jaffé einzufordern. Jaffé bestätigte in Gutachten, dass es das Drittpartnergeschäft nie gegeben habe. Ex-Chef Braun indes bestreitet die Tatvorwürfe der Staatsanwaltschaft und hält an seiner Version fest, dass TPA-Geschäfte real gewesen seien. Die Ermittler werfen den Angeklagten unter anderem gewerbsmäßigen Bandenbetrug vor.