DAS BERATUNGSPROTOKOLL IN DER KRITIK

Zankapfel Anlageberatung

Banken kämpfen gegen die Protokollpflicht - Berlin tendiert zu noch mehr Verbraucherschutz

Zankapfel Anlageberatung

Die Finanzbranche kämpft unermüdlich dafür, dass das Beratungsprotokoll überarbeitet wird. Die Debatten mit der Politik ziehen sich, die Aussichten auf einen Erfolg sind gering.Von Silke Stoltenberg, FrankfurtSelten herrschte zwischen Verbraucherschützern und Bankenvertretern eine so einhellige Meinung wie zum Beratungsprotokoll: “Ganz großer Mist”, so könnte man die Kommentare seit der Einführung im Jahr 2010 zusammenfassen. Allein die Begründung fällt natürlich diametral auseinander. Während den Verbraucherschützern das Dokument beziehungsweise dessen Anwendung bei den Geldhäusern nicht weit genug geht, sehen die Kreditinstitute ihr Wertpapiergeschäft durch das Protokoll und andere neue Auflagen rund um die Anlageberatung abgewürgt.Auch die Politik ist unglücklich mit dem bürokratischen Monstrum, die große Koalition hat eine Überprüfung und Weiterentwicklung angekündigt. Aber ob es am Ende des Tages aus Sicht der Banken tatsächlich zu Erleichterungen kommt, steht in den Sternen. Nicht ausgeschlossen ist, dass die im Koalitionsvertrag angekündigte Überprüfung des Beratungsprotokolls “im Hinblick auf die praktikable Handhabung” durchaus die Lage noch schlimmer machen könnte für die Branche. Denn es ist von “Verbesserungen für Anleger” die Rede.Seit Unterzeichnung des Koalitionsvertrags zwischen den Unionsparteien und der SPD ging zudem der Windkraftanlagenbetreiber Prokon pleite, das Geld von zahlreichen Anlegern in Prokon-Genussscheinen ist weitestgehend futsch, und die deutsche Politik preschte durch den Entwurf eines Kleinanlegerschutzgesetzes mit einer vorzeitigen und übers Ziel hinausschießenden Umsetzung der EU-Märkterichtlinie Mifid II vor. Das spricht nicht gerade dafür, dass sich die Waagschale zugunsten der Banken neigt. Immer mehr beratungsfreiDie Branche warnt indes schon lange, dass sich wegen der verschärften Regulierung immer mehr Institute aus der Anlageberatung zurückziehen, insbesondere in der Fläche. Bei einer Umfrage des Deutschen Aktieninstituts (DAI) sagten kürzlich mehr als ein Fünftel der teilnehmenden Häuser, dass dies bei ihnen der Fall ist, und gaben in 89 % der Fälle an, dass das Beratungsprotokoll dabei einer der Gründe war. Mehrere Umfragen in den vergangenen Jahren zeigten, dass Anleger mit der Flut an Informationen, die durch Protokoll, Produktinformationsblätter und Ähnliches im Rahmen einer Wertpapierberatung über sie hereinbricht, überfordert sind. Viele flüchten sich daher in beratungsfreie Geschäfte (siehe Grafik), wovon Online- und Direktbanken profitieren. Gerade aber ohne Beratung steigt die Gefahr, auf die Nase zu fallen. Zugleich kommt es auf Seiten der Banken immer wieder zu Verstößen gegen die Protokollpflicht, wie eine zur Jahresmitte veröffentlichte Studie des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz ergab.Eine klare Ablehnungsfront gegen eine Verwässerung der Protokollpflicht, etwa durch eine Verzichtsmöglichkeit auf Kundenwunsch, gibt es auf Seiten der Aufsicht. Die Dokumentation zusammen mit dem Beraterregister stuft die BaFin als wertvolle Instrumente zur Überwachung und damit zur Verbesserung der Anlageberatung ein, wie Günter Birnbaum, Abteilungsleiter Wertpapieraufsicht und Asset Management, der Börsen-Zeitung sagte (vgl. BZ vom 12. April). Auch in der aktuellen September-Ausgabe des “BaFin-Journals” wird betont, das Protokoll sei zur “unverzichtbaren Informationsquelle” für die Aufsicht geworden und habe Beratung und Anlageempfehlungen “bei vielen Instituten deutlich aussagekräftiger und individueller” gemacht.