Zehn Multi-Asset-Mythen auf dem Prüfstand
Der erste Mythos, Multi-Asset-Lösungen sind nichts anderes als biedere Mischfonds, nur schicker verpackt, stimmt zum Teil. Genau wie unter den vermeintlich aktiven Fondsmanagern viele am Vergleichsindex kleben, erinnern zahlreiche unter dem Label “Multi Asset” verkaufte Produkte tatsächlich eher an die guten alten Mischfonds. Ungefähr ein Drittel hält erfahrungsgemäß nahezu feste Quoten von Aktien und Anleihen, eng angelehnt an statische Benchmarks. Für etwa genauso hoch halten wir den Anteil, bei denen die strategische Asset-Allokation außergewöhnlich aktiv gesteuert wird. Das Ergebnis sind extreme Positionierungen, die dazu dienen sollen, auch einmal ganz oben in den Performancelisten aufzutauchen und die Nettomittelzuflüsse anzukurbeln. Lediglich das verbleibende Drittel ist unserer Einschätzung nach in der Lage, maximale Renditen aus vorgegebenen Risikobudgets zu erwirtschaften.Um nicht falsch verstanden zu werden: Auch mit den beiden – unserer Ansicht nach – unechten Multi-Asset-Ansätzen lassen sich vorzeigbare Ergebnisse einfahren. Was davon auf den berühmten “lucky punch” und was auf reproduzierbare Prozesse und Know-how zurückgeht, wird man jedoch erst beurteilen können, wenn die Produkte längere Historien haben. Wir gehen davon aus, dass es spätestens 2020 zum Schwur kommen wird und wir sehen können, wer ohne Badehose im Wasser war.Mythos 2: Investoren sollen mit Multi-Asset-Lösungen Risiken breit streuen – aber genau diese Diversifikation funktioniert doch gar nicht mehr.Falsch. Der Gleichlauf einzelner Anlagekategorien ist zuletzt zwar gestiegen, noch dazu sind die Wechselwirkungen beispielsweise zwischen Anleihen und Aktien weniger stabil als noch vor einigen Jahren. Dessen ungeachtet gilt aber nach wie vor: Das Risiko des Ganzen ist kleiner als das Risiko seiner Teile. Kombiniert man 15 Assetklassen und Währungen in einem globalen Multi-Asset-Portfolio mit mittlerem Risiko (ungefähr 8 % Volatilität), dann sinkt die Summe der Einzelrisiken um rund 30 %. Um negative Korrelationen zu finden, muss man sich zudem noch nicht einmal in exotische Gefilde wagen. So hat seit Jahresbeginn der Euro Stoxx 50 Index 6,4 % verloren, der Index für europäische Unternehmensanleihen der Kategorie “Investment Grade” hingegen 2,1 % zugelegt.Mythos 3: Die ganze Kunst im Multi-Asset-Management besteht darin, zur rechten Zeit in den Anlageklassen mit der besten Performance zu sein.Theoretisch ja. Performance wird an wenigen Tagen gemacht, wie sich leicht belegen lässt. So hat der Dax in den vergangenen 20 Jahren um durchschnittlich 7 % zugelegt. Lässt man die fünf beziehungsweise 15 schwärzesten Handelstage außen vor, steigt die Wertentwicklung – wie zum Beispiel im Zeitraum 1995 bis Ende 2015 – schon auf jährlich 9 % respektive 12 %. Umgekehrt sinkt die Performance signifikant, wenn man die fünf beziehungsweise 15 besten Handelstage verpasst hat. Dann stehen nur noch Zugewinne von 4,5 % respektive 1,5 % zu Buche.Doch genau wie kein Zehnkämpfer in allen Disziplinen Spitze ist, gibt es keinen Portfoliomanager, der nachhaltig und über unterschiedliche Assetklassen hinweg den exakt richtigen Ein- beziehungsweise Ausstiegszeitpunkt treffen wird. Statt zu versuchen, täglich den Markt “zu timen”, verspricht es weit mehr Erfolg, breit über Assetklassen hinweg nach längerfristigen Mustern zu suchen. So weisen Small und Mid Caps in drei von vier Konjunkturphasen ein besseres Risikoprofil auf als Large Caps. Daneben eröffnet das Aufspüren von Fehlbewertungen Anlagemöglichkeiten. Beispielsweise ist der Risikoaufschlag für US-Hochzinsanleihen im Februar dieses Jahres auf über 800 Basispunkte gestiegen. Dieses Niveau ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn man von einer Rezession ausgeht.Mythos 4: Die strategische Vermögensaufteilung bestimmt bei Multi-Asset-Lösungen sowieso den Löwenanteil der Performance – die taktische Aufteilung oder die Einzeltitelauswahl ist dagegen eher brotlose Mühe.Grundsätzlich einverstanden. Allerdings braucht ein Investor mittlerweile stolze 350 Jahre, um sein Vermögen mit zehnjährigen Bundesanleihen zu verdoppeln. Eine höhere Aktienquote im Portfolio können oder wollen viele Anleger jedoch nicht eingehen. In diesem Umfeld zählt jeder zusätzliche Basispunkt Rendite. Und gute Multi-Asset-Manager erzielen durch eine flexible taktische Asset-Allokation und die Selektion einzelner Instrumente zwischen 75 und 150 Basispunkten pro Jahr.Mythos 5: Multi-Asset-Lösungen sind nichts für institutionelle Investoren. Die machen ihre Asset-Allokation am sinnvollsten selbst.Gemach! Wer sich in der Vergangenheit nicht ganz ungeschickt angestellt hat, konnte zwar allein durch strategische Asset-Allokation die notwendige Rendite erzielen – ohne taktische Asset-Allokation oder eine für das Portfolio speziell konstruierte Risikoabsicherung (Risiko-Overlay). Ein ganz “naiv” zu 60 % in Anleihen und zu 40 % in Aktien investierter US-Anleger beispielsweise hat damit in den vergangenen 15 Jahren 4,2 % pro Jahr eingefahren. Indes, die Geldpolitik der Notenbanken hat die Welt verändert. Benötigt ein institutioneller Investor in diesem Umfeld beispielsweise ein Total-Return-Produkt, das ein Renditeziel von jährlich 3 % hat und gleichzeitig nicht mehr als 5 % pro anno verlieren darf, erfordert dies nicht nur den Einsatz einer sehr flexiblen Asset- und Risiko-Allokation und von Derivaten, sondern auch das Beherrschen von Anlageklassen wie US-Hochzinsanleihen oder Themen wie Volatilität. Über die dafür notwendige Infrastruktur und das Risiko-Overlay verfügen nicht allzu viele große institutionelle Investoren.Mythos 6: Verluste, die man erst gar nicht macht, muss man auch nicht aufholen. Daher ist das Risiko-Overlay eine Outperformance-Strategie.Falsch. Denn das Risiko-Overlay ist so etwas wie eine Versicherung – und die kostet in der Regel Geld. Sollten Investoren deshalb darauf verzichten? Natürlich nicht. Aber es kommt darauf an, die Risikobudgets richtig zu dimensionieren. Sie sollten nicht so knapp gehalten werden, dass sie die Komfortzone eines Investors absichern, sondern vor wirklich schmerzhaften Verlusten schützen. Sichert man schon die Komfortzone ab, wird das Risiko-Overlay zur Underperformance-Strategie. Denn man steigt bei fallenden Märkten zwar aus, ist bei wieder steigenden Märkten jedoch viel zu spät mit von der Partie. Das kann dann schnell 100 bis 200 Basispunkte pro Jahr kosten. Bei Portfolien, deren Renditeerwartung vielfach bei nicht mehr als 3 % oder 4 % pro Jahr liegt, ist das ein veritabler Schlag ins Kontor.Mythos 7: Um attraktive Produkte anbieten zu können, müssen Multi-Asset-Manager mittlerweile in Anlageklassen investieren, die sie gar nicht verstehen.Stimmt nicht. Selbst im aktuellen Marktumfeld reicht es aus, ein Portfolio zu 85 % mit traditionellen Anlageklassen zu bestücken, um die Ziele für Rendite und Diversifikation zu erreichen. Lediglich der Rest muss über Assets wie Immobilien, Infrastruktur (Schuld- und Beteiligungspapiere) oder vorrangig besicherte Kredite erwirtschaftet werden. Diese Disziplinen sollte ein ernstzunehmender Multi-Asset-Manager entweder beherrschen oder sorgfältig ausgewählt einkaufen können.Mythos 8: Multi-Asset-Lösungen gehören zu den wenigen Produkten, mit denen die Fondsindustrie noch Geld verdient. Die Gebühren sind daher exorbitant hoch und werden noch weiter steigen.Das lässt sich noch nicht sagen. Denn teuer sind Multi-Asset-Lösungen nur, wenn die Performance nach Kosten nicht stimmt. Diese Aussage kann man aber erst treffen, wenn sich die Produkte über einen vollständigen Kapitalmarktzyklus bewähren mussten. Wir glauben auch nicht, dass die Gebühren weiter anziehen werden. Denn derzeit wird eine Reihe von Multi-Asset-Lösungen auf Basis passiver Instrumente entwickelt. Und wie die Exchange Traded Funds (ETF) für die aktiven Single-Fonds werden sich diese Produkte zu einer Benchmark für die Performance aktiver Multi-Asset-Fonds entwickeln. Am Markt kann dann nur bestehen, wer nach Kosten einen deutlichen Mehrwert gegenüber diesen Produkten abliefert.Mythos 9: Laut Standard & Poor’s sind vier von fünf in Europa angebotenen aktiv verwalteten Aktienfonds in den vergangenen fünf Jahren hinter dem Vergleichsindex zurückgeblieben. Nur diese Schwäche und nicht eigene Stärke begründet den Erfolg der Multi-Asset-Fonds.Stimmt nicht. Der Erfolg der Multi-Asset-Fonds basiert auf ihrer Stärke, den Ertrag im Rahmen eines vorgegebenen Risikoprofils zu maximieren. Der Schlüssel dazu ist ein sich asymmetrisch verhaltendes Portfolio, das bei steigenden Kursen das Gros der Aufwärtsbewegung nachvollzieht, bei nachgebenden Notierungen aber nur einen Teil der Verluste mitnimmt. Solch ein Risikoprofil bekäme man selbst durch die statische Kombination der besten aktiven Einzelfonds nicht hin. So haben etwa Rohstoffe 2015 im Schnitt 24,7 % verloren. Das Hoch lag im Verlauf dabei bei einem Plus von 1,1 %, das Tief bei einem Minus von 26,5 %. Der MSCI World Index stieg im Hoch um 7,2 %, das Tief lag bei 7,5 % und die Wertentwicklung im Gesamtjahr schließlich bei minus 0,9 %. Gute Multi-Asset-Produkte ersparen den Anlegern die Täler dieser Achterbahnfahrten: So absolvierte ein Multi-Asset-Mandat aus unserem Haus das vergangene Jahr mit einem Plus von 3,1 %. Dabei lag das Hoch bei plus 9,7 %, das Tief aber nur bei minus 1,8 %.Mythos 10: Multi-Asset-Fonds sind die billigeren Hedgefonds.Stimmt – zumindest über die vergangenen fünf Jahre. Breit diversifizierte Indizes wie der HFRI oder der Credit Suisse/Tremont repräsentieren die durchschnittliche Wertentwicklung von Hedgefonds. Vergleicht man sie mit einer einfachen Mischfondsstrategie, die statisch zu 55 % in Anleihen und zu 45 % in Aktien investiert ist, erhält man über lange Zeiträume eine Korrelation von 85 %. Die Performance eines durchschnittlichen Hedgefonds resultiert demnach zu einem großen Teil aus der Gesamtmarktbewegung der im Portfolio vertretenen Assetklassen. Das Resultat: Multi-Asset-Produkte haben in den vergangenen fünf Jahren die breit diversifizierten Hedgefonds-Indizes Jahr für Jahr übertroffen – gemessen an der absoluten wie auch an der risikoadjustierten Wertentwicklung. Natürlich gibt es auch Hedgefonds-Strategien, die ihren Preis wert sind. Aber sehr gute Multi-Asset-Fonds sind vielfach die kostengünstigere und transparentere Alternative.—Christian Hille, Head of Multi Asset EMEA der Deutschen Asset Management