LEITARTIKEL

Zu groß zum Sterben

Die Reformierung des Bankensektors geht in ihre finale Phase. Mit Implementierung der vom globalen Finanzstabilitätsrat FSB Ende 2014 verabschiedeten Konzepte werden Regelwerke besser aufeinander abgestimmt, und mit den Beschlüssen für...

Zu groß zum Sterben

Die Reformierung des Bankensektors geht in ihre finale Phase. Mit Implementierung der vom globalen Finanzstabilitätsrat FSB Ende 2014 verabschiedeten Konzepte werden Regelwerke besser aufeinander abgestimmt, und mit den Beschlüssen für systemrelevante Institute wird die Großbaustelle der Bankenregulierung schlechthin angegangen. Die Stoßrichtung der Bemühungen auf dem internationalen Parkett: Endlich das Problem des Too-big-to-fail in den Griff kriegen, um die Risiken einer Bankenschieflage vom Steuerzahler fernzuhalten und den Großbanken ihren impliziten Refinanzierungsvorteil einer Staatshaftung zu entziehen. Mit der EU-Abwicklungsrichtlinie BRRD ist zum Jahresanfang auch eine erste Gesetzesgrundlage in Kraft getreten, die im Tandem mit dem einheitlichen Aufsichtsmechanismus SSM einen Eckpfeiler der europäischen Bankenunion darstellt.Einige der EU-Regulierungsinitiativen sind allerdings Stückwerk geblieben – das Regnum von Binnenmarktkommissar Michel Barnier produzierte eine Menge heiße Luft. Das bietet die Gelegenheit, Korrekturen an noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Initiativen wie der Trennbankenverordnung vorzunehmen. Dabei beweisen die Vorschläge des EU-Parlaments eine tiefe Kenntnis der Materie, indem man nicht mehr nur auf die Eindämmung der Risikonahme innerhalb eines Instituts dringt, sondern die Perspektive auf die Sicherstellung der Abwicklungsfähigkeit erweitert. Denn genau darum geht es: Regelwerke wie das Trennbankensystem werden gekoppelt an die Vorschriften zur Bereitstellung von verlustabsorptionsfähigem Kapital, wie sie in der Kennziffer TLAC definiert werden. Diese Puffer aus Eigen- und Nachrangkapital sind der Fixpunkt im Bail-in-System, um Großbanken abwickelbar zu machen.Konsequenterweise würde eine Begrenzung der Handelsaktivitäten der Institute nicht ausschließlich an den gesamten Aktiva-Pool gekoppelt, sondern die handelsbezogenen Risikopositionen als zweiter Schwellenwert auf die Hälfte an verfügbarem bail-in-fähigen Kapital beschränkt. Denn diese sofort abrufbaren Mittel bilden das Sicherheitsnetz, um Verluste abzufedern, bevor in der Haftungskaskade nach Abwicklungs- und Einlagensicherungsfonds der Steuerzahler beansprucht würde.Angesichts der notwendigerweise langen Übergangsfristen für den Kapitalaufbau bis 2019 bleibt das neue Bail-in-Regime aber noch lange unfertig – mehr als sechs Jahre nach der Finanzkrise kann man den Bankenaufsehern bei allen Fortschritten in der jüngsten Zeit also kein wirklich gutes Zeugnis ausstellen. Zudem bleiben Konstruktionsmängel. Denn noch sind die Banken untereinander so stark vernetzt, dass im Falle der Abwicklung eines systemrelevanten Hauses andere Banken bei den Regulatoren vorstellig würden, um die Drohkulisse des eigenen Kollapses aufzubauen und damit ihrerseits staatliche Rettungsgelder zu mobilisieren. Zudem werden Bankverbindlichkeiten meist von anderen Banken gehalten. Deshalb soll das eine Renaissance erfahrene neue Nachrangkapital primär von Pensionsfonds und Versicherern gezeichnet werden. Diese konservative Anlegerschaft soll als Bankengläubiger dann darauf hinwirken, dass die Institute sich einem niedrigeren Risikoprofil verschreiben.Das aber ist eine Rechnung, die schwerlich aufgehen kann. Denn die hohe Kupons kassierenden Kapitalsammelstellen sind kaum dazu berufen, als High-Yield-Investoren für die Mäßigung des Risikos zu plädieren – so funktioniert der Markt einfach nicht. Zudem lesen manche Bond-Investoren nicht einmal die Emissionsprospekte – das verheißt kein außerordentliches Engagement als Bankengläubiger. Außerdem muss in Frage gestellt werden, ob Pensionsgelder wirklich so gut geeignet sind als Verlustabsorptionsmasse, ginge mit einer Bankenpleite doch auch die Altersvorsorge vieler Bürger verloren, die sie wiederum aus bereits versteuertem Einkommen ansparen – durch die Hintertür würde also doch wieder der Steuerzahler angezapft.Abgesehen von der noch nicht hergestellten Effektivität des Bail-in-Mechanismus stellt das sich abzeichnende Regulierungsgefälle zwischen Europa und den USA das größte Manko dar beim Bewältigen von Too-big-to-fail. Denn die USA betreiben mit dem Auslandsbanken verordneten Zwang, Kapitalreserven in Holdings mit ausschließlich nationalem Zugriff vorzuhalten, ein Ringfencing, das jegliche grenzüberschreitende Initiative konterkariert. Wenn dieses Kapital nicht im Ernstfall für den Bail-in bei einer europäischen Bank sofort zur Verfügung steht, wackelt das ganze Konstrukt. Das FSB ist gefordert, hier für ein Level Playing Field zu sorgen.——–Von Björn GodenrathTrotz aller Bemühungen bleiben systemrelevante Banken vorerst zu groß, um aus dem Markt ausscheiden zu können. Noch mangelt es an Bail-in-Kapital.——-