GASTBEITRAG

Zukunftsszenarien für die Fondsbranche

Börsen-Zeitung, 5.6.2014 Seit der Finanzkrise hat die Asset-Management-Branche eine positive Entwicklung durchlaufen, die den Weg für tiefgreifende Veränderungen in den nächsten zehn Jahren ebnet. Den schwierigen Krisenjahren zum Trotz sind die...

Zukunftsszenarien für die Fondsbranche

Seit der Finanzkrise hat die Asset-Management-Branche eine positive Entwicklung durchlaufen, die den Weg für tiefgreifende Veränderungen in den nächsten zehn Jahren ebnet. Den schwierigen Krisenjahren zum Trotz sind die verwalteten Vermögen global signifikant gewachsen. So haben vor allem die Bereiche Solutions & Liability-Driven Investment (LDI) (+ 19,4 %), Alternatives (+ 12,9 %) und passive Exchange Traded Funds (+ 27,1 %) ihre Marktanteile von 2008 bis 2012 deutlich gesteigert. Dieses Wachstum bereitet den Weg in die Zukunft.Doch es gibt nicht nur positive Nachrichten. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Umbrüche werden das Asset Management radikal verändern und allen Akteuren abverlangen, sich anzupassen. Verstärkte Regulierung, das anhaltende Niedrigzinsumfeld, die Disintermediation der Banken, steigende Fixkosten, voranschreitende Digitalisierung sowie damit einhergehende Veränderungen des Kundenverhaltens und ihrer Bedürfnisse treiben diese Entwicklung voran. Wagen wir einen Blick darauf, wie diese Veränderungen die Asset-Management-Branche beeinflussen werden und wie diese schließlich in 2024 aussehen könnte. Digitale VertriebslandschaftDas aktuelle Vertriebsmodell im Asset Management ist stark auf persönliche Kommunikation ausgerichtet und digitale Service-Angebote unterstützen hier lediglich als Zusatznutzen. Doch die Digitalisierung prägt immer stärker alle Lebensbereiche und ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. So verändern sich auch die Kundenerwartungen an Bank- und Investmentangebote. Zukünftig wird es eine neue digitale Vertriebslandschaft geben, in der digitale Angebote den Kern des gesamten Angebotes darstellen. Die ansteigende Nutzung digitaler Infrastruktur wie Fondsplattformen wird es Asset Managern ermöglichen, Investmentprodukte über ein aufgewertetes digitales Kundenerlebnis direkt an Vertriebspartner wie auch Endkunden zu vertreiben.Der britische Markt ist auf diesem Gebiet Vorreiter. Der Anteil der onlinebasierten Fondsplattformen an den Vertriebskanälen lag hier bereits 2010 bei 39 %. Bis im Jahr 2012 stieg er auf 47 % und in den nächsten zehn Jahren wird ein Anstieg auf 65 % erwartet. Integrierte KanäleDas kontinentale Europa ist hier anders aufgestellt. In Deutschland hatten Fondsplattformen von 2005 bis 2007 nur einen Anteil von 3 % an den Vertriebskanälen, 2009 waren es 4 %, und in zehn Jahren wird er voraussichtlich bei 12 % liegen. In den meisten europäischen Märkten werden somit auch im Jahr 2024 noch stark integrierte Vertriebskanäle überwiegen. Fondsplattformen werden dagegen im institutionellen Geschäft eine große Bedeutung haben, weil Asset Manager Komplexität, häufig regulatorisch getrieben, über Fondsplattformen abgeben können.Zwei strukturelle Veränderungen beeinflussen die Rolle von Asset Managern: Zum einen die zunehmenden Auflagen für Banken in ihrer Rolle als Finanzmittler, zum anderen neue Vorschriften das bisher produktfokussierte Asset Management verändern. 2024 werden Asset Manager die Funktion von Banken in Kapitalmärkten ergänzen. Banken werden sich nicht das gleiche Level bilanzwirksamer Investments wie in der Vergangenheit leisten können. Neue Regulierungen, besonders hinsichtlich der Leverage Ratio, haben einen materiellen Effekt auf die Bilanzen der Banken. Assets, die für externe Investoren interessant sind, stellen eine Geschäftsmöglichkeit für Asset Manager dar, die hier eine entstehende Marktlücke füllen können. Außerdem werden Asset Manager vermehrt Lösungen anstatt nur Produkte entwickeln, insbesondere für Versicherungen und Pensionskassen. Sie werden ergebnisorientierte Lösungen anbieten und dabei ein größeres Verständnis für Kundenbedürfnisse entwickeln. KonsolidierungZwar hat eine Konsolidierung der größten internationalen Asset Manager bereits stattgefunden, in der Breite bleibt das Asset-Management-Geschäft aber weiterhin fragmentiert. Bei einer Vielzahl beliebter Fondsstrategien gibt es große Überschneidungen bei den Produkten, auch die Anzahl der Anbieter ist trotz der Krise hoch. In mehreren Ländern zeigt sich sogar eine steigende Tendenz. So stieg beispielsweise in Deutschland die Zahl der Asset Manager von 293 im Jahr 2011 auf 296 in 2012, in Frankreich von 599 auf 604 und in Großbritannien von 191 auf 194. Dies ist eine konträre Entwicklung zum Konsolidierungstrend, der die restliche Finanzdienstleistungsbranche in den letzten Jahren bestimmt hat. Zudem ist das Qualitätsniveau innerhalb der Branche sehr unterschiedlich, und es fehlen übergreifende Standards.Bis 2024 wird das Asset-Management-Geschäft eine starke Konsolidierung auf Produkt- und Marktebene erleben. Zugleich wird sich die Qualität verbessern. Seitens der Produkte werden die Nettozuflüsse in Flaggschiff-Produkte weiter zunehmen, während am anderen Ende “Me too”-Produkte verschwinden. Auch auf Marktebene stehen im nächsten Jahrzehnt bedeutende Konsolidierungen an. Kleinere Spieler werden hierbei von höheren Kosten für Regulierung und Einhaltung von Compliance-Richtlinien getrieben, größere Wettbewerber von der Aussicht auf Skalenvorteile ihrer Plattformen.Der prüfende Blick von Investoren und Regulatoren sowie wesentlich größere Transparenz werden dazu führen, dass sich das Asset Management vor allem hinsichtlich Prozessqualität, Plattformeffizienz sowie professioneller Qualifikation weiterentwickelt. Die Steigerung der Qualität in den Unternehmen über alle Elemente hinweg wird dabei der Schlüssel zum Erfolg sein.Die Konsolidierung im Asset Management ist eine übergreifende Entwicklung mit weitreichenden Folgen für die Branche. Das Verschwinden der kleinen Asset Manager kann eine ernstzunehmende Gefährdung der Innovationskraft bedeuten. Denn die innovativen Ansätze und Ideen, die die Branche voranbringen, kommen hauptsächlich von kleinen Unternehmen mit Start-up-Charakter, für die das Geschäftsumfeld mit seinen steigenden Fixkosten immer unwirtschaftlicher und unattraktiver wird. Woher in Zukunft die Innovation in der Branche kommen wird, ist heute noch unklar. Drei KernfragenVor dem Hintergrund dieser Zukunftsszenarien für das Jahr 2024 müssen sich Asset Manager Gedanken über ihre zukünftige Ausrichtung machen. Aus Sicht von Oliver Wyman gibt es dabei drei Kernaspekte. Zum einen stellt sich die Frage, welche Rolle Asset Manager bei der Banken-Disintermediation und bei der Bereitstellung von Kapital an den Sektor spielen können. Darüber hinaus müssen sie neue Ansätze für Solutions entwickeln und diese mit ihrem produktbasierten Angebot in Einklang bringen. Last but not least brauchen Asset Manager eine Digital-Strategie, bei der sie das richtige Verhältnis von digitalen und traditionellen Vertriebskanälen abwägen müssen. Anhand dieser Schlüsselfragen können Asset Manager sich auf die Veränderungen der Industrie einstellen und sich bewusst für die Zukunft rüsten.—-Stefan Jaecklin, Partner Oliver Wyman Zürich