Zweite Chance für Bonitätsanleihen
Das aus ihrer Sicht schlechteste Ergebnis hat die Finanzbranche im Ringen mit der Aufsicht BaFin vorerst verhindert: Das Vertriebsverbot von Bonitätsanleihen ist vorerst abgewendet. Doch die Selbstverpflichtung, auf die sich führende Verbände eingelassen haben, hat es in sich. Nun steht der Praxistest bevor.jsc Frankfurt – Nach einer monatelangen Hängepartie über die Zukunft von Bonitätsanleihen nehmen führende Emittenten das Geschäft voraussichtlich bald wieder auf: Nachdem die Finanzaufsicht BaFin am Freitag von einem Vertriebsverbot vorerst Abstand nahm, erklärte die DekaBank, nach Volumen die Nummer 2 in dem Segment, künftig wieder Bonitätsanleihen emittieren zu wollen. Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und die HypoVereinsbank (HVB), Nummer 1 und Nummer 3, prüfen derweil noch, ob sie wieder einsteigen. Banken hatten ihre Emissionstätigkeit im Sommer auf Eis gelegt, nachdem die BaFin Ende Juli per Entwurf einer Allgemeinverfügung ein Vertriebsverbot für Bonitätsanleihen angeregt hatte.Mit dem nun gefundenen Kompromiss mit der Branche – kein Verbot, aber eine weitreichende Selbstverpflichtung – kommt die deutsche Aufsicht ihrem Versprechen nach, bis Jahresende eine Entscheidung zu treffen. Ab Anfang Januar gelten für die Branche zehn Grundsätze, die das bisherige Geschäft zum Teil deutlich einschränken (siehe Kasten). Die Selbstverpflichtung, für die der Deutsche Derivate Verband (DDV) und die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) verantwortlich sind, ist zwar rechtlich nicht bindend. Da die BaFin aber weiterhin ein Vertriebsverbot als möglich einstuft, dürfte sie ein wirksames Druckmittel zur Hand haben. “Wir werden in den nächsten sechs Monaten sehr genau beobachten, ob die Selbstverpflichtung Privatanleger, die in bonitätsabhängige Schuldverschreibungen investieren, in ausreichendem Maße schützt”, erklärte BaFin-Exekutivdirektorin Elisabeth Roegele, die für den Verbraucherschutz zuständig ist. Wenn dies “nicht vollständig sicherzustellen” sei, werde die Aufsicht “erneut Produktinterventionen einleiten”, so die BaFin. Bonitätsanleihen sind Zertifikate, die sich auf das Kredit- oder Bonitätsrisiko eines Referenzschuldners beziehen, etwa eines Konzerns. Branche geht auf BaFin zuMit ihrem Vorstoß hatte die BaFin erstmals ihre Eingriffsrechte genutzt, die ihr das Kleinanlegerschutzgesetz seit Mitte 2015 einräumt. Im Juli hatte die BaFin die Produkte als sehr komplex eingestuft. Nun sollen die Produkte sich vorzugsweise nur noch auf einen Referenzschuldner beziehen. Bezieht sich ein Papier auf mehrere Schuldner, sind sogenannte Worst-off-Konstruktionen, die Zins- und Rückzahlung an die jeweils schlechteste Entwicklung der zugrunde liegenden Schuldner koppeln, fortan tabu. Auch soll für künftige Emissionen ein fester Zinssatz gelten und ein Referenzschuldner gewählt werden, der eine solide Bonität aufweist und als Emittent von Aktien oder Anleihen an organisierten Märkten aktiv ist.Der Befürchtung, eine emittierende Bank könne Risiken gezielt über Bonitätsanleihen auslagern und auf diese Weise den Anleger in die Rolle eines Versicherers drängen, tritt die Branche mit einer Erklärung zu Interessenkonflikten entgegen. Auch die Kritik der Aufsicht, dass der Begriff “Bonitätsanleihen” irreführend sei, weil es sich bei den Produkten um Zertifikate handele, ist ausgeräumt. “Bonitätsabhängige Schuldverschreibungen” lautet nun der Begriff, der von der Branche fortan verwendet wird. Zwar stellen einige der zehn Punkte nur moderate Einschränkungen dar, weil die meisten Vorgaben bereits heute von etlichen Instrumenten eingehalten werden. Die Maßgabe, dass nur Referenzschuldner mit einer Bewertung im Investment Grade oder einer vergleichbaren Bewertung verwendet werden dürfen, schließt aber viele Unternehmen aus, die bisher als Grundlage einiger Instrumente herangezogen wurden.Schmerzhaft dürften aber vor allem die Einschnitte für den Vertrieb sein. Die vorgesehene Mindeststückelung von 10 000 Euro macht die Produkte unhandlich und für Kleinsparer unbrauchbar. Auch die Vorgabe, dass besonders risikobewusste Sparer der Bereitschaftstufen 1 und 2 nicht mehr zu Bonitätsanleihen greifen dürfen, schränkt das Geschäft ein. Damit stehen Bonitätsanleihen, die als Zertifikat immer auch den Ausfall des Emittenten als theoretisches Risiko bergen, in der Regel nicht mehr auf einer Stufe mit Anleihen solider Emittenten. Unklar ist schließlich, wie hoch der zusätzliche Beratungsaufwand, den der zehnte Punkt vermittelnden Banken vorschreibt, in der Praxis ausfällt.Mit ihrem Einlenken geht die Branche aber einer juristischen Auseinandersetzung erst einmal aus dem Weg. Der Vertrieb von Bonitätsanleihen soll offenbar bald wieder ins Laufen kommen und die Bestände stabilisieren. Das Volumen ist seit dem Sommer bereits deutlich gesunken, nachdem die Banken Neuemissionen zunächst ausgesetzt haben. Kam die Branche per Ende Juni auf 6,34 Mrd. Euro, ist das Volumen auf 6,04 Mrd. Euro per Ende Oktober geschrumpft, wie der DDV berichtet.—– Wertberichtigt Seite 6