TREFFEN DER RÜCKVERSICHERUNGSBRANCHE IN MONTE CARLO

Zwischen Optimismus und Selbstkritik

Viel Kapazität, steigende Preise, neue Produkte, doch die Modellierung hakt

Zwischen Optimismus und Selbstkritik

Von Antje Kullrich, Monte CarloDie Stimmung ist ganz ordentlich. Nach zwei Jahren mit hohen Verlusten aus Naturkatastrophen und nicht verdienten Kapitalkosten sehen die Rückversicherer wieder Land. Die Preise steigen zumindest in Regionen wie den zuletzt von Hurrikanen und Waldbränden stark gebeutelten USA. Gleichzeitig ist die Kapitalisierung der Branche äußerst robust. Außerdem wittert sie für die Zukunft neue Geschäftschancen.Der Optimismus ist jedoch gemischt mit einer gehörigen Portion von Selbstzweifeln. Es geht um einen Grundpfeiler der Branche: die Modellierung von signifikanten Risiken wie bestimmten Naturkatastrophen und Cyber. Die Rückversicherer beginnen, ihre eigenen Modelle zu hinterfragen. Kurz vor dem Rückversicherertreffen in Monte Carlo hatte bereits die Ratingagentur AM Best mit einer kritischen Studie für Aufsehen gesorgt. Die Äußerungen führender Rückversicherer bestätigten jetzt, dass an der Skepsis etwas dran ist. Besonders deutlich wurde Moses Ojeisekhoba, Rückversicherungschef der Swiss Re. Er führte in einer Pressekonferenz zahlreiche Katastrophen-Beispiele der vergangenen Jahre an, bei denen die Branche von der Höhe der Schäden überrascht worden war. Jüngste Beispiele waren das Ausmaß der Waldbrände in Kalifornien 2017 und 2018 sowie die Schäden durch den Taifun “Jebi” , deren Höhe zunächst extrem unterschätzt wurde und die Branche zu milliardenschweren Nachreservierungen zwang.”Wir müssen stetig unsere Modelle redefinieren”, bekannte Ojeisekhoba. Ein hundertprozentig funktionierendes Modell werde es jedoch nicht geben. Sein Kollege Edi Schmid kritisierte, dass durch die Konzentration bei den unabhängigen Risikomodellierern nur noch wenige Anbieter im Markt seien – “eine ungesunde Entwicklung”, wie er meint. Die Rückversicherungsindustrie bewege sich nicht nur deshalb auf Open-Data-Formate zu. Das sei ein Trend, den die Swiss Re unterstütze und bei dem sie sich engagiere.Die Munich Re stellte in Monte Carlo einen neuen Score zur Bewertung von Waldbrand-Risiken vor. Sichtbares Ergebnis sind hochauflösende Risikokarten, die kleinteilig 20 verschiedene Gefahrenstufen für die einzelnen Gebiete beinhalten. “Man kann den Einfluss des Klimawandels nicht ignorieren”, sagte US-Rückversicherungschef Tony Kuczinski. Bisher existieren die Karten für Kalifornien, Colorado und Arizona sowie Alberta und British Columbia in Kanada. Die Munich Re arbeitet daran, sie auf weitere Regionen entwickeln.Die Modellierung von Risiken sei auch in anderen Bereichen wie Cyber und Betriebsunterbrechung schwierig, sagte Munich-Re-Vorstand Torsten Jeworrek. Das Finden von Lösungen sei jedoch essenziell, “um relevant für unsere Kunden zu bleiben”. Die Nachfrage nach Cyberschutz und Prävention werde weiter steigen, erwartet Jeworrek. Er prognostizierte, dass der Cyberversicherungsmarkt auch in nächster Zeit jährlich um 25 bis 30 % wächst. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Munich Re Beitragseinnahmen aus der Cyberversicherung von 473 Mill. Dollar, was nach einer Aufstellung des Konzerns einem Weltmarktanteil von etwa 9 % entspricht. Die Profitabilität sei unverändert, sagte Jeworrek. Die Schaden-Kosten-Quote liege bei 80 % oder darunter, einen Schaden im dreistelligen Millionenbereich habe die Munich Re noch nicht gehabt. Das gesamte Cyber-Exposure des Konzerns bewege sich im mittleren einstelligen Milliarden-Bereich.Wichtiges Zukunftsthema nicht nur bei den beiden Weltmarktführern Munich Re und Swiss Re sind parametrische Versicherungen. Sie springen ein, wenn bestimmte Trigger ausgelöst werden, zum Beispiel bei einem Erdbeben eine bestimmte Erdbebenstärke erreicht wird. Moses Ojeisekhoba von der Swiss Re hält solche Produkte für einfach, verständlich und bezahlbar, und sie sorgten für eine schnelle Auszahlung. Relativ neue Anwendungen sind Versicherungen für Bauern. Hier wird zum Beispiel die Trockenheit von Böden per Satellit oder mit Drohnen gemessen. Bei bestimmten Trockenheitsgraden erhalten die Farmer eine Kompensationszahlung.Die Hannover Rück hofft mit diesen Konzepten, die auf vielen Daten basieren, auf Wachstum in Südamerika, wo sie vor allem mittelgroße Erstversicherer als Kunden hat. “Wir bieten dort parametrische Versicherungen an und glauben, das ist die Zukunft”, sagte Vorstandsmitglied Michael Pickel.