„Zwölfmonatsvergleiche sind Quatsch“
Björn Godenrath.
Herr Kurz, die jüngste Benotung von Robo-Advisors durch die Stiftung Warentest (SW) ist kritisiert worden, da den Kosten keine Performance-Komponente gegenübergestellt wurde. Teilen Sie diese Kritik?
Wir waren mit Evergreen selbst Teil des Tests und haben umfangreiche Fragebögen erhalten sowie uns auch persönlich mit den Analysten ausgetauscht. An der analytischen Vorgehensweise haben wir nichts zu bemängeln. Das Konzept ist valide, denn aus dem institutionellen Assetmanagement (AM) ist bekannt, dass man drei bis fünf Jahre Track Record braucht, bis man aussagekräftige Daten für die Rendite eines Investmentproduktes hat. Zwölfmonatsvergleiche sind quatsch, das gilt auch mit Blick auf ein Retail-Publikum.
Aber man könnte doch mit Bezug zum Marktumfeld den Renditeaspekt zumindest gewichtet in eine Benotung einfließen lassen?
Die Frage der Gewichtung ist ein fairer Punkt, aber was ist die Benchmark? Die meisten Robos bieten mehr als eine Strategie an und müssten diese Strategien jeweils einer risikoadäquaten Benchmark zuordnen. Für einen sinnvollen Vergleich bräuchte man zudem tägliche Zeitreihen, sonst ist es unmöglich, aussagekräftig und risikoadäquat zu benchmarken. Und da stehen sich die Robos teilweise selbst im Weg, denn sie liefern meist nur monatliche Performance-Daten – auf so einer Basis funktionieren branchenübliche Kennzahlen gar nicht. Aus meiner Sicht sollten Anleger und Anlegerinnen aber die Möglichkeit haben, nach etablierten Standards zu vergleichen.
Müsste es nicht möglich sein, solche granularen Daten zu extrahieren?
Der Echtgeld-Test von Brokervergleich.de legt vieles gut offen und ich frage mich, ob er nicht selbst Tages-performancedaten generieren könnte. Allerdings gilt es auch dann, handwerklich noch besser zu werden. In welcher Relation steht der Ertrag zum eingegangenen Risiko? Was sind die Risikotreiber im Portfolio und was sind die Ertragsbringer, Stichwort Performance-Attribution? Zwölfmonatszeiträume sind zudem wenig aussagekräftig, da bin ich komplett bei der Stiftung Warentest. Volatilität und maximale Verluste, und zwar auf Tagesbasis über mindestens drei Jahre, sind ein Muss für eine aussagekräftige Performancebewertung, nicht nur für institutionelle Anleger, sondern auch für Privatanleger.
Was muss man noch beachten, um sich selbst ein Bild von der Leistungsfähigkeit eines digitalen Vermögensverwalters zu machen?
Es gibt so einige Fallstricke bei der Performance-Messung, die es nicht nur bei der Bewertung von Wertpapierfonds gibt, sondern auch von Robo-Advisors. Ein Beispiel: Möchte man für die Vergangenheit nachhaltige mit weniger nachhaltigen Ansätzen vergleichen, müssen beide entsprechend „gebenchmarkt“ werden, sonst vergleicht man Äpfel mit Birnen. Die Frage ist also, ob der nachhaltige Ansatz seine nachhaltige Benchmark geschlagen hat und nicht, ob er weniger nachhaltige Konkurrenten schlägt. So haben in den letzten 18 Monaten die Technologiewerte enorm outperformt, was man am Nasdaq Index sehr gut sehen kann. Da im nachhaltigen Investmentuniversum Tech-Werte überrepräsentiert sind, wundert es nicht, dass der nachhaltige Sektor mega gelaufen ist. Sind andere Anbieter mit ihren globalen Konzepten deshalb generell schlechter? Eher nicht.
Über die Kosten können Robos aber grundsätzlich gut verglichen werden?
Ja, das ist ein Aspekt, bei dem alle vergleichbar sind. Allerdings können Anleger auch grundsätzlich überlegen, ob sie eine solche digitale Anlage nicht auch billiger bekommen können, wenn sie eine Strategie kopieren und dafür selbst ETF-Portfolien zusammenstellen. Robo-Advisory ist strategische Asset-Allokation mit Gewichtung von Aktien, Renten und vielleicht noch einer Prise Rohstoffe – und da bieten Robos als statisches Produkt bislang nur reines, billiges Beta – ohne zusätzlichen Kundennutzen ist die erbrachte Leistung deshalb relativ gering.
Die Frage ist, welche Risiken man bereit ist, für die Überrendite einzugehen. Für den Anleger zählt, was nach Kosten rauskommt.
Tja, und was die Kosten angeht, da lohnt ein Blick über den Großen Teich: Betterment und Wealthfront nehmen 25 Basispunkte (BP), also 0,25% für Service- und Depotkosten – und die deutschen Robos nehmen mit 75 BP dreimal so viel. Aber diese 75 BP machen aus dem an sich sinnvollen Konzept des ETF-Investments am Ende wieder eine relativ teure Anlagestrategie, auch wenn das bestehende Robo-Advisory zur Einführung in digitales Anlagemanagement ein cooles Produkt ist. Ich bin mal gespannt, wie sich das Pricing entwickelt, wenn Vanguard mit ihrem Robo auf den deutschen Markt kommt.
Sie sind ja bemüht, mit Evergreen einen Ansatz zu verfolgen, der einen Zusatznutzen, also Alpha, stiften kann.
Nicht unbedingt Alpha, aber Mehrwert durch tägliches Risikomanagement. Wenn man bei uns unter die Motorhaube guckt, sieht man, dass Evergreen zwei eigene Fonds aufgelegt hat, in denen die Aktien- und Rentenquote täglich dynamisch gesteuert wird. Im risikoaversen Fonds gibt es dann eine variable Gewichtung von 0 bis 25% Aktien – mit Mischung aus beiden Fonds interpolieren wir dann, also zum Beispiel 70% Fonds A und 30% Fonds B. So lässt sich die dynamische Asset-Allokation in jedes Portfolio hineinsteuern. Die Prozesse sind dabei sehr kosteneffizient aufgesetzt. Unsere Fonds haben eine TER (Total Expense Ratio) von 0,59%. Und da wir nur das eigene Portfolio umwälzen bzw. in Kundendepots hineinsteuern, ist Evergreen derzeit der einzige gebührenfreie Robo am Markt.
Mit dem Konzept müssten sie auch ein institutionelles Publikum bedienen können, oder?
Natürlich kennen wir eine Reihe institutionelle Anleger, für die wir seit 2002 Wertsicherungs- und Risiko-Overlay Mandate gemanagt haben, insgesamt über 11 Mrd. Euro. Auch hier erwartet man von uns, dass es einen mindestens dreijährigen Track Record gibt. Wir bieten als Assetmanager unsere Leistungen allerdings heute schon an. Tatsächlich haben wir ein entsprechendes Fondsprojekt in den Startlöchern. Mehr dazu möchten wir aber erst im Lauf des Jahres bekanntgeben. Unser Fokus als Gesellschaft bleibt in jedem Fall das risikogemanagte Angebot im B2C-Geschäft.
Das Interview führte