FOKUS EU-Parlament: Wichtige Dossiers in der neuen Legislatur
Die durch die Europawahl bedingte Pause der Gesetzgebungsverfahren in der Europäischen Union neigt sich langsam dem Ende zu. Vergangene Woche wurden die erstmals gewählten Abgeordneten im Rahmen der „Welcome“-Tage begrüßt. Im Juli findet die erste Plenarsitzung statt, in der sich das Europäische Parlament konstituiert. Ebenfalls noch im kommenden Monat wird erstmals der neuformierte Wirtschafts- und Währungsausschuss, der ECON, zusammentreten. Die Zeit drängt, da das EU-Parlament bis September sprechfähig in Sachen EU-Haushalt sein muss – und dazu braucht es den Input aus den einzelnen Ausschüssen.
In der September-Sitzung wird zudem im ECON entschieden, welche laufenden Gesetzgebungsverfahren in der neuen Legislaturperiode weitergeführt werden – und auch welche Fraktion und welche Abgeordnete respektive welcher Abgeordnete die Federführung („Berichterstatter“) übernimmt. Bis Anfang September haben daher vor allem die Koordinatoren der einzelnen Parteien umfangreichen Redebedarf.
Wiedergewählte behalten gemeinhin ihr Dossier
Üblicherweise behalten Berichterstatter, die erneut in das EU-Parlament gewählt wurden, diese Rolle. Das dürfte dieses Mal zum Beispiel für das Dossier „EU-Kleinanlegerstrategie“ (Retail Investment Strategy) gelten, weil es die französische Liberale Stephanie Yon-Courtin mit Listenplatz 13 für das Bündnis „Besoin d´Europe“ gerade noch so ins Parlament geschafft hat. Da sich vor wenigen Tagen auch der Rat gegen ein wie immer geartetes Verbot von Zuwendungen ausgesprochen hat, könnte Yon-Courtin im nun bald beginnenden Trilog zumindest bei diesem Punkt recht zügig Einvernehmen herstellen.
Auch ist es hochwahrscheinlich, dass der Christdemokrat Stefan Berger die Berichterstattung für den „Digitalen Euro“ behält. Der CDU-Mann vom Niederrhein hat im Frühjahr sehr viele Änderungsanträge erhalten, so dass die Zeit zu knapp war, noch vor der Wahl die gemeinsame Position des EU-Parlaments abstimmen zu lassen. Genau an dieser Stelle könnte Berger die Arbeit wieder aufnehmen. Allzu viel Zeit hat er freilich nicht mehr, will er vermeiden, dass die EZB nicht mit der Vorlage des digitalen Euro bereits Fakten schafft. Die EZB hat die Präsentation ihrer Vorstellungen eines digitalen Euro für Ende 2025 angekündigt.
Zankapfel Einlagensicherung
Vor allem aus Sicht deutscher Sparkassen und Volksbanken wird spannend werden, wer die Federführung im Dossier „EU-Einlagensicherung“ (EDIS) übernimmt. Der bisherige Berichterstatter, der österreichische Christdemokrat Othmar Karas scheidet mit nunmehr 66 Jahren nach 25 Jahren Parlamentszugehörigkeit aus Es dürfte fast sicher sein, dass die EVP, also die Parteienfamilie der Konservativen im EU-Parlament, das Dossier erneut für sich beansprucht. Da das Thema vor allem in Ländern mit einem starken Sparkassen- und Volksbankensektor ganz oben auf der politischen Agenda steht, kämen als Nachfolger für Karas vor allem MEP aus Deutschland oder Österreicher in Frage wie beispielsweise die oberösterreichische Unternehmerin Angelika Winzig.
Eines der großen Themen der neuen Legislaturperiode dürfte die generelle Überarbeitung der Vorgaben für die Nachhaltigkeitsberichterstattung und ganz allgemein des Green-Finance-Regelwerks sein. Hier ist die Zahl derer, die sich eine Reform wünschen, zuletzt beachtlich gewachsen.
Verbriefungs-Novelle in Vorbereitung
Absehbar ist zudem, dass die EU-Kommission sehr schnell nach Festlegung auf einen neuen Finanzmarktkommissar in Nachfolge von Maeread McGuinness einen Gesetzgebungsvorschlag zur Wiederbelebung des Verbriefungsmarkts vorlegen wird. Zuletzt war die politische Unterstützung für niedrigere aufsichtliche Kapitalvorgaben und Entgegenkommen bei den Due-Diligence-Vorgaben sehr breit. Eurogruppe, Euro-Gipfel und einzelne nationale Regierungschefs wie beispielsweise Bundeskanzler Olaf Scholz machten sich dafür stark. Deshalb laufen in der EU-Kommission bereits Vorarbeiten für einen legislativen Vorschlag.
Ein größeres Thema der neuen Legislaturperiode dürfte schließlich noch Open Finance werden. Hier wird sich das EU-Parlament vor allem mit dem 2023 von der EU-Kommission vorgelegten Entwurf für eine EU-Verordnung über den Financial Data Access (Fida) beschäftigen. Berichterstatter des Dossiers ist der niederländische Rechtskonservative Michiel Hoogeveen, der im November 2023 eine gemeinsame Position im ECON bestätigen ließ. Auf dieser Grundlage könnte das EU-Parlament nun die Arbeit fortsetzen. Da Hoogeveens Partei „Ja21“ aber kein Mandat erringen konnte, wird die federführende Rolle an einen anderen Abgeordneten übertragen werden.