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Umweltgruppen fürchten Deregulierungsagenda

Umwelt- und Naturschutzaktivisten wünschen sich die Konzentration auf die pragmatische Umsetzung der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen. Sie fürchten in den nächsten Monaten eine Verwässerung der Gesetzestexte.

Umweltgruppen fürchten Deregulierungsagenda

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Umweltgruppen fürchten Deregulierungsagenda

Von Michael Marray

Umwelt- und Naturschutzaktivisten wünschen sich eine stärkere Konzentration auf die pragmatische Umsetzung der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen. Sie fürchten in den nächsten Monaten eine Verwässerung der Gesetzestexte.

Umweltorganisationen befürchten eine Deregulierungsagenda für das Jahr 2025, da die Europäische Union Pläne zur Verringerung der bürokratischen Belastung von Unternehmen durch die ESG-Berichterstattung vorantreibt. Das für Ende Februar geplante, so genannte Omnibus-Paket, das Änderungen an der Taxonomie, der Richtlinie zur Nachhaltigkeits-Berichterstattung (CSRD) und des EU-Lieferkettengesetzes CSDDD bündeln soll, biete, so die Sorge der Aktivisten, den Interessensvertretern der Wirtschaft und der Kreditbranche die Gelegenheit, die Regeln aufzuweichen.

„Seit der Veröffentlichung des Draghi-Berichts scheint es eine Verquickung der Themen Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit mit der Last der ESG-Berichterstattung zu geben, was ein falsches Narrativ ist“, beklagt Nicki Harrison, Direktorin für nachhaltige Finanzen beim Environmental Defence Fund. „Die Ankündigung eines Omnibus-Pakets durch Ursula von der Leyen eröffnet ein politisches Fenster, um die CSRD, CSDDD und Taxonomie neu zu verhandeln.“

Über das Maß hinausgeschossen

Umweltorganisationen machen die übliche Tendenz zur Übererfüllung bei Inkrafttreten neuer Vorschriften nun für den sich ihrer Ansicht nach abzeichnenden ESG-Rückschlag mitverantwortlich. Berater haben im Hinblick auf die ersten CSRD-Berichte, die im Frühjahr (für das Haushaltsjahr 2024) vorgelegt werden sollen, Alarm geschlagen und häufig einen maximalistischen Ansatz empfohlen.

In einem von rund 100 Nichtregierungsorganisationen unterzeichneten Schreiben an die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, vom Dezember heißt es: „Es ist äußerst wichtig, eine pragmatische Umsetzung des ESRS zu fördern und schlechte Praktiken zu beenden.“ So seien bei einigen ESG-Dienstleistern oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften überzogene ansätze entwickelt worden, die den Unternehmen nicht helfen würden, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.“

Der von der Anwaltskanzlei Frank Bold koordinierte Brief warnt davor, die CSRD angesichts des politischen Drucks zu verwässern. Er wurde auch in Reaktion auf ein Schreiben von vier deutschen Ministern an die neue Finanzdienstleistungs-Kommissarin Maria Albuquerque verfasst. In dem Schreiben hatten sich die Minister für eine Reihe konkreter Maßnahmen zur Lockerung der Vorschriften stellten.

Im Brief der Umweltgruppen wird darauf hingewiesen, dass die EU-Standards auf den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit beruhen und den Unternehmen erhebliche Flexibilität einräumen. Die Berichterstattung beginne mit dem unternehmenseigenen Prozess der Wesentlichkeitsbewertung, der den Fokus auf die für ein bestimmtes Unternehmen relevanten Nachhaltigkeitsaspekte bestimme und einschränke. Die EU-Normen gäben grundlegende Kriterien für die Wesentlichkeit vor, nicht aber einen bestimmten Prozess oder eine bestimmte Methode. Nach Angaben der Unterzeichner des Schreibens unterliegen rund 80 % der in den EU-Standards enthaltenen Datenpunkte der eigenen Wesentlichkeitsentscheidung der Unternehmen.

„Es wird viel über die 1.000 potenziellen Datenpunkte der europäischen Vorgaben für Nachhaltigkeits-Berichterstattung gesprochen, aber ein Unternehmen muss nur über die Datenpunkte berichten, die wesentlich sind“, sagt Harrison vom EDF. „Kein Unternehmen muss über 1.000 Datenpunkte berichten.“

Erste Berichte rücken näher

Große Unternehmen werden ihre ersten CSRD-Berichte für das Geschäftsjahr 2024 in den kommenden Monaten zusammen mit ihren Finanzberichten einreichen. Dies wird eine steile Lernkurve sein. Mittelständler hingegen werden erst in einigen Jahren einen Bericht vorlegen. Die Befürworter der CSRD sagen, dass anfängliche Probleme behoben werden können. Und die wiederkehrenden Kosten werden nach einigen Berichtszyklen geringer sein.

In dem Schreiben der Umweltverbände wird die EU aufgefordert, an ihren Grundsätzen der besseren Rechtsetzung festzuhalten, wonach jede politische Maßnahme durch Beweise gestützt werden muss. Die EU-Standards sehen bereits eine Überarbeitung nach drei Jahren vor, bei der „alle erforderlichen Änderungen auf der Grundlage der tatsächlichen Umsetzung der Standards ab 2025 in Betracht gezogen werden sollten.

Es kann sich aber auch schon früher etwas ändern. Die CSDDD ist bereits sehr umstritten, ebenso wie die Taxonomie, und da sie zusammen mit der CSRD im Hinblick auf den Abbau von Bürokratie (mit einem Ziel von 25%) überprüft werden, könnte es zu einigen bedeutenden Änderungen kommen.