„Die Super League ist noch nicht vom Tisch“
Stefan Paravicini
Herr Professor Geppert, Sie untersuchen an der Universität Jena die Eigentumsverhältnisse im europäischen Fußball. Welche Entwicklung beobachten Sie?
Es kommt seit einigen Jahren zu einer massiven Veränderung von Eigentumsstrukturen in den fünf großen europäischen Ligen. Thesenartig kann man sagen, dass sowohl die Ligen als auch die Clubs sich in Richtung privatrechtlicher Strukturen entwickeln. Kollegen aus der Forschung haben bereits herausgearbeitet, dass es einen Trend zu Mehrheitseigentümern gibt. Börsennotierte Vereine gibt es nur ganz wenige.
Welchen Fragen gehen Sie in Ihrem Forschungsprojekt nach?
Wir schauen uns die Entwicklung in den fünf großen Ligen einerseits quantitativ an, beschäftigen uns insbesondere in der Bundesliga und in der Premier League aber auch qualitativ mit den Konflikten der Privatisierung im Fußball.
In Deutschland lässt sich der Konflikt an der Debatte über die 50-plus-1-Regel festmachen. Wie lange wird die Regel halten?
Sie steht unter Druck, das Bundeskartellamt hat sie im vergangenen Jahr aber bestätigt und die Sonderregeln für die Werksvereine Wolfsburg und Leverkusen sowie auch Hoffenheim abgenickt – trotz Bedenken, dass so der Einfluss des Muttervereins auf null reduziert werden kann. Trotzdem wurde die 50-plus-1-Regel dadurch erst einmal gestärkt. Aber es gibt weiter massive Opposition, weil die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Bundesliga nach Einschätzung der Kritiker ohne Zugang zu Kapital von internationalen Investoren langfristig gefährdet ist.
Hertha BSC hat mit Lars Windhorst als Investor diese These bisher nicht gestützt. Trotz mehr als 300 Mill. Euro frischem Kapital gab es statt internationalem Wettbewerb nur die Relegation.
Das ist ein interessanter Fall, weil Windhorst ja mit einer niederländischen Private-Equity-Gesellschaft eingestiegen ist. Der Club hat Probleme in der Corporate Governance, die immer wieder zu öffentlich ausgetragenen Konflikten führen. Windhorst versucht geschickt Einfluss zu nehmen, das ist mit der 50-plus-1-Regel aber gar nicht so einfach.
Wird das Beispiel andere internationale Investoren abschrecken, oder erwarten Sie weitere Engagements in der Bundesliga?
Die deutsche Fußball-Industrie ist ein sehr interessanter Markt. Für internationale Investoren ist die 50-plus-1-Regel aber schon ein Problem. Wenn Investoren reingehen, wollen die in der Regel auch durchregieren und mit dem Kapital Einfluss nehmen. Es gibt Interesse und es laufen Gespräche, auch mit Blick auf Clubs aus der Zweiten Bundesliga. In Augsburg gab es zuletzt erste Versuche, sich von amerikanischer Seite einzukaufen und in Kaiserslautern ist die Pacific Media Group engagiert.
Können Minderheitsinvestoren über Vereinsgremien Druck auf die 50-plus-1-Regel machen?
Wir schauen uns in unserem Projekt genau an, wer in die Gremien einzieht und welche Interessen es hier gibt. Thesenartig kann man sagen, dass sich eine Professionalisierung beobachten lässt, wie man sie auch in den klassischen Industrien gesehen hat. Ich komme aus der Managementforschung und habe mir viele multinationale Unternehmen angeschaut. In Deutschland hatten wir lange Zeit Ingenieure in Führungspositionen, die sich im Unternehmen hochgearbeitet haben, während im angelsächsischen Raum immer schon Finanzexperten eine stärkere Rolle spielten. Das könnte meiner Einschätzung nach auch im Fußball passieren. Leute mit betriebs- und finanzwirtschaftlichen Abschlüssen werden sich mehr und mehr durchsetzen, der ehemalige Profifußballer wird im Clubmanagement immer seltener das alleinige Sagen haben.
Ändern sich mit den Eigentümern auch die Wettbewerbsformate – Stichwort Super League?
Die Super League war ein Testballon. Dahinter stehen vor allem US-amerikanische Investoren, die sich vor allem mit spanischen und italienischen Spitzenclubs zusammengetan haben. Das ist noch nicht vom Tisch, das kann jederzeit wiederkommen. Dann ist Fußball vor allem Entertainment, in so einem Wettbewerb sieht man natürlich gute Spiele. Historisch ist Fußball in Europa aber auch großes Drama mit Auf- und Abstiegen, wie ein Theaterstück. Selbst in der Bundesliga, wo seit zehn Jahren immer der FC Bayern gewinnt, gibt es in den unteren und mittleren Tabellenregionen viel Dramatik.
Das Interview führte
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