Unternehmer gesucht
Eines hat das Jahr 2022 zweifelsfrei bewiesen: Kontinuierliche Veränderung und Unsicherheit sind die prägenden Eigenschaften unserer Zeit. Und es erfordert unternehmerisches Handeln, um damit Schritt zu halten. Die Wenigsten haben wohl die tatsächliche Dimension der wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Verwerfungen der vergangenen Monate kommen sehen. Multiple Krisen, eng verwoben und sich gegenseitig verstärkend, haben tiefgreifende Auswirkungen auf das Leben jedes und jeder Einzelnen. Und es gibt kaum Indizien dafür, dass 2023 weniger herausfordernd wird.
Nach wie vor herrscht mitten in Europa ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg, bei dem Tag für Tag unschuldige Menschen sterben. Dieser Krieg und seine Folgen haben mit dafür gesorgt, dass über Jahrzehnte etablierte Gewissheiten als Illusionen entlarvt wurden. In der Realität müssen wir uns Themen stellen, die weithin als undenkbar galten: der Gefahr eines Atomkriegs und einer Wiederaufrüstung der Streitkräfte. Engpässen bei der Energieversorgung und in der Industrie. Zweistelligen Inflationsraten. Einer ins vierte Jahr reichenden globalen Pandemie. Einem permanent überlasteten Gesundheitswesen. Einem eklatanten Fachkräftemangel, der in vielen Lebensbereichen spürbare Einschränkungen auslöst. Der Verstaatlichung von Unternehmen. All das ist real und wird auch Teil unserer Zukunft sein.
Einfache Wahrheiten und Lösungen gibt es dafür nicht. Die Suche nach ihnen zerfrisst vielmehr die demokratischen Fundamente, auf denen Europas Wohlstand überhaupt erst möglich geworden ist. Die wachsende Polarisierung im politischen und gesellschaftlichen Diskurs ist auch Ausdruck von Überforderung. Bestenfalls wirkt die Multi-Krise deshalb als kathartischer Schock: Die Vielzahl und das Ausmaß der Herausforderungen schärft das Bewusstsein, dass es kein Weiter-so mehr gibt – und schon gar kein Zurück in vermeintlich bessere Zeiten. Dass es notwendig ist zu handeln, Verantwortung zu übernehmen, etwas zu unternehmen – und es auszuhalten, dass der Erfolg keineswegs garantiert ist.
Tatsächlich ist unternehmerischer Geist allenthalben zu spüren: Viele Unternehmen etwa haben damit begonnen, ihre Lieferketten zu diversifizieren, sich aus der Abhängigkeit von einzelnen Herstellern und Lieferwegen zu befreien. Und während bei Generationsthemen wie der Energie- und Verkehrswende die politischen Impulse häufig noch vom Wunsch geprägt scheinen, dass sich für den Einzelnen bloß nicht zu viel verändern soll, haben viele Menschen längst begonnen zu handeln: Auf die krisenbedingte Renaissance fossiler Energieträger etwa reagieren sie mit massiven Anstrengungen, ihren Energieverbrauch zu senken. Nicht für den kurzfristigen Effekt, sondern im Wissen, dass der Klimawandel nicht einfach pausiert, nur weil in Europa gerade das Gas knapp wird.
Dass Deutschland und Europa im neuen Jahr wohl nur eine milde, womöglich sogar nur eine technische Rezession blüht, ist in erster Linie einem beherzten Eingreifen der Politik zu verdanken. Sie hat die ärgsten Folgen abgefedert. Im nächsten Schritt muss es für Unternehmen umso mehr darum gehen, die eigenen Abhängigkeiten zu reduzieren und eine echte Resilienz zu entwickeln. Einfach auszuharren, bis alles wieder gut wird, genügt nicht.