LeitartikelBiodiversität

Artenschutz als Megatrend

Biodiversität spielt bei Investoren eine immer größere Rolle. Sie wird auch für das Risikomanagement zunehmend wichtiger. Doch die zunehmenden Strategien und Fonds sind Zeichen einer Modewelle.

Artenschutz als Megatrend

Biodiversität

Finanzbranche fliegt auf Artenschutz

Von Wolf Brandes

Es darf nicht sein, dass Klima gegen Bio ausgespielt wird, und es ist wenig hilfreich, auf Modetrends mit Produkten zu setzen.

Raupenhüpferlinge, Beintaster oder Springschwänze: Sie sind winzig klein und meist unbekannt. Dabei sind sie wichtig, nicht nur für die Bodenfruchtbarkeit. Die Vielfalt der Arten in unseren Böden ist nur ein Beispiel für Biodiversität. Es geht um Ökosysteme, das sind Böden, aber auch Wälder und Meere. Biodiversität ist nichts Neues und das Artensterben ebenfalls nicht. Doch diese Entwicklung hat mittlerweile eine Dynamik erreicht, die bedrohlich werden könnte. Nicht nur für das Leben von Tieren, sondern auch für Umwelt und Menschen.

Die Zahlen sind alarmierend: Ein Viertel der Säugetiere und fast die Hälfte der Amphibien sind bereits auf der Liste der gefährdeten Arten. Als Vorreiter in Sachen Erhalt der Biodiversität haben sich wie bei vielen Umweltthemen die Vereinten Nationen ins Spiel gebracht, die vor düsteren Aussichten für Lebensräume warnen, mit katastrophalen Folgen für die Landwirtschaft, aber auch den Klimawandel sowie durch die Verbreitung von Krankheiten. Momentan hat Biodiversität gemessen an den hier engagierten Unternehmen einen sehr kleinen Stellenwert. Dennoch haben inzwischen Investoren Biodiversität als „Spielwiese“ entdeckt. Immer mehr Akteure suchen nach Lösungen auch im finanziellen Bereich und Investments, um einerseits Gutes zu tun, andererseits Rendite zu erwirtschaften.

Biodiversität spielt bei Assetmanagern und Investoren eine immer größere Rolle. Sie wird auch für das Risikomanagement in den Unternehmen zunehmend wichtig. Mittlerweile gibt es eine Reihe von biodiversen Strategien und Fonds, die meist erst vergangenes Jahr aufgelegt wurden. Auch bei institutionellen Investoren steht das Thema oben auf der Agenda. Das lockt die Anbieter. Inzwischen gibt es knapp ein Dutzend Fonds, die Biodiversität in ihrem Namen tragen, von Anbietern wie Axa über Fidelity bis Robeco. Hinzu kommen zahlreiche Indizes, die Aktien selektiert haben rund um das Thema.

Ganz klar, Biodiversität ist ein Trend- und Modethema geworden, was der ökologischen Bedeutung keinen Abbruch tut. Kaum eine Woche vergeht ohne Konferenzen und Symposien, auf denen über Artenschutz und den Zusammenhang zur Finanzbranche gesprochen wird. Während die ersten grünen Investmentprodukte vor rund 25 Jahren aufgelegt wurden, war vor drei Jahren von Biodiversität und Investmentanlagen noch nicht die Rede.

Das große Interesse ist nachvollziehbar. Die wirtschaftlichen Auswirkungen einer schrumpfenden Vielfalt von Tieren und Pflanzen sind enorm und werden viele Branchen treffen, von Landwirtschaft bis Tourismus. Nach Expertenschätzungen wären massive Investitionen in Billionenhöhe erforderlich, um den Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen und die bestehende Biodiversität zu erhalten.

Es ist die eine Sache, dass Biodiversität in den Fokus rückt und eine große Bedeutung bekommt. Die andere ist es, ob es als Investment und als Thema für die Finanzbranche geeignet ist. Sicherlich, durch die Fokussierung auf CO2-Neutralität und Klimawandel fehlt vielen Investoren der ganzheitliche Blick. Vieles dreht sich in der Umweltdebatte um erneuerbare Energien, während der Rückgang bei der Artenvielfalt eine untergeordnete Rolle spielt. Doch man kann nicht sagen, dass Biodiversität gar keine Lobby hat. Letztes Jahr beim Gipfel in Montreal waren 200 Regierungen zusammengekommen. Es ging darum, den Nettoverlust an Natur bis 2030 zu stoppen, oder anders ausgedrückt, die Kurve des Biodiversitätsverlustes zu biegen.

Aus Sicht der Finanzbranche ist eine Verengung von ESG auf ein Phänomen nicht der richtige Weg. Es darf sowieso nicht sein, dass Klima gegen Bio ausgespielt wird, und es ist auch wenig hilfreich, auf Modetrends mit einzelnen Produkten zu setzen. Im Gegenteil, im Bereich der Finanzbranche sollte ein ganzheitlicher ESG-Ansatz vorherrschen, also die drei Buchstaben auch beim Wort genommen werden – oder anders gesagt: Eine umfassende Nachhaltigkeit muss gelebt werden. Das wird ja in vielen Fällen auch praktiziert. Und bei ESG und Nachhaltigkeit sind über Taxonomie und den SDG der UN natürlich breit angelegte Kriterien enthalten.

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