Im BlickfeldKraftwerkssicherheitsgesetz

Auf dem Weg in einen Strom-Kapazitätsmarkt

Im Herbst will die Bundesregierung ein Kraftwerkssicherheitsgesetz und den Grundpfeiler für einen Kapazitätsmarkt auf den Weg bringen. Dies soll die Energiewende und den Ausbau der Erneuerbaren absichern.

Auf dem Weg in einen Strom-Kapazitätsmarkt

Auf dem Weg in einen Strom-Kapazitätsmarkt

Das Kraftwerkssicherheitsgesetz soll die Backups für die Erneuerbaren schaffen.

Von Andreas Heitker, Berlin

Lange haben die Ampel-Koalitionäre mit sich selbst sowie mit der EU-Wettbewerbsbehörde gerungen, wie die Energiewende mit dem Bau neuer wasserstofffähiger Gaskraftwerke („H2 ready“) abgesichert werden kann. Viel zu lange, wenn man der Energiewirtschaft Glauben schenken mag. Jetzt aber steht ein grober Zeit- und Zubauplan, den die Bundesregierung in den kommenden Wochen in einem Kraftwerkssicherheitsgesetz bündeln will.

Dieser Plan sieht ein zweistufiges Vorgehen vor: Zunächst wird es ab Ende des Jahres – realistischer allerdings ab Anfang 2025 – Ausschreibungen geben, die zur Dekarbonisierung der deutschen Stromerzeugung beitragen sollen. In einem zweiten Schritt wird in den Ausschreibungen dann die Versorgungssicherheit in den Fokus genommen.

Unterschiedliche Finanzierung

Auch wenn die Kraftwerke im Endeffekt ähnlich aussehen werden: Die Unterscheidung ist wichtig für die Beihilfegenehmigungen der EU-Kommission, die Förderbedingungen und die Förderhöhe für die Unternehmen sowie für die jeweilige Finanzierung.

Zum Dekarbonisierungspaket, das wohl auch in mehreren Tranchen kommt, gehören den aktuellen Planungen zufolge etwa acht bis zehn neue Kraftwerke mit einer Leistung von insgesamt 5 Gigawatt (GW). Diese können anfangs noch mit Gas, müssen aber spätestens ab dem achten Jahr nach Start vollständig mit Wasserstoff betrieben werden. Diese Bedingung hatte die Bundesregierung noch den Brüsseler Wettbewerbshütern abgerungen, die bislang auf eine vollständige Umstellung bis 2035 gedrungen hatten.

Außerdem im Paket ist der Umbau von 2 GW von bereits vorhandenen Gaskraftwerken, um diese ebenfalls auf den Betrieb mit Wasserstoff vorzubereiten. Hinzu kommen 500 Megawatt (MW) sogenannter Sprinterkraftwerke, also Anlagen, die von Anfang an komplett nur mit Wasserstoff laufen. Dies soll einen Anreiz zur weiteren technologischen Entwicklung dieser Anlagen geben.

Diese Kraftwerke aus dem Dekarbonisierungspaket sollen eine Investitions- und Betriebsförderung erhalten, die aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) kommt. Da diese allerdings erst ab Inbetriebnahme der Anlagen gezahlt wird, werden erste Mittel frühestens 2030 fließen – ein Problem weniger für die Haushälter der Ampel-Parteien.

Kraftwerksstrategie könnte bis zu 20 Mrd. Euro kosten

Bei den weiteren 5 GW, die dann im zweiten Schritt ab 2026 zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit ausgeschrieben werden, werden hingegen nur die Investitionen gefördert. Und diese Unterstützung muss dann auch direkt von den Verbrauchern finanziert werden – voraussichtlich über eine Umlage. Eine Vorgabe, wann diese Kraftwerke vollständig auf Wasserstoff umgestellt haben müssen, gibt es dafür nicht. Einziges Langfristziel: Bis 2045 müssen die Anlagen den Strom klimaneutral erzeugen.

Was dieser Zubau an neuen regelbaren Kraftwerken, die mit langen Refinanzierungszeiträumen ausgeschrieben werden, insgesamt kostet, ist noch unklar. Die Förderhöhe wird auch von der Entwicklung der Gaspreise abhängen. Früheren Angaben zufolge könnte es aber auf Kosten von 15 Mrd. bis 20 Mrd. Euro hinauslaufen. Mit Brüssel gibt es hierzu schon eine grundsätzliche politische Einigung. Der endgültige Beihilfeentscheid wird erst nach den nun anlaufenden Marktkonsultationen im Herbst erfolgen.

Reichen die Kraftwerkspläne?

Dann könnten auch schon erste Eckpfeiler des geplanten Kapazitätsmarktes vom Kabinett beschlossen werden, der ab 2028 endgültig Wirklichkeit wird. Die neuen Kraftwerke, aber auch Stromspeicher werden Teil dieses Kapazitätsmechanismus sein, der insbesondere in Zeiten von „Dunkelflauten“ zum Einsatz kommt – also wenn kein Wind für die Windräder weht und keine Sonne für die Produktion von Solarenergie scheint. Erste Stromlangzeitspeicher im Volumen von 500 MW hierfür werden 2025 ausgeschrieben.

Bei einem Kapazitätsmarkt erhalten Kraftwerksbetreiber – im Gegensatz zum Energy-only-Markt – keine Vergütung für produzierten Strom, sondern für vorgehaltene Erzeugungskapazitäten, die bei Bedarf abgerufen werden können. Ob es in Deutschland auf einen eher zentral oder dezentral organisierten Mechanismus hinausläuft, ist derzeit noch unklar.

Versorger warten konkrete Ausschreibungsbedingungen ab

Noch unklarer erscheint derzeit, ob die nun von der Ampel vereinbarten 12,5 GW an wasserstofffähigen Kraftwerken ausreichen, um die Versorgungssicherheit im Zuge der Energiewende aufrechtzuerhalten. Die Bundesnetzagentur hatte in einem Statusbericht 2023 darauf verwiesen, dass bis 2031 je nach Modellrechnung 17 bis 21 GW an zusätzlichen Erzeugungskapazitäten nötig sein werden.

Das Bundeswirtschaftsministerium räumt ein, dass dies der Fall wäre, wenn der geplante Kohleausstieg tatsächlich bis 2030 abgeschlossen sei. Tatsächlich könnten bis zu 14 GW an Kohlemeilern aber auch noch darüber hinaus betrieben werden, sofern sie noch gebraucht würden, heißt es. Zudem sei die Kraftwerksstrategie nur ein zusätzliches Instrument neben der Förderung eines Zubaus über das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz.

Die neuen Kraftwerke sollen möglichst am geplanten Wasserstoffkernnetz und überwiegend im „netztechnischen Süden“ platziert werden. Dazu gehört auch das Rheinische Revier, das bislang von der RWE-Braunkohle geprägt war. Die Versorger reagierten bislang zurückhaltend auf das Strategie-Update der Bundesregierung. Man will auf die konkrete Ausgestaltung der Ausschreibungen warten.

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