Fondsindustrie

Bei ESG-Investments findet der Big Short statt

Bei Investoren wächst nach Greenwashing-Vorfällen das Misstrauen gegen das ESG-Label. Am Kapitalmarkt werden nun Short-Wetten gegen ESG-Investments gefahren.

Bei ESG-Investments findet der Big Short statt

Es ist eine Bestandsaufnahme, die man erst mal sacken lassen muss. In den USA sind in diesem Jahr per Ende August deutlich mehr ESG-Fonds geschlossen worden als in den drei Jahren zuvor. Morningstar zufolge sind darunter Vehikel von Blackrock, State Street, Columbia Threadneedle, Janus Henderson und Hartford Funds Management. Das sind alles arrivierte Adressen, also was ist da los?

Toxisches politisches Klima

In ihren Begründungen verweisen die Fondsgesellschaften auf ein mitunter toxisches politisches Klima für ESG-konforme Investments sowie auf erhöhten Druck des Kapitalmarkts wegen des latenten Verdachts von Greenwashing. Morningstar zufolge sind in den USA zur Jahresmitte 656 Fonds registriert, die für sich das Qualitätsmerkmal „sustainable“ reklamieren. Dabei handelt es sich bei den Fondsschließungen in der Regel um Vehikel mit geringem Volumen, wie einen Blackrock-Fonds mit Emerging-Markets-Fokus mit 21 Mill. Dollar – das spielt für ein solches Assetmanagement-Dickschiff eine vernachlässigbare Rolle.

Misstrauen gegenüber Assetmanagern

Zudem können solche Fonds auch auf andere Vehikel verschmolzen werden. Das wahre Drama sind die sinkenden Mittelzuflüsse. Morningstar zufolge betrugen die Mittelzuflüsse im zweiten Quartal nur noch 18 Mrd. Dollar nach 31 Mrd. Dollar im Vorquartal. Dabei spielen natürlich makroökonomische Einflüsse eine Rolle. Aber diese Entwicklung der Abkehr von ESG-konformen Investments ist vor allem Ausdruck von Misstrauen gegenüber den Versprechungen der Assetmanager, bei denen man bezweifelt, dass sie adäquate Filter bei der Titelauswahl verwenden – und dafür mitunter auch noch einen Aufschlag wollen.

Kleinster gemeinsamer Nenner beim Klimaschutz

Zudem findet in den USA ein politischer Krieg gegen ESG statt, da dieses Label von rechten Politikern als Ausdruck einer woken Weltverbesserer-Bewegung wahrgenommen wird, die man ablehnt. Das Dumme ist, dass Klimaprotestler und NGOs sich inzwischen tatsächlich selbst vielfach disqualifiziert haben, so dass die Anti-ESG-Bewegung Rückenwind erhält. Für den wahren Klimaschutz, dessen kleinster gemeinsamer Nenner die Dekarbonisierung ist, stellt das den Worst Case dar. Denn die Unterstützung zur Bekämpfung des Klimawandels schwindet in Gesellschaft und Kapitalmarkt.

Zukünftig zurückhaltender

Zum Glück sind die Kapitalmarktprofis in der Regel robust. So wie Larry Fink. Aber selbst der Blackrock-Chef räumte kürzlich ein, dass ihn nach seinem Bekenntnis zur Dringlichkeit von ESG-Compliance die zunehmenden persönlichen Anfeindungen zermürben. „Ich werde das Wort ESG nicht mehr verwenden“, erklärte er Mitte Juni frustriert. Der Begriff sei von den extremen Linken und Rechten „missbraucht“ worden. Er will sich in seinen Diskussionsbeiträgen nun darauf konzentrieren, wie Blackrock mit ihren Investments beim Übergang zu einer möglichst dekarbonisierten Wirtschaft beitragen kann. Larry Fink bleibt also am Ball.

"Ich werde das Wort ESG nicht mehr verwenden.“

Larry Fink

Auf politischer Ebene werden in den US-Bundesstaaten aber Anti-ESG-Fakten geschaffen. Texas, West Virginia und Kentucky haben Banken schon auf schwarze Listen gesetzt, wenn diese keine Kohle- oder Waffenfirmen mehr finanzieren wollen. Und Präsidentschaftskandidat Ron DeSantis hat eine Allianz von 18 Bundesstaaten geschaffen, um eine ministeriale Vorschrift zu boykottieren, die es erlaubt, im Rahmen von Pensionsplänen in „Climate-Aligned Funds“ zu investieren.

Was für ein Irrsinn! Aber das ist die Welt, in der wir heute leben: Gesellschaftliche Diskussionen und politisches Handeln bewegen sich nicht mehr in die Mitte hinein, sondern an die äußeren extremen Pole. Für die Fondsbranche heißt das: Einfach weitermachen und tunlichst besser werden, damit man in diesem Umfeld keine Angriffsfläche bietet. Dabei ist es nicht hilfreich, dass die DWS beim Greenwashing erwischt wurde. Die SEC hatte die Gesellschaft Anfang der Woche zu einer Strafzahlung von 25 Mill. Dollar wegen falscher Angaben zu „grünen“ ESG-Fonds („Greenwashing“) und mangelnder Geldwäschekontrollen verurteilt.

Ermittler lassen sich Zeit

Moniert wird vor allem übertriebenes Marketing für den „DWS Invest ESG Climate Tech Fonds“. Da aber wohl keine falschen Angaben in Fondsprospekten und Finanzveröffentlichungen festgestellt wurden, haben Prospekthaftungsklagen kaum Chancen auf Erfolg – auch wenn einige Anwälte da schon mit den Säbeln rasseln. Für die DWS bleibt neben dem bereits entstandenen Imageschaden und der Strafzahlung nun das Abwarten auf das Ende der seit 18 Monaten andauernden Ermittlungen der Frankfurter Staatsanwaltschaft. Und da in dieser Sache keine 100.000 Zeugen vernommen werden müssen, darf man auch erwarten, dass die Ermittler bald zu Potte kommen. Denn schwebende Verfahren schaden einem Unternehmen immer.

Der Fondsindustrie hat die DWS mit ihren Verfehlungen jedenfalls einen Bärendienst erwiesen. Denn die Feinde einer ESG-orientierten Finanzwirtschaft hat sie damit munitioniert. Um sich zu positionieren, hat die europäische Branche mit der Artikel-9-Offenlegungsverordnung gemäß SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation) aber ein gutes Instrument, das mit fortlaufendem Feintuning geeignet ist, um überprüfbares Vertrauen in die Fondsinhalte zu schaffen. Darüber wachen Regulatoren wie BaFin und ESMA auch mit Blick auf Instrumente wie Green Bonds. Die derzeitige Situation ist aber vom Greenwashing-Verdacht geprägt. Ein Fondsgründer hat es kürzlich so ausgedrückt: „In der Praxis ist es heute leider so, dass es nur zwei Kategorien von nachhaltigen Fonds gibt: Dunkelgrün oder die, wo nicht drin ist, was draufsteht.“

ESG-Fonds geraten in schweres Fahrwasser

Fondsschließungen und weniger Zuflüsse in den USA – Vertrauen in ESG-Marke durch Greenwashing bedroht – DWS bietet Angriffsfläche für Kritik

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Der Zustrom an frischen Geldern in ESG-Vehikel hat sich abgeschwächt, in den USA werden erste Produkte eingestampft. Die Fondsindustrie steht nun vor der Herausforderung, der Anti-ESG-Bewegung zu trotzen und nachprüfbar grüne Selektionen vorzunehmen. Die DWS-Strafe sollte dafür ein Weckruf sein.

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