Governance-Qualität im Dax nimmt teils deutlich zu
Governance-Qualität im Dax nimmt teils deutlich zu
Investorenverband DVFA bescheinigt Unternehmen Verbesserungen in den Themen "Aktionäre und Hauptversammlung" sowie "Vorstandsvergütung"
Sabine Wadewitz, Frankfurt
Die Unternehmen kommen im Anspruch guter Corporate Governance voran. Nach der jüngsten Analyse des Investorenverbands DVFA zeigt sich in allen Börsensegmenten eine teils deutliche Verbesserung der durchschnittlichen Qualität in guter Unternehmensführung und -kontrolle. In der Scorecard für 2023 ist der durchschnittliche Wert im Dax im Vergleich zum Vorjahr von 74,8% auf 80,2% geklettert, teilt die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management mit. Im MDax ging es von 61% auf 68% nach oben, die SDax-Werte verbesserten sich von 53,7% auf 61,9%. Die Unternehmen in den Nebenwerten zeigen seit Beginn des Rankings Governance-Defizite im Vergleich zu den Blue Chips.
Munich Re verteidigt Spitzenplatz
„Insgesamt weisen die Ergebnisse für 2023 auf eine auf breiter Basis verbesserte Governance-Qualität hin“, fasst Hendrik Schmidt, Leiter des DVFA-Fachausschusses Scorecard die Ergebnisse zusammen. „Wir haben uns in der Überarbeitung für die 2023er-Auswertung intensiv mit der geänderten Rechtslage gerade mit Blick auf die Hauptversammlung befasst. Allerdings nehmen wir auch das Thema Aktionärsrechte stärker in den Blick.“
„Wir sehen gerade im Dax 40 nochmals eine Verbesserung der Ergebnisse auf bereits hohem Niveau und können erstmals an drei Unternehmen in der Spitzengruppe das Prädikat ‚Hervorragend‘ vergeben“, ergänzt Christina Bannier, Professorin und als wissenschaftliche Leiterin des Sustainable Governance Lab für die Auswertung verantwortlich. Klassenprimus im Dax 40 ist das vierte Jahr in Folge Munich Re. Ihr folgen diesmal Deutsche Börse und Brenntag.
Für ein „Hervorragend“ im Governance-Zeugnis müssen Gesellschaften eine Score-Wert von mehr als 90% der möglichen Punkte sammeln. Deutsche Börse lag 2022 mit knapp unter 90% auch auf Platz 2 im Ranking, war aber noch mit „sehr gut“ klassifiziert, Brenntag war in gleicher Klasse zuvor auf Platz 3.
Relevant für den Marktwert
Die Investorenvertreter heben hervor, dass es sich bei aller gewonnenen Routine nach wie vor um ein wichtiges Thema handelt. „Die Bedeutung von Corporate Governance nimmt in Zeiten einer volatileren Konjunktur, zunehmenden geopolitischen Risiken und der Klimakrise weiter zu. Damit steigt auch die Relevanz für die Bewertung am Kapitalmarkt“, unterstreicht Ingo Speich, Vorstand der DVFA und Co-Leiter der DVFA-Kommission Governance & Sustainability.
Die zentralen Anforderungen in der Beurteilung der Konzerne haben sich nach Darstellung der DVFA in der Auswertung 2023 lediglich im Bereich „Aktionäre und Hauptversammlung“ etwas umfassender geändert. So habe man Fragen gestrichen, die mittlerweile gesetzlich verpflichtende Aktivitäten im Rahmen der digitalen Hauptversammlung (HV) betrafen. Dafür seien neue Fragen zur Gleichbehandlung unterschiedlicher Aktionärsgruppen sowie zur expliziten Möglichkeit einer Enthaltung in der HV-Abstimmung integriert worden.
Im Thema „Aufsichtsrat“ sei eine Frage zur Mandatshäufung („Overboarding“) bei Vorsitzendem und Prüfungsausschuss-Vorsitzendem ergänzt worden. Die Bewertung der Frage zur Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts im Bereich „Rechnungslegung und Abschlussprüfung“ wurde zudem etwas verschärft, so dass zur vollen Punkterreichung hier eine Prüfung mit „angemessener“ und nicht mehr nur „begrenzter“ Sicherheit notwendig ist.
Bayer rutscht ab
Bei aller Stabilität an der Spitze zeigen sich einige größere Veränderungen in der Zeugnisvergabe. Die Note „sehr gut“ (Score-Wert zwischen 80 und 90%) erhielten nun 18 Unternehmen im Dax nach 12 Gesellschaften im Jahr 2022. Deutlich abgerutscht von zuvor Platz 5 auf Rang 12 ist aber zum Beispiel Bayer. Rasant um 10 Stufen nach oben gekommen ist dagegen Siemens Healthineers – nun auf Platz 22. Aufsteiger ist auch Deutsche Bank mit einer Verbesserung um 9 Plätze auf Rang 4, Eon schob sich um 7 Stufen auf Rang 8 vor und SAP legte 6 Plätze auf Rang 20 zu.
„Die Kontinuität an der Spitze ist für uns ein wichtiges Signal, da es zeigt, dass sich die Unternehmen nicht auf den Ergebnissen der Vorjahre ausruhen, sondern sich weiterhin um Verbesserungen in der Governance bemühen“, unterstreicht Schmidt.
Im Unterschied zur Analyse 2022 schneidet nun kein Dax-Unternehmen mehr mit „mangelhaft“ ab, also mit einem Score-Wert von unter 50%. Das war 2022 die Porsche Automobil Holding SE. Das Unternehmen zählt mit der Porsche AG im diesjährigen Ranking zu den einzigen beiden Gesellschaften mit einer Beurteilung von „ausreichend“ (Score-Bereich zwischen 50 und 60%). Sartorius hat sich ins „befriedigend“ hochgearbeitet, ist mit der Note allein im Dax, alle anderen sind mindestens mit „gut“ benotet.
Aufholpotenzial
Trotz einer insgesamt positiven Entwicklung sehe man in der Analyse „noch einige Nachzügler, bei denen teils strukturelle Aspekte, teils aber auch Transparenzthemen den Score belasten“, sagt Bannier.
Im MDax liegt Fresenius Medical Care auf dem Spitzenplatz. Der Dialysekonzern war im Vorjahr noch im Dax 40 und dort auf Rang 8 eingestuft. Der Vorjahressieger im MDax, Commerzbank, ist wieder in den Dax aufgestiegen und dort auf Rang 6 im Spitzenfeld angesiedelt.
Größter Aufsteiger im MDax ist Encavis, die von Platz 45 auf Platz 32 hochgeklettert ist. Der Wind- und Solarparkbetreiber zeigt laut DVFA zudem die stärkste prozentuale Verbesserung im Gesamtranking. Auch für Freenet ging es um 9 Plätze bergauf auf Rang 21 – mit der Note „befriedigend“. Das Feld von Firmen mit schwacher Governance-Performance ist immer noch groß. Insgesamt fünf Unternehmen im MDax schneiden lediglich mit einer „ausreichenden“ Bewertung ab. Nach acht Unternehmen im Vorjahr liegen diesmal aber nur noch zwei Unternehmen in der Kategorie „mangelhaft“ – und zwar Rational und CTS Eventim.
SDax hinkt hinterher
Im SDax erreicht wie im Vorjahr kein Unternehmen „sehr gut“. Immerhin seien mittlerweile 16 Unternehmen in einem „guten“ Qualitätsbereich platziert – im Vorjahr waren es erst vier Firmen. Größter Aufsteiger im SDax ist Auto 1, die sich um 24 Rangplätze steigerte. Sieben Gesellschaften kassierten für ihre Governance einen „mangelhaften“ Score-Wert. In der Umfrage 2022 waren es noch 29.
Mit Blick auf einzelne Aspekte der Governance-Scorecard fällt laut DVFA auf, dass sich der im Vorjahr erkennbare positive Trend im Bereich „Aktionäre und Hauptversammlung“ fortgesetzt hat. „Dies zeigt sich in allen Börsensegmenten und ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass die Unternehmen die Rechte der Aktionäre im Rahmen der Hauptversammlung deutlich ernster zu nehmen scheinen als noch in den Vorjahren“, erläutert Schmidt.
Nachhaltigkeit setzt sich durch
Ebenfalls deutliche Verbesserungen, wenn auch nicht in vergleichbarem Ausmaß, erkennen die Investorenvertreter der DVFA auch in den Themen „Vorstand“ und „Aufsichtsrat“. Gepunktet haben Unternehmen dabei in der Vorstandsvergütung. „Nahezu alle Unternehmen setzen mittlerweile Nachhaltigkeitsziele in ihren Vergütungssystemen ein und viele sorgen für eine langfristige Performance-Messung über mindestens vier Jahre“, lobt Bannier. Auch die Berichterstattung über die Zielerreichung sei in vielen Unternehmen verbessert worden.
Professionalisierung
Im Bereich „Aufsichtsrat“ zeigen sich laut DVFA viele positive Beispiele, etwa in der ausführlichen Beschreibung von Qualifikationsprofilen im Gremium oder in der detaillierten Berichterstattung über Effizienzprüfungen. „Ähnliche Angaben zu Fortbildungsmaßnahmen fehlen dagegen sehr häufig noch. Auch die Quote unabhängiger Aufsichtsräte sowie deren Diversität ist in einigen Unternehmen noch verbesserungswürdig“, gibt Schmidt zu bedenken.
Fortschritte bescheinigt die DVFA Firmen aus MDax und SDax im Thema “Rechnungslegung und Abschlussprüfung“, während die Gesellschaften im Dax hier auf der Stelle traten. Vielfach sei dies zu erklären mit einer deutlich verbesserten Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftsprüfer und Prüfungsausschuss. Auch die zunehmende Bereitschaft, den Nachhaltigkeitsbericht einer „Prüfung mit angemessener Sicherheit“ zu unterziehen, habe zur besseren Bewertung beigetragen, erklärt Bannier. Im Dax hätten viele Gesellschaften dies aber bereits in den Vorjahren veranlasst.
Prüfer im Fokus
Mit Blick auf das nächste „Governance-Schuljahr“ signalisiert Schmidt, „wir werden uns in der kommenden Überarbeitung und Aktualisierung der Scorecard erneut die gesetzlich vorgegebenen Themen kritisch vornehmen und zum Beispiel die Fragen zur externen Rotation des Abschlussprüfers prüfen. Dadurch wollen wir auch den Anspruch der Scorecard als Qualitätsmessinstrument sicherstellen.“
Unternehmen in Dax, MDax und SDax machen nach einer Analyse des Investorenverbands DVFA Fortschritte in der Corporate Governance. Bessere Zeugnisse gibt es für die Themen "Aktionärsrechte und Hauptversammlung" sowie "Vorstandsvergütung". Klassenprimus im DVFA-Scoring 2023 bleibt Munich Re.