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Haftungsfalle Greenwashing

Die Prävention von rechtswidrigem Greenwashing ist eine wichtige Compliance-Aufgabe der Geschäftsleitung. Behörden und der europäische Gesetzgeber geben den Takt vor.

Haftungsfalle Greenwashing

Haftungsfalle Greenwashing

Prävention ist wichtige Compliance-Aufgabe der Geschäftsleitung – Behörden und europäischer Gesetzgeber geben den Takt vor

Von Sven H. Schneider und Malte Wundenberg *)

Die deutsche Finanzaufsicht (BaFin) zieht beim Kampf gegen rechtswidrige „Grünfärberei“ (neudeutsch Greenwashing) die Zügel an. Im Juli 2023 hat die Behörde ihre Sustainable-Finance-Strategie veröffentlicht. Als Schwerpunkt hat sich die BaFin auf die Fahnen geschrieben, rechtswidriges Greenwashing zu bekämpfen. Hierunter wird von der Aufsicht eine Praxis verstanden, bei der nachhaltigkeitsbezogene Informationen das Nachhaltigkeitsprofil eines Unternehmens oder eines Produkts nicht eindeutig und redlich widerspiegeln.

Greenwashing ist zweifelsohne nicht nur ein Thema der Finanzindustrie. Die Europäische Kommission hat jüngst einen Entwurf einer „Green-Claims-Richtlinie“ vorgelegt. Diese soll Verbraucherinnen und Verbrauchern Sicherheit verschaffen, dass etwas, das als umweltfreundlich verkauft wird, auch tatsächlich umweltfreundlich ist. Dem ging die Veröffentlichung einer EU-Studie voraus, wonach über 50% der geprüften Umweltaussagen in der EU als vage, irreführend oder unfundiert beurteilt wurden.

Pflicht zur Regeltreue

Sollte der Gesetzesentwurf umgesetzt werden, würden die Anforderungen an die nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegungen weiter verschärft. Bereits nach geltender Rechtslage können Unternehmen bzw. deren Geschäftsleiter sich unter verschiedenen Gesichtspunkten haftbar machen, wenn sich getätigte nachhaltigkeitsbezogene Angaben als unzutreffend herausstellen.

Für Manager von Unternehmen sind diese Entwicklungen von großer Bedeutung. Denn die Unternehmensführung ist nach allgemeinen Grundsätzen dazu verpflichtet, für Regeltreue (Compliance) im Unternehmen zu sorgen. Dies beinhaltet zwei Aspekte. Erstens müssen sich Geschäftsleiter selbst an geltendes Recht und Gesetz halten. Zweitens muss das Management das Unternehmen so organisieren, dass andere Organmitglieder oder Mitarbeiter nicht gegen rechtliche Vorschriften verstoßen. Besteht ein Verdacht von Fehlverhalten, muss dieses aufgeklärt und unverzüglich abgestellt werden. Anderenfalls droht der Unternehmensführung eine zivilrechtliche und unter Umständen auch strafrechtliche Haftung.

Die Compliance-Organisation muss im Lichte der vorgenannten Entwicklung auch darauf ausgerichtet sein, rechtswidriges Greenwashing zu verhindern. Das ist prinzipiell nicht neu, wirft für das Management allerdings verschiedene Herausforderungen auf, beispielsweise aus dem weiterhin ungebrochenen Regulierungseifer des europäischen Gesetzgebers. Gerade im Finanzsektor ist in den letzten Jahren ein regelrechter ESG-Regulierungstsunami hereingebrochen.

Green-Claims-Richtlinie

Dieser Trend setzt sich nun auch außerhalb des Finanzsektors fort. Als Beispiele können neben dem bereits angesprochenen Entwurf der Green-Claims-Richtlinie etwa die im Januar 2023 in Kraft getretene EU-Richtlinie über Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD-Richtlinie) sowie die Lieferketten-Gesetzgebung genannt werden. Es ist für die Marktteilnehmer eine nicht zu unterschätzende Aufgabe, relevante Entwicklungen im Blick zu behalten. Die Gesetzesvorgaben enthalten zudem zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe, die erst noch durch weitere Verordnungen und Rechtsprechung konkretisiert werden müssen.

Teil der ESG-Governance

Aus Managementperspektive besteht eine weitere Herausforderung darin, dass die Anforderungen an die nachhaltigkeitsbezogene Offenlegung verschiedene Funktionen im Unternehmen betreffen (etwa Investor Relations, Finanzberichterstattung, Recht, Compliance, Vertrieb, etc.) und damit unternehmensweiten Koordinationsbedarf auslösen.

Die Geschäftsleitung ist vor diesem Hintergrund gut beraten, die bestehenden Compliance-Strukturen dahingehend zu überprüfen, ob diese etwaige Greenwashing-Risiken hinreichend erfassen. Konzeptionell bilden die Vorkehrungen zur Greenwashing-Prävention einen Bestandteil der Prozesse zur Umsetzung der ESG(Environmental, Social, Governance)-Anforderungen im Unternehmen (sogenannte ESG-Governance).

Orientierungshilfen

Im Zusammenhang mit umweltbezogenen Angaben stellen sich hierbei etwa folgende Fragen: Wie kann prozedural sichergestellt werden, dass die für nachhaltigkeitsbezogene Aussagen herangezogenen Daten inhaltlich zutreffend und methodisch belastbar sind? Wie werden die Informationen innerhalb des Unternehmens systematisch gesammelt, validiert und zusammengeführt? Und welche Funktion im Unternehmen ist hierfür jeweils verantwortlich? Je nach Geschäftstätigkeit und Risikosituation sind verschiedene Organisationsmodelle denkbar. Orientierungshilfe können die Überlegungen von Standardsetzern und Verbänden liefern, wie beispielsweise das im Juni 2023 vom Deutschen Institut für Compliance (DICO) veröffentlichte Positionspapier zu ESG.

Unabhängig vom gewählten Organisationsmodell gilt: Die Geschäftsleitung trifft die Gesamtverantwortung für die Implementierung der ESG-Anforderungen und damit auch für die Greenwashing-Prävention. Das Management kann die hiermit verbundenen Aufgaben selbstverständlich nicht alle persönlich wahrnehmen. Vielmehr muss die Geschäftsleitung sicherstellen, dass die Aufgaben sachgerecht an geeignete Stellen delegiert werden und die Verantwortlichkeiten klar dokumentiert sind.

Behördenfeste Dokumentation

Eine besondere Bedeutung dürfte in diesem Zusammenhang der „behördenfesten“ Dokumentation des Datenmanagements zukommen. Diese sollte sich sowohl auf die Datenbasis beziehen, auf deren Grundlage ESG-bezogene Aussagen getroffen werden, als auch auf die zur Validierung dieser Daten getroffenen Maßnahmen. Die Informationen sollten auch noch nach Jahren rekonstruierbar sein, wenn entsprechende Mitarbeiter das Unternehmen möglicherweise bereits verlassen haben. Weitere Maßnahmen zur Risikoreduzierung beinhalten klassische Compliance-Instrumente wie beispielsweise Mitarbeiterschulungen, die Durchführung von Stichprobenkontrollen sowie die Einrichtung von Hinweisgebersystemen.

Legalitätspflicht

Auch die ausgeklügeltste Compliance-Organisation kann Verletzungen gegen nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungsanforderungen naturgemäß nicht vollständig verhindern und Greenwashing-Vorwürfe können aus unterschiedlichen Kanälen erhoben werden.

Denkbar ist etwa, dass relevante Sachverhalte von internen Stellen, etwa Hinweisgebern, gemeldet oder diese im Rahmen von Prüfungen der internen Kontrollfunktionen (Compliance, Interne Revision) identifiziert werden. In jüngerer Zeit wurden Unternehmen zudem mit Greenwashing-Vorwürfen konfrontiert, die von externen Stakeholdern wie beispielsweise Umweltbehörden oder Verbraucherschutzorganisationen vorgebracht wurden.

Wie soll das Management dann mit entsprechenden Vorwürfen umgehen? Aus der eingangs erwähnten Legalitätspflicht der Geschäftsleitung ergibt sich, dass Vorwürfe aufgeklärt werden müssen. Erfahrungsgemäß sind die Sachverhalte oft komplex. Entsprechend aufwändig kann die Sachverhaltsermittlung sein. Wichtig ist in solchen Fällen, dass die Geschäftsleitung frühzeitig angemessene Datensicherungsmaßnahmen einleitet. Diese müssen sicherstellen, dass potenziell für die Aufklärung relevante Daten nicht gelöscht oder verändert werden.

Governance spielt große Rolle

Auch die Governance der jeweiligen Untersuchung ist von großer Bedeutung. Die Organisation sollte allgemein so ausgestaltet sein, dass sie einer „Untersuchung der Untersuchung“ durch interne Einheiten (beispielsweise dem Aufsichtsrat oder einem Sonderprüfer der Hauptversammlung) bzw. externe Dritte (etwa Behörden oder Abschlussprüfer) standhält. Dafür sollten typischerweise Vorkehrungen getroffen werden, die eine hinreichende Unabhängigkeit der wesentlichen Akteure gewährleisten.

Zudem sollten die jeweiligen Zuständigkeiten möglichst klar dokumentiert sein.
Bei entsprechender Ausgestaltung der Organisation reduziert sich so das Risiko, dass Geschäftsleiter für etwaige Verstöße in Anspruch genommen werden. Zudem können die beschriebenen Vorkehrungen dazu beitragen, etwaige Defizite in der nachhaltigkeitsbezogenen Kommunikation intern aufzudecken und abzustellen.

*) Dr. Sven H. Schneider ist Partner und Dr. Malte Wundenberg Counsel von Hengeler Mueller in Frankfurt.

Dr. Sven H. Schneider ist Partner und Dr. Malte Wundenberg Counsel von Hengeler Mueller in Frankfurt.

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