Unterm StrichKlima-Kompensationsgeschäfte

Luftschlösser der CO2-Einsparung

Mit den freiwilligen CO2-Zertifikaten für Klima-Kompensationsgeschäfte wird weltweit viel Schindluder getrieben. Besser wäre es, die Reduzierung von Treibhausgasen mit staatlichen Emissionszertifikaten voranzutreiben.   

Luftschlösser der CO2-Einsparung

Luftschlösser der CO2-Einsparung

Von Claus Döring

Mit den freiwilligen CO2-Zertifikaten für Klima-Kompensationsgeschäfte wird weltweit viel Schindluder getrieben. Besser wäre es, die Reduzierung von Treibhausgasen mit staatlichen Emissionszertifikaten voranzutreiben.     

Wer will schon als Klimasünder gelten? Immer mehr Unternehmen verpflichten sich deshalb zur CO2-Neutralität ab einem gewissen Datum – ab 2030, 2040 oder 2050. Schon jetzt ist die Klimaneutralität für international tätige Konzerne ein wichtiges Ziel. Nicht nur werden sie regelmäßig von Aktivisten vor Werkstoren und Bürotürmen, sondern zunehmend auch von Investoren in Hauptversammlungen oder Kapitalmarkttagen dafür in die Pflicht genommen. Auch die Kunden dieser Unternehmen werden eingeladen, ihren Beitrag zu leisten. Freiwillig. Beispielsweise beim Kauf eines Flugtickets, worauf ich jüngst beim Buchen meines Urlaubs wieder aufmerksam gemacht wurde. Für einen Aufpreis darf ich mein Klimasündergewissen beruhigen und den Flug jetzt als klimaneutral betrachten, obwohl das Flugzeug selbst natürlich nicht weniger Treibhausgase ausstößt als ohne diesen Obolus. Der gezahlte Mehrpreis wird in Kompensationsgeschäfte gesteckt, damit an anderer Stelle in der Welt das Äquivalent an CO2-Ausstoß eingespart beziehungsweise vermieden wird. Denn dem Klima ist es ja egal, wo auf der Erde Treibhausgase eingespart werden. Meist geschieht dies durch Aufforsten von Wäldern und mehr noch durch Verhindern von Abholzung. Da der einzelne Verbraucher und Kunde eher selten zu solchen Kompensationszahlungen aufgefordert werden kann, leisten in der Regel die Unternehmen pauschal, indem sie freiwillig CO2-Zertifikate kaufen, die mit dem eigenen Treibhausgasausstoß verrechnet werden – und unterm Strich natürlich in die Kostenkalkulation und damit Preise einfließen.

So weit, so gut, auf dem Papier. Leider wird aber mit den freiwilligen CO2-Zertifikaten für internationale Konzerne enormes Schindluder getrieben. Die meisten dieser Zertifikate sind manipuliert und versprechen CO2-Einsparungen in Höhe von zig Millionen Tonnen, die es gar nicht gibt. Das haben Recherchen eines Forschungsteams und von Journalistenkollegen ergeben, die ihre ernüchternden Erkenntnisse Anfang des Jahres in einem lesenswerten Artikel mit dem Thema „Der Klima-Betrug“ in der Wochenzeitung "Zeit" veröffentlicht haben. Dieser Beitrag über den milliardenschweren Markt mit Klimakompensationszertifikaten, den eine US-amerikanische NGO namens Verra dominiert und manipuliert, wurde inzwischen mit dem Deutschen Journalistenpreis ausgezeichnet.  

Dass bei Kompensationsgeschäften, die rein privat überwacht und zertifiziert werden, die Missbrauchsgefahr hoch ist, liegt auf der Hand. Zumal diese Art modernen Ablasshandels meist von fiktiven Emissionen in der Zukunft ausgeht, die durch den Kauf der Zertifikate vermeintlich verhindert werden. Einfach ausgedrückt: Große Waldbesitzer insbesondere in der Dritten Welt lassen sich dafür bezahlen, dass sie Waldgebiete nicht abholzen, obwohl sie keine Pläne oder eine wirtschaftliche Grundlage zum Abholzen hatten.     

Die recherchierten Beispiele zeigen eindrucksvoll, dass Märkte sich nicht selbst regulieren, sondern eine ordnende Hand brauchen. Im Fall von CO2-Zertifikaten ist das europäische Emissionshandelssystem ETS ein gutes Beispiel und Vorbild. Dort gibt die EU-Kommission das Ziel der CO2-Einsparung vor, also eine politisch gewollte Mengenbegrenzung, und verteilt oder verkauft limitierte Verschmutzungsrechte. Und der Markt regelt über den Handel dieser Emissionszertifikate, wie man am effizientesten zum Klimaziel gelangt. Die Treibhausgase werden dann dort eingespart, wo der Effekt am größten und die dafür nötigen Mittel am niedrigsten sind. Dieses System sollte zum Vorbild werden für alle Sektoren der EU-Volkswirtschaft. Und darüber hinaus auch für die Entwicklungsländer, um sie nicht zum Spielfeld dubioser Kompensationsgeschäfte privater Organisationen beziehungsweise NGO werden zu lassen.        

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