Naming und Shaming
Naming und Shaming
Von Claus Döring
Schlechte Corporate Governance wird vom Kapitalmarkt nicht immer sanktioniert. Naming und Shaming sind nötig. Die Kodex-Kommission sollte sichtbarer und lauter werden.
Lohnt sich gute Governance? Als „proof of the pudding“ gilt seit jeher die Börsenbewertung. Unternehmen mit guter Governance würden am Kapitalmarkt mit höherer Bewertung belohnt, Unternehmen mit schlechter Governance mit Abschlag bestraft, so das Narrativ von Corporate-Governance-Experten, von Wissenschaftlern und institutionellen Investoren. Eine Vielzahl empirischer Untersuchungen scheint ihnen recht zu geben und auch ein schneller Faktencheck, wenn man beispielsweise die Kurs-Gewinn-Verhältnisse der Dax-40-Unternehmen betrachtet. Schlusslichter sind mit 2,72 Porsche Automobil und mit 3,54 Volkswagen. Und, oh Wunder: Beide Unternehmen tragen auch die rote Laterne in zahlreichen Corporate-Governance-Ratings, unter anderem auch in jenem von Union Investment, in dem auf Basis von 124 gewichteten Kriterien die Governance-Noten vergeben werden (vgl. BZ vom 29. März).
Und was sind die Konsequenzen? Keine. Volkswagen scheint prima damit zu leben, dass es alljährlich als Schmuddelkind der Governance gescholten wird, in den Ratings wie auch in Reden der Aktionäre in der Hauptversammlung. Pflichtschuldig teilt VW alljährlich die zahlreichen Abweichungen vom Deutschen Corporate Governance Kodex mit und das war´s dann. Was nicht passt, wird passend gemacht. Beispielsweise wird Hans Dieter Pötsch, der seit 2015 als VW-Aufsichtsratsvorsitzender faktisch Majordomus der Eigentümerfamilien Piëch und Porsche im Konzern ist, einfach als unabhängig definiert, um den Kodexanforderungen zu entsprechen. Bei anderen Kodexverstößen, wie der Doppelrolle von Oliver Blume als CEO der beiden Dax-Unternehmen VW und Porsche, macht man sich gar nicht erst die Mühe der Beschönigung.
Schadet die unterirdische Börsenbewertung? Nicht wirklich. Denn weder VW noch Porsche planen eine Eigenkapitalerhöhung über die Börse, bei der ein so niedriges KGV den Finanzierungsspielraum einschränken beziehungsweise das Eigenkapital stark verteuern würde. Und Furcht vor aktivistischen Aktionären oder vor feindlichen Übernahmen angesichts niedriger Börsenbewertungen müssen beide Dax-Werte angesichts ihrer Aktionärsstruktur ebenfalls nicht haben.
Muss man also in Anlehnung an Hermann Josef Abs und die Frage nach dem Unterschied zwischen Hundehütte und Aufsichtsrat beziehungsweise Governance-Kodex konstatieren: Die Hundehütte ist für den Hund und der Governance-Kodex ist für die Katz? Rein juristisch betrachtet ist das leider so. Verstöße gegen die Entsprechenserklärung nach § 161 AktG bleiben ohne rechtliche Folgen, auch der Bundesgerichtshof setzt auf die Sanktionskraft des Kapitalmarkts. Doch gegen den heißen Atem des Kapitalmarktes hilft sprichwörtlich ein dickes Fell. Sei es bei den Familienunternehmen Volkswagen und Porsche, sei es bei Tesla, wo angesichts eines KGV von 92 auch die These des Bewertungsabschlags für schlechte Governance in dem von Elon Musk geführten Konzern mit einem großen Fragezeichen zu versehen ist.
Naming und Shaming, jene auch von der Finanzaufsicht BaFin gezielt praktizierte Form des Kapitalmarktprangers zur Verbesserung der Finanzmarktintegrität, wird bei der Durchsetzung guter Governance nur dann fruchten, wenn alle Stakeholder erreicht werden. Hier anzusetzen und öffentlichen Druck aufzubauen, um Governance-Sünder zu läutern, sollte sich die Kodex-Kommission stärker auf die Fahne schreiben. Es reicht nicht, Governance-Regeln aufzustellen und sich in immer feineren Ziselierungen zu verlieren. Dort, wo Sanktionen des Kapitalmarkts nicht greifen, sollte gute Corporate Governance öffentlichkeitswirksam eingefordert werden. Nicht zuletzt auch von der Kodex-Kommission selbst. Doch zu mehr als zwei Mitteilungen in eigener Sache über neue Mitglieder hat es die Regierungskommission in diesem Jahr noch nicht gebracht.