LeitartikelESMA-Leitlinien für nachhaltige Fonds

Viele Buchstaben, wenig Durchblick

Die ESMA veröffentlicht Regeln zu ESG-Fondsnamen, um Greenwashing zu verhindern. Die Leitlinien sind gut gemeint, aber ein grünes Bürokratiemonster.

Viele Buchstaben, wenig Durchblick

ESG-Fondsnamen

Viele Buchstaben, wenig Durchblick

Es ist fraglich, ob durch die strengen Vorgaben der ESMA für Fonds­namen die Anleger besser geschützt werden.

Von Wolf Brandes

Ach, das waren schöne Zeiten. Als es gerade mal ein Dutzend grüne Fonds gab, mit Namen wie „Hypo Umweltfonds“ oder „Activest Eco Tech“. Bald 30 Jahre ist es her, dass die Stiftung Warentest das damals überschaubare Segment von ESG-Investments unter die Lupe nahm. Von ESG-Regulierung war nichts zu spüren, doch es gab schon Greenwashing – nur dass das damals nicht so genannt wurde: In einem Fonds fand sich ein Waffenhersteller.

Kraft der Namen

Heute sind aus einem Dutzend ESG-Fonds Hunderte, wenn nicht Tausende Produkte geworden, die sich entweder mit einem entsprechenden Begriff im Namen schmücken oder eine nachhaltige Anlagestrategie verfolgen. Hier geht es jetzt um den Namen: Ist das, was draufsteht, auch drin? Bei Begriffen wie Ökologie, Umwelt, Klima, Nachhaltigkeit, Transformation, Sustainability ist das gar nicht so einfach. Man muss ja wissen, was damit gemeint ist. Dieser schweren Aufgabe hat sich die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) angenommen. Mitte Mai wurden die finalen Leitlinien veröffentlicht. Die ESMA geht davon aus, dass Fondsnamen Auswirkungen auf Anlageentscheidungen haben. Die neuen Regeln werden drei Monate nach Veröffentlichung ihrer Übersetzungen in Kraft treten.

Jetzt wird es inhaltlich

Im Detail geht es darum: Die ESMA sieht eine große Bedeutung in den Namen. Nach längerer Vorarbeit hat sie Mitte Mai die finalen Leitlinien zu ESG- oder nachhaltigkeitsbezogenen Begriffen in Fondsnamen veröffentlicht, die Anleger vor Greenwashing schützen sollen. Die Guidelines wollen der Gefahr des Greenwashings durch irreführende Fondsnamen entgegenwirken. Tatsächlich entpuppen sich die Leitlinien als strenge Vorgaben. Während es bei der Offenlegungsverordnung um Transparenz ging, geht es jetzt um inhaltlichen Nachhaltigkeitsanforderungen.

Im Ausgangspunkt unterscheiden die Leitlinien zwischen sechs Kategorien: „E“, „S“ und „G“ (Environmental, Social, Governance), außerdem „I“ (Impact), „Su“ (Sustainable) und „T“ (Transition). Diese Kategorien umfassen auch die Wortfamilie und ähnliche Begriffe, also etwa bei „E“ für Umwelt auch beispielsweise „Klimawandel“ oder einfach „grün“. Und jetzt wird es kompliziert. Für Fonds, die zum Beispiel „T“-, „So“- oder „G“-Wörter im Namen haben, heißt es: Soweit sie nach Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordnung berichten, müssen mindestens 80% der Anlagen mit einer ökologischen oder sozialen Anlagestrategie übereinstimmen. Bei Artikel 9 müssen 80% oder mehr in Übereinstimmung mit Anlagen stehen, die nachhaltige Ziele erfüllen.

Kumulative Bedingungen

Noch ein Beispiel? „E“- und „I“-Produkte müssen die Paris-aligned Benchmark (PAB) beachten, wonach der Investitionen in fossile Brennstoffe weitgehend ausgeschlossen sind. Schließlich gibt es erweiterte Regeln für „Su“-Fonds und „T“- oder „I“-Fonds. Letztere müssen sicherstellen, dass ihre Investments entweder auf einem Pfad zum sozialen oder ökologischen Wandel sind oder eine positive und messbare soziale oder ökologische Wirkung erzielen. Klar ist, dass Fonds aus mehreren Gruppen alle Bedingungen kumulativ erfüllen müssen. Außerdem gibt es einige Ausnahmen.

Wenn man systematisch vorgeht, wird es kompliziert. Die neue Verordnung ist sicher gut gemeint. Und vielleicht ist sie auch gut gemacht, handwerklich gesehen. Die Frage ist aber, ob sie der Sache dient. Es geht darum, Anleger zu schützen und einheitliche Regeln zu geben. Bei so viel Komplexität muss bezweifelt werden, ob das Regelwerk der Sache dient. Der Bereich Nachhaltigkeit zeichnete sich immer durch Buchstabenkombinationen und Abkürzungen aus. In den neuen Regeln findet sich alles wieder.

Unlauterer Wettbewerb

Fraglich, ob strenge Vorgaben mehr Kapital in nachhaltige Investments lenken und die Anleger schützen. Verbraucherschutz gibt es schon jetzt durch das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Erst kürzlich hat die Wettbewerbszentrale die Katjes-Werbung mit Klimaneutralität als irreführend abgemahnt und vor dem Bundesgerichtshof recht bekommen. Was für Fruchtgummi gilt, sollte auch für Fonds Bestand haben.