GastbeitragESG

Übergangsregeln zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in internationalen Konzernen

Ab Anfang 2024 gelten neue Regeln der EU für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen. Unter bestimmten Voraussetzungen erfassen die Vorgaben auch Konzerne aus Drittstaaten.

Übergangsregeln zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in internationalen Konzernen

Übergangsregeln für Nachhaltigkeitsberichte

Auswirkungen auf Nicht-EU-Konzerne – Vorübergehende Wahlmöglichkeit des Konsolidierungsansatzes – Konkrete Kosten-Nutzen-Abwägung erforderlich

Von Henning Bloss und Björn Schneider *)

Mit der am 5. Januar 2023 in Kraft getretenen und in die EU-Bilanzrichtlinie integrierten EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) haben sich die Anforderungen in der nichtfinanziellen Berichterstattungspflicht von Unternehmen, die seit 2014 nach der EU Non-Financial Reporting Directive (NFRD) und in Deutschland gemäß den §§ 289b-289e, 315b-315c Handelsgesetzbuch (HGB) gelten, deutlich erhöht. Die neuen Regelungen gelten für Geschäftsjahre beginnend ab dem 1. Januar 2024 zunächst für einen eingeschränkten Kreis von Unternehmen, der daraufhin sukzessive erweitert wird und zahlreiche, insbesondere mittelständisch geprägte Unternehmen betreffen wird, die bisher keinerlei Erfahrung mit einer Nachhaltigkeitsberichterstattung sammeln konnten.

Zahlreiche Kritikpunkte

Die CSRD und ihre zuletzt durch die EU-Kommission erlassenen Umsetzungsstandards (ESRS) sind von Beginn an Gegenstand umfassender Diskussionen gewesen, die noch andauern. Aus Unternehmenssicht werden vor allem folgende Bereiche als besonders kritisch angesehen: (i) der weite Anwendungsbereich der CSRD, der – zeitlich gestaffelt – künftig auch große, nicht kapitalmarktorientierte Gesellschaften erfassen und die Anzahl der erfassten Unternehmen im Vergleich zur bisherigen Rechtslage nahezu verfünffachen wird, (ii) der Detaillierungs- und Standardisierungsgrad insbesondere der ESRS, der im Interesse besserer Vergleichbarkeit aus Shareholder- und Stakeholder-Perspektive auch inhaltlich eine ganz erhebliche Verschärfung der nichtfinanziellen Berichtspflichten mit sich bringen wird, (iii) konkrete Berichtsinhalte, die – vor allem in der Zusammenschau mit weiteren Informationen – zu einer Offenlegung auch sensibler, wettbewerbsrelevanter Informationen führen könnten (wobei der im Juli 2023 veröffentlichte Umsetzungsstandard ESRS 1 nach massivem Druck aus der Wirtschaft dieses Problem jedenfalls partiell adressiert), (iv) die obligatorische Einbeziehung der Inhalte der nichtfinanziellen Berichterstattung in die Abschlussprüfung sowie das BaFin-Enforcement-Verfahren, von der man sich ein deutlich höheres Maß an Rechtsdurchsetzung verspricht, (v) die Abkehr vom bisher geltenden Comply-or-Explain-Prinzip und vor diesem Hintergrund bis (vi) hin zu der Frage, wie sich die CSRD-Berichtspflichten zur Selbstbelastungsfreiheit verhalten.

Konkurrierende Standards

Unabhängig davon, inwieweit diese Einwände der Praxis berechtigt sind, ist klar, dass sich die EU mit dem neuen Regulierungsansatz erhofft, dass sich die Berichtspflichten nach der CSRD und ihren Umsetzungsstandards ESRS zum globalen Standard entwickeln werden. Ob das gelingt, ist zweifelhaft – weder die USA noch das neue Standardsetzungsgremium International Sustainability Standards Board (ISSB) mit Sitz in Frankfurt am Main folgt dem Ansatz der EU mit dem Prinzip der sogenannten doppelten Wesentlichkeit (Outside-in- und Inside-out-Perspektive).

Vor diesem Hintergrund ist von besonderem Interesse, dass die neuen EU-Regelungen unter bestimmten Voraussetzungen auch Drittstaatenunternehmen erfassen. Und so werden zum einen Nicht-EU-Unternehmen erfasst, die an einem geregelten Markt in der EU notiert sind.

Vollkonsolidierungspflicht

Darüber hinaus auch solche Nicht-EU-Unternehmen, die in substanziellem Ausmaß Wirtschaftstätigkeiten in der EU entfalten, d. h. mindestens 150 Mill. Euro Nettoumsatzerlöse innerhalb der EU in den letzten beiden Geschäftsjahren erzielt haben und entweder (i) ein der CSRD unterliegendes Tochterunternehmen innerhalb der EU oder (ii) eine Zweigniederlassung innerhalb der EU haben, die im vorangegangenen Geschäftsjahr Nettoumsatzerlöse von mindestens 40 Mill. Euro erzielte.

Weniger im Blickfeld der Diskussion ist bislang, dass auch internationale Konzerne erfasst werden, denen in der EU ansässige Unternehmen angehören, deren Konzernspitze ihren Sitz allerdings außerhalb der EU hat. Art. 29a Abs. 8 i.V. m. Art. 40a der Bilanzrichtlinie in der Fassung der CSRD sieht für derlei Fälle zwingend vor, dass die Nicht-EU-Konzernmutter einen konsolidierten nichtfinanziellen Bericht für die gesamte Gruppe zu erstellen hat – und zwar mit befreiender Wirkung für alle EU-Tochterunternehmen. Diese Vollkonsolidierungspflicht auf Ebene der Nicht-EU-Konzernmutter gilt allerdings erst für nach dem 6. Januar 2030 zu veröffentlichende Berichte (Art. 48i Bilanzrichtlinie in der Fassung der CSRD).

Drei Optionen

Für bis zu im Jahre 2029 zu veröffentlichende Berichte haben Konzernunternehmen, je nach konkreter Ausgestaltung des Konzerns, die Wahl zwischen drei Optionen: (i) Erstellung des konsolidierten nichtfinanziellen Berichts durch eine EU-Tochtergesellschaft mit befreiender Wirkung für alle anderen gruppenzugehörigen EU-Unternehmen (und zwar auch für Schwestergesellschaften und deren Tochtergesellschaften, die in die Konsolidierung mit aufzunehmen sind); (ii) Separierung der nichtfinanziellen Berichte aller EU-Tochtergesellschaften, die keine gemeinsame in der EU ansässige Muttergesellschaft haben; oder (iii) Vollkonsolidierung auf Ebene der Mutter außerhalb der EU (in Vorgriff auf ab dem 6. Januar 2030 zu veröffentlichende Berichte).

Welche dieser Möglichkeiten im Einzelfall vorzugswürdig ist, muss für jede Unternehmensgruppe im Rahmen einer konkreten Analyse der Vor- und Nachteile ermittelt werden, wobei im Rahmen der Abwägung insbesondere die folgenden Aspekte zu berücksichtigen sind: Eine sofortige globale Vollkonsolidierung führt zu Effizienzgewinnen und vermeidet, dass zunächst für einen Übergangszeitraum Prozesse implementiert werden müssen, die spätestens für ab 2030 zu veröffentlichende Berichte wieder umzustellen sind. Eine Vollkonsolidierung bietet sich insbesondere an, wenn ESG-Compliance-Prozesse bereits global einheitlich gesteuert werden und die Konzernspitze auf freiwilliger Basis bereits umfangreiche Berichtspflichten erfüllt.

Unerprobte Vorgaben

Dagegen kann die Konzernmutter ein besonderes Interesse daran haben, bestimmte Informationen, die im Rahmen einer globalen Vollkonsolidierung Teil der Berichtspflicht wären, bis auf weiteres nicht im Konzernbericht veröffentlichen zu müssen. Zudem werden die neuen CSRD-Berichtspflichten (mit all ihren fortbestehenden Unklarheiten) nicht allen Konzernen in gleichem Maße praktisch zugänglich sein; das gilt insbesondere dann, wenn die europäischen Tochtergesellschaften mangels Kapitalmarktorientierung bisher überhaupt nicht zur nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet waren.

Schließlich werden mit der Anwendung der neuen, unerprobten – und oftmals noch unklaren – Regeln gewisse Sanktions- und Haftungsrisiken einhergehen, deren Auswirkung durchaus offen ist. Daher mag es im Einzelfall durchaus vorzugswürdig sein, die Übergangszeit bis zur Vollkonsolidierung für Veröffentlichungen ab 2030 zu nutzen, um zunächst Erfahrungen auf EU-Tochterebene zu sammeln, (Haftungs-)Risiken entsprechend abzuschotten und schließlich besser vorbereitet in die obligatorische Berichtspflicht auf globaler Ebene zu starten.

Keine Nutzung anderer Standards

Dagegen wird es Konzernmüttern aus Drittstaaten nicht möglich sein, anstelle der CSRD und der ESRS auf die Standards des in Frankfurt am Main ansässigen International Sustainability Standards Board (ISSB) auszuweichen. Zwar erlaubt Art. 40a Abs. 2 der Bilanzrichtlinie in der Fassung der CSRD Muttergesellschaften aus Drittstaaten, ihren konsolidierten nichtfinanziellen Bericht nach anderen Standards zu erstellen, sofern diese den Gleichwertigkeitskriterien der EU der Transparenzrichtlinie genügen. Allerdings dürften die ISSB-Standards – anders als die IFRS – als Substitut wohl nicht in Frage kommen, da ihnen der staatliche Rechtscharakter fehlt und sie nicht dem maßgeblichen Grundprinzip nach der CSRD und den ESRS, der doppelten Wesentlichkeit, entsprechen.

Ob dies auch für andere internationale ESG-Reporting-Standards (etwa Standards der US-Finanzaufsicht SEC) gilt, bleibt abzuwarten. Die bisherige internationale Rezeption der CSRD sowie der ESRS lässt annehmen, dass das zentrale Konzept der doppelten Wesentlichkeit hier eine zu hohe Hürde einzieht.

Möglich wäre aber auch eine vereinzelte Anerkennung der anderen internationalen Standards durch die EU. Dies hätte dann allerdings eine nicht unproblematische gemischte Anwendung der CSRD/ESRS und Nicht-EU-Standards zur Folge. Die weitere Entwicklung bleibt daher abzuwarten.


*) Dr. Henning Bloss ist Partner und Dr. Björn Schneider Associate der Kanzlei Covington & Burling.

Dr. Henning Bloss ist Partner und Dr. Björn Schneider Associate der Kanzlei Covington & Burling.

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