"Umweltpolitik ist nicht unsere Aufgabe"
IM GESPRÄCH: Rupert Schaefer
"Umweltpolitik ist nicht unsere Aufgabe"
Für Transformation zuständiger BaFin-Exekutivdirektor über den Umbau, ESG-Strategie und seine Erwartungen an die Banken
Von Tobias Fischer, Bonn
Früher hätte er sich vorstellen können, mal Architekt zu werden. In gewisser Weise ist Rupert Schaefer einer geworden – in der Bankenaufsicht. Beim Exekutivdirektor der BaFin für den Geschäftsbereich Strategie, Policy und Steuerung laufen die Fäden zusammen, wenn es um den Umbau der Behörde im Gefolge des Wirecard-Skandals geht. „Wir sind der Schrittmacher der Transformation und des Kulturwandels“, beschreibt Schaefer das Selbstverständnis der neuen Einheit.
Das Wichtige sei, dass die Modernisierung von innen heraus gestaltet und nicht durch externe Berater übergestülpt werde. „Die Transformation ist somit als Daueraufgabe zu sehen, die nicht einfach stoppt.“ Und der 43-Jährige ist derjenige, der den Prozess überschaut. Erst vor Kurzem hat er sein Büro am neuen Standort der Behörde in der Justus-von-Liebig-Straße in Bonn bezogen. Der Neubau bietet 450 Beschäftigten Platz.
Der Geschäftsbereich selbst steht für die Umbrüche, welche die Behörde erfasst haben, nachdem das Bundesfinanzministerium vor zweieinhalb Jahren den Neuanfang ausrief. Er wurde im April 2022 eigens neu geschaffen, das Direktorium auf sechs Personen erweitert. Bis zu Schaefers Wechsel von der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma zur BaFin im November führte übergangsweise Silke Deppmeyer die Geschäfte, die mittlerweile als Exekutivdirektorin Innere Verwaltung agiert.
Mit Branson bei der Finma
Personelle Wechsel wie diese, zuvorderst aber der Antritt von Mark Branson als Präsident im August 2021, sowie strukturelle Reformen und ein angestrebter Kulturwandel prägen und verändern die BaFin seitdem. Branson ist Schaefer dabei bestens aus gemeinsamen Zeiten bei der Finma vertraut, von 2010 bis 2021 waren sie zugleich in Bern tätig.
Exekutivdirektor Schaefer hat Bereiche übernommen, die zuvor beim Präsidenten angesiedelt waren, und verantwortet auch neu geschaffene wie die Data Intelligence Unit, die zentrale Analytics-Einheit, oder die Stabsstelle „Koordination Fokusaufsicht und Taskforce“. Während sich die Fokusaufsicht jenen Banken, Versicherungen, Zahlungsdienstleistern und Fondsgesellschaften mit sehr komplexem Geschäftsmodell und hohen Risiken annimmt, gilt die Taskforce als eine Art schnelle Eingreiftruppe, die im Fall des Falles Institute vor Ort prüfen soll.
Die Stabsstelle Transformationsmanagement wiederum soll die eigentliche Modernisierung und den Kulturwandel der Behörde vorantreiben, aber mit kritischem Blick auf die Prozesse auch organisatorische Verbesserungen.
Behördeninterner Thinktank
Des Weiteren sind seinem Geschäftsbereich Rechtsabteilung, Kommunikation, Internationales und schließlich das Themenfeld Nachhaltigkeit zugeordnet. „Es ergibt Sinn, eine zentrale Einheit zu haben, welche eine Thinktank-Perspektive einnimmt und eine übergreifende Policy vertritt, die bewusst über einzelne Sektoren hinausgeht“, umreißt Schaefer die strategischen Aufgaben des Geschäftsbereichs. Mit der Transformation des Hauses gehe es voran, sagt er. Viel sei erreicht worden, gleichwohl noch viel zu tun – wohl am meisten in Sachen Digitalisierung, Big Data und künstlicher Intelligenz (KI). Die Beschwerlichkeit der Aufgabe schmälert nicht den hohen Anspruch: „Wir wollen Vorreiter in Sachen Digitalisierung sein“, gibt Schaefer als Ziel aus. Schließlich habe die Tätigkeit der Behörde sehr viel mit Daten und deren Analyse zu tun, und verschiedene Bereiche seien standardisierbar und digitalisierbar. „Dort setzen wir Schwerpunkte.“
„Wir wollen Vorreiter in Sachen Digitalisierung sein.“
Dabei stelle sich die Frage, wie die gesammelten Daten genutzt werden sollen. „Wo helfen sie uns, wo drohen sie reiner Selbstzweck zu werden? Für wenig sinnvoll halten wir große Datentöpfe, die bei uns schlummern“, sagt Schaefer.
Der Data Intelligence Unit kommt in dem Zusammenhang die Aufgabe zu, mit quantitativen Analyseinstrumenten große Datenmengen zu analysieren und auszuwerten. Die Einheit experimentiert dabei auch mit KI. „Nicht alles wird am Ende funktionieren oder übernommen werden“, bekundet Schaefer. Wichtig sei aber, sich aktiv damit auseinanderzusetzen.
Zentrum Sustainable Finance
Die BaFin hat Nachhaltigkeit als eines von zehn einander gleichgestellten Mittelfristzielen definiert, die bis 2025 ihr Handeln bestimmen. Anfang Juli hat die Behörde eine Sustainable-Finance-Strategie vorgelegt, die Schaefers Handschrift trägt. Erarbeitet hat sie das sechsköpfige Team des „Zentrums Sustainable Finance“, das ihm unterstellt ist, im Zusammenspiel mit den Fachstellen im Haus. Darin sagt die BaFin Greenwashing den Kampf an und fordert von den beaufsichtigten Instituten für Nachhaltigkeitsrisiken ein angemessenes Risikomanagement. „Nicht alles in der Strategie ist neu, wir schaffen damit aber Klarheit und setzen Akzente“, kommentiert Schaefer das Strategiepapier.
Darin betont die BaFin auch ihr Credo, dass grüne Kredite und Anlagen nicht per se risikoärmer seien. Anders als Vertreter der Europäischen Zentralbank (EZB) und manche Politiker hat sie klargestellt, dass Sonderbehandlungen wie durch einen Green Supporting Factor oder einen Brown Penalising Factor, also die Belohnung grüner Finanzierungen mit Entlastungen in der Eigenkapitalunterlegung bzw. die entsprechende Bestrafung brauner Finanzierungen, ihres Erachtens nicht wünschenswert sind.
„Ein sehr wichtiges Grundprinzip unserer Arbeit ist, ein Policy-Ziel nur mit einem Instrument zu verfolgen und nicht ein Instrument für zwei Ziele zu verwenden“, sagt Schaefer. Wolle man sicherstellen, dass Banken Risiken richtig managen und über ausreichende Kapitalpuffer verfügen, dann sollten seiner Ansicht nach nicht noch Umweltziele hinzukommen wie über die nichtrisikogerechte Intencivierung grüner Kredite. „Für unser gesetzliches Mandat möchten wir das klare Signal senden: Umweltpolitik ist nicht unsere Aufgabe.“
Selbst wenn sich, wie manche dies tun, argumentieren ließe, dass der Bekämpfung der Klimakrise alles andere unterzuordnen sei, so existieren seiner Auffassung nach bessere Instrumente, für die es auch die demokratische Legitimation gebe. „Wir hingegen verfügen nicht über das Mandat, die Expertise und die Legitimation für umweltpolitische Steuerungsmaßnahmen. Sonst drohen wir auf eine schiefe Ebene zu geraten“, gibt Schaefer zu bedenken.
Wie auch in der Sustainable-Finance-Strategie verfasst, behandelt die Finanzaufsicht ESG-Risiken nicht als eigenständige Risikokategorie, sondern entsprechend klassischer Risiken wie beispielsweise Kredit-, Liquiditäts- oder operationelles Risiko. Allerdings erkennt die BaFin an, dass Nachhaltigkeitsrisiken spezielle Herausforderungen für das Risikomanagement bergen und nicht in Gänze geklärt ist, wie sie in etablierte Risikokategorien übertragen werden können. Grundsätzlich gelte aber: „Unangemessenes Risikomanagement ist immer ein Grund einzuschreiten.“
Risikomanagement verbessern
Bezüglich des ESG-Risikomanagements hat die BaFin eine Botschaft an die Banken: „Wir erwarten nicht aus dem Stand perfekte Lösungen. Vor allem wollen wir keine Einheitslösung vorgeben, wie Risikomanagement im Bereich ESG zu bewerkstelligen ist.“ Verschiedene Ansätze seien möglich, anders als etwa bei klassischen Kreditrisiken, bei denen sich eine klare Best Practice etabliert habe. „Was wir jedoch einfordern, ist die kontinuierliche Beschäftigung mit und Verbesserung im Risikomanagement.“
„Wir erwarten nicht aus dem Stand perfekte Lösungen. Vor allem wollen wir keine Einheitslösung vorgeben, wie Risikomanagement im Bereich ESG zu bewerkstelligen ist.“
Anstatt einen Standard vorzugeben, prüfen die Aufseher, ob die von den beaufsichtigten Instituten gewählten Ansätze überzeugend sind. Sie gehen dabei unter anderem den Fragen nach, warum ein Institut mit seinem Geschäftsmodell genau auf diese oder jene Art und Weise vorgeht und ob es auf dem Weg ist, sich kontinuierlich zu verbessern. Was Verfügbarkeit und Qualität von Nachhaltigkeitsdaten angeht, so zeigt sich Schaefer optimistisch. „Die Datengrundlage wird Schritt für Schritt besser, auch dank Regulierung, und jedes Jahr entsteht etwas mehr Sicherheit.“
Transitionsrisiken, die im Zuge der Umstellung auf eine CO2-arme Wirtschaft drohen, hält er durch die bestehenden aufsichtlichen Instrumente für abgedeckt. „Wir haben auch im makroprudentiellen Bereich ein passendes Instrumentarium, beispielsweise Systemrisikopuffer. Aber wir sehen im Moment noch keine Evidenz dafür, dass entsprechende Klimarisiken so groß sind, dass wir sie mit Maßnahmen unterlegen müssten“, konstatiert er.
Spannungen aushalten
Von den beaufsichtigten Banken wünscht er sich, Themen und Probleme offen ansprechen zu können und die Akzeptanz, dass nicht in allen Bereichen Interessensgleichheit herrscht. „Es geht darum, auch mal Spannungen auszuhalten, offen zu diskutieren und am Ende entweder eine einvernehmliche Lösung zu finden oder uns nicht zu scheuen, eingreifende gut begründete Entscheidungen zu treffen.“
Dabei setze die Behörde auf mehr Transparenz und Kommunikation, um Rechenschaft abzulegen und verständlich zu machen, warum die Aufseher was tun und um die Tragweite von Maßnahmen einordnen zu können. Das zeigt sich an der Häufigkeit, mit der aufsichtliche Maßnahmen, ob die Verhängung von Bußgeldern, die Entsendung von Sonderbeauftragten oder die Benennung von Defiziten in Banken, veröffentlicht werden. „Es geht nicht um Naming and Shaming, um Kommunikation als Selbstzweck oder um Selbstvermarktung der Behörde. Wir können Vertrauen nur nachhaltig aufbauen, wenn die Außenwelt versteht, was wir als Aufsicht tun.“
Nach dem Wirecard-Skandal hat sich die Finanzaufsicht BaFin Transformation und Kulturwandel auf die Fahnen geschrieben. Der Geschäftsbereich Strategie, Policy und Steuerung unter Exekutivdirektor Rupert Schaefer ist dafür verantwortlich, dass der Prozess in geregelten Bahnen verläuft und vorangetrieben wird.
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