DAI-Umfrage

Unternehmen beklagen granulares ESG-Dickicht

Die Dax-Unternehmen zeigen hohen Ehrgeiz bei der Implementierung von Nachhaltigkeitszielen. Sie kämpfen aber mit einem granularen Berichtswesen und mitunter unklaren Vorgaben, zeigt eine Umfrage des Deutschen Aktieninstituts.

Unternehmen beklagen granulares ESG-Dickicht

Unternehmen beklagen granulares ESG-Dickicht

Umfrage des DAI bei Dax-Konzernen zeigt Transformationsehrgeiz – Chancen durch Nachhaltigkeitsberichterstattung gelten als „überschaubar“

Die Dax-Unternehmen zeigen hohen Ehrgeiz bei der Implementierung von Nachhaltigkeitszielen, kämpfen aber mit einem granularen Berichtswesen und mitunter unklaren Vorgaben. Einen spezifischen Nutzen, etwa für bessere Finanzierungsmöglichkeiten, erkennen die Firmen indes oft noch nicht.

hei Frankfurt

Die Transformation in Richtung einer nachhaltigen Unternehmensführung hat in der Dax-Familie einen hohen Stellenwert, wie das Deutsche Aktieninstitut (DAI) auf Basis einer Studie unter Aufsichtsrats- und Prüfungsausschussvorsitzenden sowie Finanzvorständen in Zusammenarbeit mit der Kanzlei Hengeler Mueller hervorhebt. In der Umfrage zu „Unternehmen & ESG – Transformation oder nur Berichterstattung?“ mit insgesamt 114 Teilnehmern, die an eine erste ähnliche Erhebung vom Jahr 2022 anknüpft, wurde aus Sicht von DAI-Geschäftsführerin Henriette Peucker deutlich, dass die ESG-Transformation als „Chance wahrgenommen wird und wirklich auch voranschreitet“. So erklärten 80% der Befragten, dass im Unternehmen aktiv eine Nachhaltigkeitsstrategie etabliert worden sei, ein Plus von 3% gegenüber 2022. Auch Daniela Favoccia, Partnerin bei Hengeler Mueller, unterstrich, dass die Nachhaltigkeitstransformation „im Maschinenraum der Gesellschaften angekommen ist“.

Für 80 Prozent Chefsache

80% geben an, dass wichtige ESG-Performance-Kennziffern (KPI) in die Unternehmenssteuerung eingebunden werden. Dabei ist dies auch immer mehr Chefsache. Bei 85% der Teilnehmer werden ESG-Kriterien in die Vorstandsvergütung eingebunden, 2022 war dies erst bei 65% der Fall. Eine klare Dominanz „hat das E, also die natürliche Umwelt“, so Favoccia. Soziale Aspekte und Governance-Themen seien noch etwas hintangestellt, auch weil sie noch schwieriger zu messen bzw. zu adressieren seien. „Regulierung ist natürlich eine Triebfeder für die Transformation, aber darüber hinaus auch das Bewusstsein der eigenen Verantwortung“, betont die Juristin. „Das sind nicht nur Lippenbekenntnisse.“

Bei Finanzierung kein Nutzen

Obwohl die Konzerne große Anstrengungen unternehmen, um sich langfristig nachhaltiger aufzustellen, werden die Chancen, die durch die strategische Neuausrichtung entstehen, als noch sehr überschaubar beurteilt. Dies gelte vor allem im Hinblick auf bessere und günstigere Finanzierungsmöglichkeiten, die eigentlich das Ziel sein müssten, um Gelder für die klimagerechte Transformation zu mobilisieren, bedauert Favoccia.

Sehr große oder große Vorteile in der Finanzierung erkennt bisher nur insgesamt ein Fünftel der Befragten. Demgegenüber betrachten 33% den vermeintlichen Vorteil als klein.

Wenig Gutes können die Dax-Konzerne auch den Vorgaben der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) abgewinnen. Nur gut ein Viertel bewertet die Offenlegung eines nachhaltigen Transitionsplans als positiv. Insbesondere stellt für viele die „Granularität des Reportings“ und die dafür notwendige Datenerhebung eine Herausforderung dar, bei der Aufwand und Ertrag bisher in keinem guten Verhältnis stehen. Eine sehr große Zahl – 85% – kämpft mit unklaren Rechtsbegriffen, deren Anwendung die Aussagekraft der Berichte beeinträchtigt.

Nur Momentaufnahme

Auch die Zustimmung zur Taxonomie ist seit 2022 deutlich gesunken. Hier beurteilen zwei Drittel das Verhältnis von Aufwand und Ertrag negativ. Mehr als 80% bezweifeln irgendeinen Nutzen für Banken und Investoren, dies zumal die Darstellung oft nur eine Momentaufnahme sei, „quasi ein Foto“, das nicht hinreichend etwas über den Prozess aussage, so Favoccia. Abgesehen davon, dass die Datenerfassung generell eine Heidenarbeit sei, komme aus Sicht vieler Unternehmen hinzu, dass viele Nachhaltigkeitsbemühungen, die oft aufwendig und auch durchaus wirkungsvoll seien, „wie beispielsweise Kunststoff-Recycling“, dann gar nicht als solche im Kriterienkatalog anerkannt würden.

Mehr Pragmatismus sinnvoll

„Wenn man zu sehr in die Tiefe geht, merkt man nicht, was nebenan ist“, formuliert Peucker. Im Sinne der Unternehmen plädiert sie für eine Entrümpelung der Kriterienkataloge, um am Ende ein „effektives Reporting“ zu ermöglichen, das auch Vergleichbarkeit herstellen könne. Wenn es darum gehe, EU-Gesetze zu entschlacken, „dann ist hier Materie vorhanden“, so die Managerin. Favoccia weist darauf hin, dass im Hinblick auf den Wettbewerb „etwas mehr Pragmatismus von Vorteil sein könnte“, um auf internationaler Bühne Kompatibilität herzustellen. Das dürfte auch dazu beitragen, grüne Finanzströme besser zu mobilisieren.

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