Umweltdienstleister

Veolia-Chefin Brachlianoff kennt die Firma von der Pike auf

Estelle Brachlianoff ist als Chefin des französischen Umweltdienstleisters Veolia eine der drei Frauen an der Spitze eines CAC 40-Konzerns.

Veolia-Chefin Brachlianoff kennt die Firma von der Pike auf

Aus dem Abfallgeschäft an die Veolia-Spitze

wü Paris
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Als Kind träumte sie davon, so wie ihr großes Vorbild Claudie Haigneré Astronautin zu werden. Statt nach den Sternen zu greifen, beschäftigt sich Estelle Brachlianoff nun mit sehr viel irdischeren, deshalb aber nicht weniger dringlichen Problemen wie Müll und Abwasser. Denn die 52-Jähre leitet seit Mitte 2022 Veolia und steht damit als eine von nur drei Frauen an der Spitze eines CAC 40-Konzerns.

Der französische Umweltdienstleister hat seine mit der Übernahme von Suez vor fast drei Jahren eingeleitete Metamorphose inzwischen fast abgeschlossen. So hat sich Brachlianoff, die Ende Februar einen neuen Strategieplan für Veolia vorgestellt hat, in den ersten neun Monaten des Jahres von weiteren nicht-strategischen Aktivitäten für rund 1 Mrd. Euro getrennt. Sie hat auch gerade das Ziel für die durch den Zusammenschluss mit Suez erzielten kumulierten Synergien für dieses Jahr von 400 Mill. Euro auf mehr als 430 Mill. Euro angehoben.

Das richtige Leben lernen

Ihr Umweltbewusstein habe sich nach und nach aufgebaut, basierend auf Fakten und Zahlen zur Umweltverschmutzung und ihrer Auswirkung auf die Gesundheit, berichtete sie „Hec Stories“, dem Magazin der Alumnis und Studenten der bekannten Pariser Wirtschaftshochschule. Als Erwachsene und Chefin von Veolia fühle sie sich verantwortlich, diese Probleme anzugehen. Zumal Brachlianoff zwei Kinder im Teenageralter hat, die ihr eigenen Angaben zufolge auch Druck machen, sich für die Umweltthematik einzusetzen. Als sie selber Studentin gewesen sei, habe ihre eigene Generation dagegen nicht wirklich über Umweltthemen diskutiert, gab die Absolventin der renommierten Ingenieurshochschulen Ecole Polytéchnique und Ecole des Ponts et Chaussées zu.

Nach dem Studium hatte die aus einer Ingenieursfamilie mit bulgarischen Wurzeln stammende Veolia-Chefin einst zunächst bei einem Nahverkehrsbetreiber und der Präfektur des Großraums Paris begonnen, bevor sie zu Veolia ins Abfallgeschäft wechselte und dann die Karriereleiter hochkletterte. Nach einem zweistündigen Gespräch mit Brachlianoff sei ihm klar gewesen, dass sie es einmal sehr weit nach oben schaffen würde, sagte der damalige Spartenchef Denis Gasquet „Le Monde“. Doch sie habe damals erstmal noch das richtige Leben lernen müssen.

Niemals aufgeben

Brachlianoffs Mentor Gasquet übertrug der damals 33-Jährigen deshalb die Leitung einer Reinigungstochter mit 15.000 Mitarbeitern, zu deren Kunden Schlachthöfe, Automobilwerke und die Pariser Metro gehörten. Nachdem es der jungen Managerin gelungen war, dort die Rentabilität zu verbessern, machte er sie zur Chefin der Abfallsparte des Großraums Paris. Mit Streiks und Drohungen fertig zu werden, härte ab, meint Brachlianoff, deren selbsterklärtes Mantra lautet, nie aufzugeben.

Sie habe damals in den Lagern zusammen mit den Männern der Frühschicht um vier Uhr morgens Kaffee getrunken und Klartext geredet, berichten Gewerkschaftsvertreter. In dieser Zeit hat sich Brachlianoff auch ihren Spitznamen „Kalachnikow“ erworben. Denn die Managerin, die zeitgenössischen Tanz liebt und in der Freizeit gerne liest, lässt sich nicht so einfach ins Boxhorn jagen. Von Standesdünkel, wie ihn einige Vertreter der französischen Elite an den Tag legen, keine Spur. Bei einer Fahrt mit Analysten und Journalisten zu einem Werk in Ungarn griff Brachlianoff kürzlich im Bus kurzerhand selber zum Mikrofon, um nach der Abfahrt wie eine Reiseleiterin das Programm zu erklären.

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