KI als Heilsbringer in Compliance und Personalwesen?
Künstliche Intelligenz (KI) wird in vielen Fachbereichen als Heilsbringer gesehen. Besonders im Personalwesen und Recruiting werden KI-Anwendungen gern diskutiert. Dabei ist KI ist ein häufig verwendeter, aber selten eindeutig definierter Begriff. Oft werden darunter auch unterschiedliche Verfahren subsumiert, wie maschinelles Lernen oder Big Data Analytics, die sich im Kern aber unterscheiden. KI-Anwendungen liegen indes im Personalwesen nahe, da dort manuelle Arbeit durch maschinelles Lernen ersetzt werden kann und dadurch menschliche Ressourcen für komplexere Aufgaben frei werden. Die Analyse von großen Datenmengen ist neben Human Resources (HR) auch für Compliance sinnvoll, da Big Data Analytics hier seine Stärken ausspielen kann.
Noch Luft nach oben bei KI
Zugleich zeigt eine Studie der Perbit Software GmbH, dass meist noch mehr Wunsch als Wirklichkeit vorherrscht: Die Mehrheit der Befragten ist überzeugt, dass KI-Anwendungen für die Bereiche Personalcontrolling (80%), Personalgewinnung (77%) und -planung (76%) notwendig oder wünschenswert sind. Jedoch ist KI als Teil der Digitalisierungsstrategie einer Organisation unterrepräsentiert: Bei 64% der Befragten spielt KI gar keine Rolle in Digitalisierungsprojekten der Personalabteilung. Auch Anwendungen wie Chatbots oder Data Analytics werden noch nicht breit eingesetzt.
Gute Chancen für erfolgreiche KI-Anwendungen bietet das Recruiting, da hier die Prozesse in den meisten Unternehmen bereits vollständig digitalisiert sind. Die vorhandenen Datenmengen offerieren einen guten Anknüpfungspunkt für den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Auch Chatbots sind inzwischen beliebte Tools, die den Erstkontakt zu Bewerbern und Mitarbeitenden verwalten. Chatbots beantworten wiederkehrende Fragen zum Bewerbungsprozess oder auch zur Compliance.
Während KI-Anwendungen von den einzelnen Fachbereichen noch individuell geplant und implementiert werden, wird für Unternehmen großes Potenzial verschenkt. Denn ein integrierter Blick auf die relevanten KI-Anwendungen in HR und Compliance kann helfen, die Integrität in der Unternehmenskultur zu stärken. Besonders relevant ist das für regulierte Branchen wie Banken und Finanzunternehmen, wie eine Studie von Deloitte zu „KI im Compliance-Umfeld von Banken & Co“ zeigt. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass KI ihren größten Wert in der Kombination mit anderen regulatorischen Technologien wie Big-Data-Analysen entfaltet. Beispiele dafür sind unter anderen KI-basierte Löschkonzepte, um den Datenschutz zu sichern, automatisierte Datenanalysen im Umfeld von Betrug und Korruption sowie Auswertung öffentlich zugänglicher Informationen („Negative News Screening“).
Thomas H. Davenport, Abhijit Guha und Dhruv Grewal argumentieren in einem Beitrag für die „Harvard Business Review“, der Schlüssel zum Erfolg von KI sei die Balance zwischen Datenschutz und Transparenz in der Kontrolle. Nur wenn die Kunden der KI, seien es Bewerber, Mitarbeiter oder Kunden, entscheiden können, wie ihre Daten gesammelt und verwendet werden, vertrauen sie auch den Anwendungen und sind bereit, sie zu nutzen.
Um den Schutz und das Vertrauen der Kunden zu erhalten, können abteilungsübergreifende Beiräte etabliert werden, die sowohl Datenschutz als auch ethische Maßstäbe an KI-Projekte anlegen. Inhaltliche und persönliche Diversität öffnet dabei den Blick für die Gestaltung der zukünftigen Prozesse, Erfahrungen und Arbeitswelten.
Mit ethischen Fragen von KI beschäftigen sich seit einigen Jahren verschiedene Initiativen, darunter das „KI-Observatorium“, ein Projekt der Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, oder der Ethikrat HR Tech. Ein interdisziplinäres Team arbeitet derweil am Projekt „ExamAI“ mit Mitgliedern der TU Kaiserslautern, der Universität des Saarlandes, des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering IESE, der Stiftung Neue Verantwortung und der Gesellschaft für Information.
Akzeptanz der Nutzer nötig
Im Forschungsprojekt „ExamAI“ betrachten die Beteiligten, wie Verfahren aussehen können, die einen beherrschbaren, nachvollziehbaren und fairen Einsatz von KI im Personalmanagement ermöglichen. Die Diskussion der unterschiedlichen Initiativen rückt neben den Chancen auch die Risiken eines Einsatzes von Algorithmen ins Blickfeld.
Dazu zählen neben fehlender Akzeptanz der Nutzer, die die Basis für den Erfolg einer jeden Anwendung bildet, auch die Algorithmen selbst, die das Risiko von Diskriminierung bergen. Die Systeme sind nur so gut wie ihre Trainingsdaten. Werden die Trainingsdaten für das maschinelle Lernen unbewusst einseitig oder aus der Vergangenheit weiter tradiert, folgen KI-Anwendungen eingefahrenen Stereotypen, Ungleichheiten oder gesellschaftlich etablierten Vorbehalten. Ein vermeintlich „objektives“ System überträgt diskriminierendes Verhalten auf zukünftige Entscheidungen. Auch fehlerhafte Daten können das KI-System zu falschen Schlüssen und Ungleichbehandlung verleiten.
Compliance-Bewusstsein
Darüber hinaus besteht bei KI-Anwendungen im HR Management eine große Verantwortung, die Rechte von Beschäftigen zu schützen. Der Einsatz von KI erfordert deshalb ein hohes Compliance-Bewusstsein sowie eine genaue Prüfung hinsichtlich Transparenz, Fairness, Gleichbehandlung und Datenschutzkonformität. Beispielsweise können automatisierte Background-Checks von Bewerbern die Prozesse im Recruiting effizienter gestalten. Doch welche Daten dürfen verarbeitet werden? Gilt das auch für Postings, die Bewerber in sozialen Netzwerken zu privaten Zwecken geteilt haben?
Solche Fragen lassen sich nur durch den integrierten Blick von Human Resources und Compliance oder Legal beantworten.