EZB berät Reaktion auf Renditeanstieg
Von Mark Schrörs, Frankfurt
Für die Euro-Währungshüter gab es in den vergangenen Tagen fast nur ein Thema: den starken Anstieg der Euro-Anleiherenditen und die möglichen negativen Folgen für die Euro-Wirtschaft. Quasi kein Tag verging ohne besorgte Wortmeldung oder gar alarmierte Warnung mindestens eines Euro-Notenbankers. Entsprechend dürfte das Thema auch die EZB-Zinssitzung am Donnerstag dominieren. Beobachter warten mit Spannung auf Signale, ob und wie die Europäische Zentralbank (EZB) diesen Worten Taten folgen lässt.
Seit Wochen ziehen die Euro-Renditen an. Die zehnjährige Bundesrendite etwa ist von ihrem coronabedingten Rekordtief von knapp –0,6% im Dezember 2020 auf zeitweise rund –0,25% kräftig gestiegen – auch wenn sie zuletzt wieder leicht nachgegeben hat. Hintergrund des Trends, der vor allem auch von den US-Renditen beeinflusst ist, sind verbesserte Wachstumsaussichten und die anziehende Inflation. Der Trend gefährdet aber das Ziel der EZB, in der Coronakrise die Finanzierungskonditionen für die Euro-Wirtschaft und die Staaten günstig zu halten.
Am Montag vergangener Woche hatte es EZB-Präsidentin Christine Lagarde zunächst noch mit einer vorsichtigen verbalen Intervention versucht. Sie sagte, dass die EZB die Entwicklung „genau beobachtet“. In den Folgetagen verstärkten dann eine ganze Reihe EZB-Granden diese Botschaft. Mit am deutlichsten wurde diese Woche Direktoriumsmitglied Fabio Panetta. „Wir sollten nicht zögern, das Volumen der Käufe zu erhöhen und den ganzen PEPP-Rahmen auszugeben oder mehr, falls das nötig ist“, sagte er: „Meine Hauptbotschaft heute kann mit dem Titel eines Songs des Elektromusik-Duos Daft Punk zusammengefasst werden: ‚Harder, better, faster, stronger‘ (Härter, besser, schneller, stärker).“
Tatsächlich richtet sich der Fokus insbesondere auf das Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme). Das PEPP hat nach inzwischen zwei Aufstockungen ein Volumen von 1,85 Bill. Euro. Davon stehen noch gut 1 Bill. Euro zur Verfügung. Die EZB könnte nun innerhalb des bestehenden Rahmens die täglichen Kaufvolumina erhöhen – diese Flexibilität ist gegeben. Die Wortmeldung von Panetta aber liebäugelt noch mit einer zweiten Variante: einer abermaligen Aufstockung von PEPP. Diese Option hatte auch EZB-Vizepräsident Luis de Guindos diese Woche genannt. Letzteres dürfte am Donnerstag jedoch noch nicht beschlossen werden. Für besondere Spannung ist nach den jüngsten Wortmeldungen aber gesorgt.
Das gilt umso mehr, als Bundesbankpräsident Jens Weidmann am Mittwoch, kurz vor Ende der Schweigephase vor der Sitzung, einen Gegenpunkt setzte: Er dämpfte die Sorgen wegen des Renditeanstiegs. Und dann verlautete auch aus EZB-Kreisen, dass derzeit keine drastischen Maßnahmen geplant seien.
Ebenfalls mit großem Interesse erwartet werden die neuen Projektionen der EZB-Volkswirte für Inflation und Wachstum – zumal nachdem die Inflation zu Jahresbeginn einen unerwartet kräftigen Anstieg verzeichnet hat. Erstmals seit Jahren könnte sich 2021 die EZB-Projektion für die Teuerung als zu niedrig angesetzt erweisen. Die EZB-Volkswirte haben zuletzt 1,0% vorausgesagt. Die EZB-Oberen sehen den aktuellen Inflationsanstieg als temporäres Phänomen, das keine Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik mit Null- und Negativzinsen und breiten Anleihekäufen erfordert. So mancher Beobachter sieht aber eine Trendumkehr bei der Teuerung.
Derzeit gilt der Kampf der EZB aber noch den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Und da haben zuletzt vor allem die schleppenden Fortschritte in Sachen Impfungen die Hoffnungen auf baldige deutliche Lockerungen der Corona-Maßnahmen und eine starke Wirtschaftserholung etwas gedämpft. Führende EZB-Vertreter haben denn auch zuletzt wieder stärker an die Fiskalpolitik appelliert, ihrer Verantwortung in der Krise nachzukommen.