IWF-Jahrestagung in unruhigen Zeiten
9.‒15. Oktober
IWF-Tagung in unruhiger Zeit
Erstmals seit 50 Jahren richten der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank ihre alle drei Jahre außerhalb von Washington stattfindende Jahrestagung wieder auf dem afrikanischen Kontinent aus – im marokkanischen Marrakesch. An spannenden wie wichtigen Themen besteht kein Mangel.
Von Mark Schrörs, Frankfurt
Nicht einmal vier Wochen ist es her, dass Marokko und auch die Stadt Marrakesch von den schwersten Erdbeben in der Region seit Jahrzehnten heimgesucht wurde. Rund 3.000 Menschen kamen zu Tode, mehr als 300.000 gelten als betroffen. Trotzdem wird Marrakesch nächste Woche zum Mekka der globalen Wirtschafts- und Finanzelite: Denn in der 1-Million-Einwohner-Metropole findet die Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank statt.
Nach dem Erdbeben war intensiv diskutiert worden, ob es dabei bleiben kann, dass die alle drei Jahre außerhalb von Washington stattfindende Jahrestagung in Marrakesch abgehalten wird. Letztlich entschieden IWF, Weltbank und die Verantwortlichen in Marokko so. Tatsächlich gilt der Austragungsort auch als wichtiges Signal, schließlich ist es die erste Jahrestagung in Afrika seit 50 Jahren. Das Treffen soll die Hilfs- und Wiederaufbaumaßnahmen nicht behindern.
Weltwirtschaftsausblick und Finanzstabilitätsbericht
Inhaltlich steht bei der IWF-Tagung wie immer die Lage der Weltwirtschaft und des globalen Finanzsystems im Mittelpunkt. Bereits am Dienstag legt der Fonds seine beiden wichtigsten Berichte vor – den Weltwirtschaftsausblick und den globalen Finanzstabilitätsbericht. Sie bilden die Grundlage für die Diskussionen der Finanzminister und Notenbankchefs aus den 190 IWF-Ländern, die ab Mitte der Woche in Marrakesch eintrudeln.
Was die Weltwirtschaft betrifft, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa in ihrer traditionellen Curtain-Raiser-Rede am Donnerstag, dass sich die Erholung zwar fortsetze und die Chance einer „weichen Landung“ zugenommen habe. Zugleich betonte sie aber, dass die Erholung schwach und uneinheitlich sei. Das globale Wachstum werde weiter deutlich unterhalb des Durchschnitts der zwei Jahrzehnte vor der Pandemie von 3,8% liegen. Im Juli hatte der Fonds für 2023 und 2024 je 3,0% Wachstum vorausgesagt.
Bankenturbulenzen und Sorgen um den Immobilienmarkt
Was das Finanzsystem angeht, haben nicht zuletzt die Bankenturbulenzen im Frühjahr die Anfälligkeiten veranschaulicht. Zudem nehmen die Sorgen um den Immobilienmarkt zu, vor allem in China. Ganz aktuell kommen zudem die Entwicklungen an den Finanzmärkten und vor allem der zeitweise Ausverkauf am Staatsanleihemarkt als Herausforderungen hinzu – und als Thema für die Tagung. Aber auch sonst ist die Liste der Themen ebenso lang wie vielfältig: Klimawandel und grüne Transformation, Digitalisierung, Inklusion, Welthandel. Und natürlich geht es auch wieder um die zunehmende politisch-ökonomische Fragmentierung der Weltwirtschaft infolge von Pandemie und Ukraine-Krieg. Der IWF warnt vor großen Verlusten für alle, sollte die Spaltung weiter zunehmen.
Debatte über eine Quotenreform
Für den Fonds selbst ist zudem die Debatte über eine Quotenreform entscheidend. Im Kern geht es darum, die finanziellen Kapazitäten des IWF zu stärken, aber vor allem auch darum, die Machtverhältnisse im Fonds, der bislang stark von den USA und Europa dominiert ist, zu ändern. Vor allem Länder wie China und Brasilien beanspruchen mehr Mitsprache. Für den Fonds steht nicht weniger als die Legitimation als globale Institution auf dem Spiel. Auch deshalb ist die Tagung in Afrika so wichtig.