DEVISENWOCHE

2020 - Die Rückkehr der Währungsvolatilität?

Von Holger Achnitz *) Börsen-Zeitung, 24.12.2019 In einem Jahr mit vielen Überraschungen und Wendungen haben sowohl die historische als auch die implizierte Volatilität für viele Währungspaare, u. a. auch die Euro-Dollar-Parität, neue Tiefpunkte...

2020 - Die Rückkehr der Währungsvolatilität?

Von Holger Achnitz *)In einem Jahr mit vielen Überraschungen und Wendungen haben sowohl die historische als auch die implizierte Volatilität für viele Währungspaare, u. a. auch die Euro-Dollar-Parität, neue Tiefpunkte markiert. Auf den ersten Blick scheint dies schwer zu erklären, aber gerade für Euro/Dollar gibt es auf beiden Seiten des Atlantiks gute Gründe, die in den letzten Monaten zu einer Komprimierung der Schwankungsbreite geführt haben. Verknappung des AngebotsIn der Eurozone führt die Wiederaufnahme der Anleihekäufe durch die EZB dazu, dass es zu einer weiteren Verknappung des Angebots an in Euro denominierten Anleihen kommt und private Anleger weiter bzw. wieder ins Ausland ausweichen müssen, um positive Renditen zu erzielen. Ein schwacher oder schwächerer Euro ist eine nicht kommunizierte, aber beabsichtigte oder zumindest kalkulierte Folge dieser geldpolitischen Strategie, auch wenn sie “nur” zwei Drittel des Volumens des ersten Programms umfasst. Aufgrund der auch am kurzen Ende der Zinskurve immer noch hohen Renditedifferenz ist die Absicherung des Wechselkursrisikos prohibitiv teuer, so dass diese Kapitalströme den Außenwert des Euro verringern.Gleichzeitig wirken bereits durchgeführte und erwartete Zinssenkungen der Fed sowie die auch dort jüngst wieder aufgenommene Expansion der Bilanzsumme der Zentralbank (“Repo Operations”) negativ auf den Dollar. Diese gegenläufigen Kräfte schaffen ein – zugegebenermaßen unsicheres – Gleichgewicht, das Kursschwankungen seit dem Sommer auf ein vorher selten gesehenes Minimum reduziert hat. Niedrige HürdeWas könnte dieses Gleichgewicht im kommenden Jahr ins Schwanken bringen? Zum einen sich gegenüber der aktuellen Erwartung verändernde Unterschiede der Wachstumserwartungen und daraus resultierende Veränderungen der Notenbankpolitik. Eine Mehrheit der Analysten erwartet für das kommende (Wahl-)Jahr in den USA keine weitere Reduzierung der Zielgröße für die Fed Funds, auch wenn die US-Zinskurve weiterhin anderes signalisiert. In der Eurozone und in China wird kaum mit positiven Entwicklungen gerechnet, die Hürde für positive Überraschungen ist damit niedrig.Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass jeder neue Dollar-Kauf zu einem fundamental stark unterbewerteten Euro-Kurs geschieht. Mit anderen Worten: Die Toleranz für Fehler ist im Zeitablauf immer niedriger geworden. Schätzungen des Citi-Research zufolge beträgt die Nettosumme der seit 2015 (= Beginn des Quantitative Easing der EZB) im Ausland getätigten Käufe von Anleihen und Aktien inzwischen 2 Bill. Euro (!). Aufgrund der durchschnittlichen Kursentwicklung seitdem dürfte der gewichtete Einstandskurs für diese Investitionen deutlich unter 1,15 liegen. Teilt man die Annahme, dass der überwiegende Teil dieses gewaltigen Betrages nicht gegen Kursverluste gesichert ist, so reicht eine vergleichsweise geringe Dollar-Abwertung, um Anleger schnell umdenken zu lassen – die Folgen wären nachgeholte Kurssicherungen aufgrund der geänderten Einschätzung oder die direkte Reduzierung von Dollar-Investments. Das Gleichgewicht wäre passé, ein nicht linearer Anstieg der Volatilität ginge damit einher.Der Zeitpunkt eines solchen Events ist naturgemäß schwer, wenn nicht sogar unmöglich zu bestimmen. Aktuell kann sich der Dollar auf den Schutz durch den hohen Zinsvorteil verlassen. Auch der momentan herrschende Konsensus (Quelle: Bloomberg) einer moderaten Dollar-Abwertung gegenüber dem Euro bis auf 1,16 ist der Historie nach ein Pluspunkt für den Dollar. Geringe UnterschiedeAn möglichen Gründen für eine Abwertung des Dollar mangelt es aber im kommenden Jahr nicht:1. Die Handelspolitik und Rhetorik der US-Administration, insbesondere des Präsidenten, werden einer weiteren Dollar-Aufwertung entgegenstehen. Wegen der geringen Unterschiede zu den Demokraten in dieser Frage kann man auch in einem Wahljahr von einer Fortsetzung des hier eingeschlagenen Weges ausgehen.2. Die Bewertung amerikanischer Vermögenswerte, insbesondere Aktien, lässt kaum Raum für Irrtümer. Je nach Bewertungsmaßstab (Buchwert, KGV) sind die Indizes dort auf den höchsten Ständen seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 oder dem Terroranschlag am 11. September 2001.3. Immer noch schwer vorstellbar, aber nicht mehr gänzlich auszuschließen ist eine fiskalpolitische Stimulierung der Konjunktur in der Eurozone. Sicherlich müsste Deutschland hier den Weg weisen und bereiten. Das nächste Jahr wird lang, und spätestens 2021 stehen Wahlen an. Infrastruktur und Klimaschutz sind schließlich politisch hehre und streitfreie Zielzonen für mögliche Investitionen im Milliardenbereich. Lange RuhephaseDer letztgenannte Grund würde voraussichtlich das größte Überraschungspotenzial entfalten. Nach einer langen Phase der immer größeren Ruhe ist ein Anstieg der Volatilität für viele schwer vorstellbar. Aber einmal in Gang gekommen, wird sie schwer zu stoppen sein, und dann dürfte auch der heute geltende Konsensus als sehr konservativ erscheinen. *) Holger Achnitz leitet den Währungshandel bei der Citigroup in Deutschland.