A-Aktien preisen viel Negatives ein

Handelsstreit sorgt in China für Unruhe - Stärkere Integration durch MSCI zieht ausländische Gelder an

A-Aktien preisen viel Negatives ein

Die Eskalation im Handelsstreit zwischen China und den USA hat Chinas Börsenrally im Mai völlig aus dem Tritt gebracht. Insbesondere die Schwäche des chinesischen Yuan verschärft die Unsicherheit. Die Experten rechnen aber mit einer einstweiligen Stabilisierung, die verhaltene Kursfortschritte möglich macht. Von Norbert Hellmann, SchanghaiMit der wesentlichen Verschärfung im Handelsstreit zwischen China und den USA und der Bedrohung für chinesische Technologieunternehmen durch US-Restriktionen werden die Anleger an Chinas Festlandbörsen auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Der aufsehenerregenden Rally, die den Leitindex Shanghai Composite von Jahresbeginn bis zur Aprilmitte um fast 30 % in die Höhe schnellen ließ, ist in den letzten Wochen eine kalte Dusche gefolgt. Der Shanghai Composite hat seit dem Höhepunkt im April gut 13 % eingebüßt und kommt zuletzt auf eine weniger spektakuläre Jahresperformance von 16,7 %.Das Gros der Analysten hatte für den traditionell als schwierig geltenden Monat Mai mit einer Korrektur gerechnet, dabei aber ein völlig anderes Szenario im Auge: Im Vertrauen darauf, dass die bereits weit vorangeschrittenen Verhandlungen in einen bilateralen Handelskompromiss münden würden, sah man Anlass zur Befürchtung, dass die chinesische Regierung in ihrem Elan zur Stimulierung der Konjunktur nachlassen und auf einen weiteren geldpolitischen Lockerungskurs verzichten würde (vgl. BZ vom 25. April). Wachstumsschwäche in SichtNun steht man vor einem umgekehrten Szenario. Das überraschende Scheitern der bilateralen Gespräche und eine prompte neuerliche Anhebung von US-Strafzöllen auf chinesische Produkte bringt wieder jene Unsicherheiten auf, die den chinesischen Aktienmarkt 2018 nach dem Aufkommen des Handelsstreits in die Knie gezwungen hatten. Als Hoffnungswert für die Anleger stellen sich nun wieder konjunkturelle Anregungsmaßnahmen der Regierung und ein fortgesetzter geldpolitischer Lockerungskurs dar. Sie werden vonnöten sein, denn ein fortgesetzter Handelsstreit dürfte eine verstärkte konjunkturelle Bremswirkung entfalten. Nach einem überraschend stabilen Wachstum des chinesischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 6,4 % im ersten Quartal schrauben die Ökonomen die Wachstumsprognosen wieder zurück und rechnen nur noch mit 6,1 bis 6,2 % Wachstum für 2019.Ein Unsicherheitsfaktor ist dabei vor allem der neuerliche Druck auf die chinesische Währung Yuan. Im vergangenen Jahr hatte sich der Yuan unter dem Eindruck des Handelsstreits um bis zu 8 % gegenüber dem Dollar abgeschwächt und war dabei nahe an die als kritisch geltenden Marke von 7 Yuan je Dollar herangekommen. Nach einer kräftigen Erholung in diesem Jahr ist der Yuan mit der neuerlichen Strafzollerhöhung und den Attacken gegen den chinesischen Technologiekonzern Huawei erneut in die Knie gegangen, hat sich zuletzt allerdings bei etwa 6,90 Yuan je Dollar stabilisiert. Yuan-Stabilität versprochenDa Schwächephasen des Yuan in der Regel stark negativ auf den heimischen Aktienmarkt abfärben und Sorgen um eine verstärkte Kapitalabwanderung aufkommen lassen, ist die Situation einigermaßen kritisch. Zuletzt haben sich Chinas ranghöchster Finanzregulator Guo Shuqing und Zentralbankpräsident Yi Gang mit beruhigenden Wortmeldungen in die Diskussion eingeschaltet. Guo, der die Bank- und Versicherungsbehörde CBIRC anführt und gleichzeitig den Beaufsichtigungsposten der Kommunistischen Partei bei der Zentralbank einnimmt, betonte, dass Chinas Finanzmärkte im Gegensatz zum vergangenen Jahr nicht mehr panisch auf den Handelsstreit und auch die jüngsten Rückschläge reagieren. Dies werde sich auch bei einer weiteren Zuspitzung des Konflikts bewahrheiten. Gleichzeitig sagte Guo, dass China keinerlei Interesse an einer Abschwächung seiner Währung habe, und schickte eine Warnung an Devisenhändler voraus, dass sie sich bei Baissespekulationen auf den Yuan die Finger verbrennen würden. Auch Zentralbankgouverneur Yi bekräftigt, dass der Yuan prinzipiell stabil gehalten werde.Die Worte der Finanzregulatoren und eine Stärkung des Yuan-Referenzkurses zum Dollar seitens der Zentralbank haben zu Wochenbeginn das Sentiment deutlich verbessert und damit auch negative Konjunkturnachrichten – die Industriegewinne im April waren rückläufig – übertüncht. Tatsächlich gibt es gegenwärtig keine Anzeichen von Panik. Gleichzeitig beobachtet man eine gewisse Zurückhaltung. In den letzten Tagen lag das Handelsvolumen bei nur etwa 60 % des Durchschnitts der vergangenen drei Monate, was dafür spricht, dass die Investoren nach Richtung suchen.Als mehr als nur ein Zünglein an der Waage erweisen sich dabei ausländische Investoren, die vom erweiterten Einbezug ausgewählter chinesischer A-Aktien in die Indizes des Benchmarkanbieters MSCI zum verstärkten Einstieg in chinesische Festlandaktien animiert werden.An der Frequentierung des sogenannten Stock Connect System, mit dem typischerweise von Hongkong aus agierende ausländische Fondsmanager einen Handelszugang zu A-Aktien auf dem Festland haben, erkennt man aber eine klare Fluchtbewegung. Im Mai wurden rekordhohe Verkäufe von A-Aktien über den Handelslink registriert. Dabei dürften sich weniger die vom Handelsstreit eingetrübten Konjunkturperspektiven als die Talfahrt des Yuan als ausschlaggebend erwiesen haben. Ausländische Investoren reagieren besonders sensibel auf Abwertungsszenarien der chinesischen Währung. Sie können auch eine erhöhte Volatilität im Vergleich zu westlichen Märkten nur eingeschränkt mit Derivatetransaktionen absichern. Sukzessive ErhöhungDoch scheint nun wieder ein Hoffnungsfunke überzuspringen. Seit Wochenbeginn gibt es kräftigen Zulauf über den Stock Connect von Hongkong nach Schanghai und Shenzhen. Am heutigen Mittwoch wird der erste Anpassungsschritt einer sukzessiven Erhöhung der Indexgewichte von A-Aktien in den MSCI-Benchmarks wirksam, die vor allem bei passiv verwalteten Fondsgeldern zu Anpassungsreaktionen führt. Nach weiteren Schritten im August und November wird der sogenannte Inklusionsfaktor zur Abbildung von A-Aktien in den Benchmarks dann von bislang 5 auf letztlich 20 % erhöht.Der Chef des China-Aktiengeschäfts bei der UBS, Thomas Fang, rechnet damit, dass der von der MSCI-Anpassung ausgelöste Zufluss ausländischer Gelder in den A-Aktienmarkt sich 2019 auf rund 70 Mrd. Dollar belaufen könnte. Noch im Frühjahr hatten Analysten unter dem Eindruck einer imposanten Hausse bei A-Aktien und der Aussicht auf eine baldige Beendigung des Handelsstreits den möglichen Zustrom von ausländischen Geldern auf bis zu 200 Mrd. Dollar taxiert. Diese Prognose dürfte sich im gegenwärtigen Marktumfeld kaum realisieren lassen.Immerhin aber beginnt sich die Überzeugung zu festigen, dass auch eine langwierigere Fortsetzung des Handelskonflikts im A-Aktienmarkt weitgehend eingepreist ist und es der Zentralbank gelingen dürfte, den Yuan unter der kritischen Marke von 7 Yuan pro Dollar zu halten. Damit gilt das Rückschlagpotenzial als begrenzt, zumal die Experten davon ausgehen, dass Peking, wie öfters in der Vergangenheit, in besonders akuten Schwächephasen staatlich orchestrierte Stützungskäufe am Aktienmarkt veranlasst. Gegenwärtig gilt dabei die Marke von 2 800 Punkten (aktuell: 2 909) beim Shanghai Composite als inoffizielle Verteidigungslinie.