Immobilienfinanzierer

Aareal ist die Wette auf eine Normalisierung

Anleger auf der Suche nach Werten, in denen sie sich mangels Konsens mit einer eigenen Meinung zum Markt positionieren könnten, werden rasch bei der Aareal Bank fündig. Für den Wiesbadener Immobilienfinanzierer kommt es in der Pandemie ohne...

Aareal ist die Wette auf eine Normalisierung

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Anleger auf der Suche nach Werten, in denen sie sich mangels Konsens mit einer eigenen Meinung zum Markt positionieren könnten, werden rasch bei der Aareal Bank fündig. Für den Wiesbadener Immobilienfinanzierer kommt es in der Pandemie ohne Zweifel knüppeldick: Das gewerbliche Immobilienfinanzierungsportfolio von 27 Mrd. Euro besteht fast vollständig aus Hotels, Büros und Einzelhandelsimmobilien. Die Positionierung im Markt als Anlage für Value-Investoren torpedierte die europäische Bankenaufsicht im Startquartal des vergangenen Jahres mit ihrem Moratorium über Dividendenzahlungen. Derweil liegen dem Management schon seit längerem Aktionärsaktivisten in den Ohren mit der Forderung, die hoch gehandelte Software-Tochter Aareon zu veräußern – einen Anteil von 30% hat die Bank im Sommer des vergangenen Jahres bereits an den Finanzinvestor Advent veräußert. Nach dem zweiten Lockdown musste das Haus, nach einer ersten Reduktion der Gewinnprognose zuvor, im Januar überdies seine Prognose eines Jahresgewinns kassieren und stattdessen den ersten Betriebsverlust seit 2005 nach fünf Jahren kontinuierlich fallender Ergebnisse ankündigen.

Satte Dividendenrendite

Um das Sentiment zu retten und wohl auch um unter dem Druck der Aktivisten Value-Investoren bei Laune zu halten, zog das Haus unter Führung von Finanzvorstand Marc Heß, der den aus gesundheitlichen Gründen pausierenden Vorstandsvorsitzenden Hermann Merkens vertritt, zugleich einige Ankündigungen seiner künftigen Strategie vor. Das Haus kündigte unter anderem für das Jahr 2023 eine Eigenkapitalrendite von 8% an und stellte den Anlegern für 2020 überdies satte Ausschüttungen von insgesamt 1,50 Euro je Aktie in Aussicht, die beim derzeitigen Kursniveau eine Dividendenrendite von knapp 7% signalisieren. In einem denkbar unruhigen Umfeld will sich die Aareal Bank mehr denn je als Sub­stanzwert für Kuponschneider empfehlen.

Vor-Lockdown-Kursniveau

Der Aktienkurs kletterte allerdings erst wieder auf das zu Beginn des ersten Lockdowns erreichte Niveau, als die Bank Ende Februar für 2021 einen seit Jahren nicht mehr erzielten prozentual zweistellig anziehenden Zinsüberschuss und ein Betriebsergebnis zwischen 125 Mill. und 200 Mill. Euro avisierte – 2019 hatte sie einen operativen Gewinn von 248 Mill. Euro eingefahren.

Zwar ist der Nullzins auf Dauer Gift für jeden Finanzdienstleister. Fürs Erste aber bessert den Zinsüberschuss der Aareal Bank nicht nur die Nutzung langfristiger TLTRO-Refinanzierungsgeschäfte der Europäischen Zentralbank auf. Bezahlt macht sich für die Gesellschaft auch eine Überarbeitung der bankeigenen Modelle fürs Einlagengeschäft. Angesichts verfestigter Tiefstzinsen wird nunmehr eine geringere Zinsreagibilität der Einleger unterstellt. Die Bank kann daher den Zeitraum verlängern, für den sie annimmt, dass sie zumindest auf einen Teil der täglich fälligen Depositen zählen kann, was den Aufwand für entsprechende Swaps reduziert.

Seit Ende Februar hält sich der Kurs auf Xetra nun auf Niveaus um 22,30 Euro, und der Markt scheint nicht recht zu wissen, ob er auf das vom Management entworfene Szenario einer kraftvollen Ergebniswende setzen soll. Auch die Analysten scheinen uneins. Bloomberg zählt vier Kauf-, fünf Halten- und drei Verkaufsempfehlungen. Mit einer Marktkapitalisierung von 1,33 Mrd. Euro bringt die Gesellschaft derzeit das knapp 9-Fache des operativen Gewinns auf die Waage, den Analysten nach Publikation der Ergebnisse für 2020 im Konsens für das laufende Jahr prognostiziert haben. Der Börsenwert entspricht 46% des Eigenkapitals.

Abschied aus dem MDax

Dass der Wert im Zuge der Indexneuverkettung am 22. März aus dem MDax fliegen und im SDax landen wird, beeinträchtigt die Visibilität für Investoren zusätzlich. Insbe­sondere börsengehandelte Indexfonds müssen sich umorientieren. In Bewegung ist das Aktionariat aber schon zuvor mit dem Ausschüttungsverbot der Bankenaufsicht gekommen: Fonds, deren Anlagerichtlinien ein Investment von einer ununterbrochenen Dividendenhistorie abhängig machen, mussten sich verabschieden, andere mit weniger rigiden Vorgaben hielten der Bank die Stange.

Diese Situation ist nicht ohne. Allerdings hat das Management in der Vergangenheit bewiesen, dass es nicht nur Hausaufgaben gewissenhaft erledigt, sondern auch Chancen zu nutzen versteht. So wurden in Wiesbaden schon die Effekte des Abschlusses der Kapitalregeln Basel III auf die Kapitalquote offengelegt, als alle anderen deutschen Banken dazu noch nicht imstande waren bzw. entsprechendes Unvermögen vorschützten. Mitte der vergangenen Dekade hob die Bank zudem durch die Übernahme der Konkurrenten WestImmo sowie Corealcredit bilanziellen Badwill über insgesamt rund 300 Mill. Euro. Auch deshalb zeigt das Haus derzeit eine starke Kapitalquote von 20,4%, die der Abschluss von Basel III gleichwohl auf 13,9% zusammenschnurren lassen dürfte. Ein Loan-to-Value von durchschnittlich 60% im Portfolio gibt der Gesellschaft derweil Puffer, um Belastungen infolge sinkender Bewertungen am Immobilienmarkt abzufedern.

Die große Zuversicht freilich, die das Management jüngst auf der Bilanzpressekonferenz mit Blick aufs laufende Jahr versprüht, wird die Realität erst noch rechtfertigen müssen. Solange sich die Impfkampagne dahinschleppt, wird die Erholung auf breiter Front auf sich warten lassen, und solange Reisebeschränkungen gelten, lassen sich die von der Bank finanzierten Hotels kaum auslasten. Andererseits stützt es die Marge im Neugeschäft, dass mancher Wettbewerber in der Krise gewerbliche Immobilienfinanzierungen scheut. Während etwa die Deutsche Pfandbriefbank im Neugeschäft Vorsicht walten lässt, will die Aareal Bank ihr Portfolio bis Ende des kommenden Jahres auf 30 Mrd. Euro ausweiten. Auf lange Sicht taugt dies aber kaum als Equity Story.Wer sich die Aktie der Aareal Bank ins Depot legt, wettet auf eine baldige Normalisierung des gesellschaftlichen Lebens, die nicht zuletzt den Anteil der Heimarbeit auf Sicht reduzieren und den Markt für Gewerbeimmobilien stützen wird.