Aktien moderat unterbewertet
Versorgungswerke sind wichtige Kunden von Aaron Meder, Head of Investment bei Legal & General Investment Management (Assets under Management: 499 Mrd. Pfund). Sie interessieren sich für die Themen Infrastruktur und Multi-Asset. Aktien sind aus seiner Sicht derzeit “keine offensichtlich attraktive Assetklasse, aber einer der besseren Orte, um kleinere Risiken einzugehen”.- Herr Meder, nehmen Sie Einfluss auf die Unternehmen, in die Sie investieren?Ja, Corporate Governance wird von uns sehr ernst genommen. Dafür sind wir in der Branche bekannt und hoch angesehen.- Wie muss man sich das vorstellen?Wir verbringen viel Zeit in direkten Gesprächen mit Boards und deren Ausschüssen wie etwa dem Vergütungsausschuss, um Dinge im Interesse der Aktionäre zu beeinflussen.- Was würden Sie Pensionskassen derzeit raten?Inflations- und Zinsrisiken sind Risiken, für die man nicht belohnt wird, wenn man sie eingeht. Wir würden deshalb dazu raten, sie so gut es eben geht abzusichern. In Großbritannien sind die meisten Pensionskassen zu 70 bis 80 % ausfinanziert. Da bieten sich Assets an, die Wachstum bieten, wie etwa Aktien oder Multi-Asset-Fonds, um das Finanzierungslevel zu verbessern. Wenn man voll finanziert ist, wechselt man zur Absicherung zu Gilts, Swaps und Unternehmensanleihen, die einem noch ein bisschen Einkommen extra liefern, um die fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen, eventuell auch Real Assets wie Infrastrukturanlagen.- Ihre Rivalen vermarkten Aktien als Anlage, um Einkommen zu generieren.Wir sehen Aktien nicht als wesentlichen Bestandteil der Einkommenskomponente. Bestehende Verpflichtungen aus Aktieneinkommen erfüllen zu wollen, wäre aus meiner Sicht doch etwas gewagt.- Ist die Bewertung von Infrastrukturanlagen nicht eine sehr komplexe Angelegenheit?Das hängt von der Art der Infrastruktur ab. Es ist kein Hexenwerk. In der Regel braucht man nur eine Meinung zur Bonität und eine Vorstellung davon, welche Zahlungsströme zu erwarten sind. Man sollte verstehen, wie sich der interne Zinsfuß errechnet, und wissen, zu welchem Preis ähnliche Assets gehandelt werden. Als gut ausfinanzierter Pensionsfonds ist man in einer ziemlich einzigartigen Position. Solange man die Cash-flows bekommt, die man erwartet hat, spielt der zwischenzeitliche Marktwert keine so große Rolle. Er ist eine eher zweitrangige Frage.- Gibt es große Nachfrage nach Infrastrukturinvestments?Die Nachfrage ist sicher da. Genau wie Corporate Bonds bieten Infrastrukturinvestments Cash-flows mit langer Laufzeit, dies aber oft mit einem höheren Ertrag, um die geringere Liquidität wettzumachen. Dies macht Infrastrukturinvestments zu einer attraktiven Assetklasse für langfristige Investoren wie Pensionskassen. Es gibt allerdings eine Reihe politischer Gründe, warum das Angebot nicht ausreichend sein könnte.- Ist mangelnde Liquidität ein Problem am Bondmarkt?Die Investmentbanken haben nicht mehr die Funktion, die sie einst hatten. Wir glauben nicht, dass sie ihre frühere Rolle einmal wieder übernehmen werden. Deswegen müssen wir gut aufgestellt sein. Wir arbeiten mit den Banken zusammen, um sicherzustellen, dass im Falle eines Falles die Liquidität bestmöglich gewährleistet ist. Sollte es zu einer erneuten Kreditklemme kommen, wird der Verkauf gewisser Unternehmensanleihen temporär schwierig werden. Bei unserem Portfoliomanagement versuchen wir dies zu berücksichtigen.- Haben sich die Regulierer bereits eingeschaltet?Es hat ein paar Fragen gegeben. Das ist ein Thema, das wir auch von uns aus mit den Aufsichtsbehörden diskutieren.- Was halten Sie derzeit von Aktien?Aktien sind derzeit keine offensichtlich attraktive Assetklasse, aber einer der besseren Orte, um kleineren Risiken einzugehen. Wir halten Aktien im Vergleich zu anderen Anlagemöglichkeiten für moderat unterbewertet. Dabei gefallen uns Europa und Japan besser als die USA.- Multi-Asset ist derzeit angesagt. Was halten Sie davon?Es ist ein volles Marktsegment. Aber eine Menge unserer Kunden bewegen sich in diese Richtung. Wir haben rund 3 000 Kunden mit großteils leistungsorientierten Vorsorgeplänen (Defined Benefit). Die Nachfrage von dieser Seite ist enorm. Und beitragsorientierte Pläne (Defined Contribution) sind im Grunde eine Multi-Asset-Story. Über mangelndes Interesse können wir uns jedenfalls nicht beklagen.- Holt man sich damit nicht komplexe Strukturen ins Portfolio?Von unseren Kunden kommen eigentlich keine Bedenken in dieser Hinsicht. Dies liegt sicher auch daran, dass wir Multi-Asset-Fonds mit unterschiedlichem hohem Derivateanteil anbieten – so finden die Kunden schnell das für sie passende Produkt. Viele fühlen sich auch mit eigens auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Derivaten wohl. Mit Swaps haben sie ohnehin viel Erfahrung.- Was sind die großen Themen bei der Wahl im Mai?Haushaltspolitik, Brexit sowie Steuern und Regulierung. Bei der Haushaltspolitik sehen wir keinen großen Unterschied. Alle wollen einen ausgeglichenen Haushalt. Unter Labour würden wohl die Steuern für die sehr Wohlhabenden steigen. Auch die Regulierung der Finanzbranche würde dann noch stärker in den Fokus geraten.- Und der Brexit?Der würde zu starken Verwerfungen führen. Großbritannien ist in hohem Maße von ausländischen Investitionen abhängig und deren Fluss könnte durch einen Ausstieg aus der EU gestört werden. Das hätte negative Auswirkungen auf die Bewertungen von Risiko-Assets. Wir gehen allerdings davon aus, dass es nicht dazu kommen wird.- Viel Lärm um nichts also?Einen Non-Event würde ich die Wahl nicht gerade nennen. Wir rechnen mit höherer Volatilität wie schon bei vorangegangenen Wahlen, aber die Fundamentaldaten werden hiervon nicht beeinflusst werden.- Wie viel Zeit verbringen Sie mit Regulierungsthemen?Meine Position gibt es erst seit drei Monaten. Davor hatte ich ab und an mit Regulierungsfragen zu tun, mittlerweile nehmen sie etwa 10 bis 20 % meiner Zeit in Anspruch. Je nach Ausgang der Wahl könnte es mehr werden.- Was interessiert deutsche institutionelle Anleger?Fixed Income. Im momentanen Marktumfeld Non-Euro Fixed Income, Infrastruktur und Immobilien, in einem geringeren Maße auch Absolute-Return-Strategien.- Glauben Sie, dass die Initiative von EZB und Bank of England zur Wiederbelebung des ABS-Markts greifen wird?Die Finanzmarktregulierung hat den ABS-Markt geschwächt – daher ist die Ausgangslage für die aktuellen Versuche, den Markt wiederzubeleben, denkbar schlecht. Daher beschäftigen wir uns mit diesem Thema derzeit nicht.—-Das Interview führte Andreas Hippin.