TURBULENZEN AN DEN FINANZMÄRKTEN

Aktienmärkte brechen nach US-Zinssenkung heftig ein

Dax sackt auf tiefsten Stand seit September 2013 ab - Vor allem Reise- und Freizeittitel unter Druck - Stoxx-Bankenindex fällt auf 32-Jahres-Tief

Aktienmärkte brechen nach US-Zinssenkung heftig ein

Die drastische Leitzinssenkung der US-Zentralbank Fed hat die Märkte am Montag nicht stabilisieren können. Im Gegenteil: Ein erneuter Ausverkauf führte zu heftigen Kurseinbußen und drückte den Dax bis auf den niedrigsten Stand seit dem September 2013.ck Frankfurt – Der Absturz der Risikoassetmärkte hält unvermindert an. Nach der überraschenden Leitzinssenkung um 100 Basispunkte der US-Notenbank Fed sind die Aktienmärkte am Montag erneut in den freien Fall übergegangen. Die sich verstärkenden Befürchtungen, dass die von der Corona-Pandemie ausgelösten drastisch ausgeweiteten Einschränkungen des öffentlichen Lebens zu einer schweren Rezession führen werden, setzten auch die Unternehmensanleihen unter Druck. Marktteilnehmer treibt zunehmend die Sorge um, dass es zu Kreditausfällen kommen wird. Gemessen am iTraxx Europe Crossover CDS Index verteuerten sich die Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps) um 69 Basispunkte auf 602 Basispunkte (siehe Bericht auf dieser Seite).Wie panisch die Stimmung ist, zeigte sich nicht zuletzt am Volatilitätsindex VDax New. Er stieg bis auf 93,30 Punkte und übertraf damit das bisherige Rekordhoch, das er nach dem Lehman-Kollaps 2008 bei 85,12 Zählern erreicht hatte.Der Dax sackte bis auf 8 256 Zähler und damit auf den tiefsten Stand seit dem September 2013 ab und schloss mit einem Minus von 5,3 % bei 8 742 Punkten. Seit seinem Rekordhoch von 13 795 hat der Dax in nur einem Monat 36,6 % eingebüßt, so viel wie noch nie innerhalb eines Monats. Außerdem steuert der Index auf sein bislang schlechtestes Quartal zu. In New York fiel der Dow bis auf 20 387 Punkte und damit auf das niedrigste Niveau seit fast drei Jahren, ehe eine Erholung einsetzte. Am frühen Abend wies er einen Verlust von 8,3 % auf 21 256 Zähler auf. Schaden nicht abschätzbarDie umfangreichen geldpolitischen und fiskalischen Stützungsmaßnahmen konnten den Kursverfall bislang nicht aufhalten. Vielmehr scheint die Fed mit ihrem äußerst ungewöhnlichen Schritt selbst den Eindruck von Panik vermittelt zu haben, was auf den Markt durchschlug. Zudem können die Maßnahmen eben nicht an der Ursache, der Pandemie, ansetzen. Niemand kann derzeit einschätzen, wie groß der Schaden der Pandemie und der dadurch ausgelösten Beschränkungen sein wird.Durch die Leitzinssenkung wurde vor allem der Finanzsektor belastet. Unter den Stoxx-Branchenindizes lagen diejenigen der Versicherer, Finanzdienstleister und Banken mit Einbußen von 8,4 % bis 9,7 % auf den Rängen 2, 5, und 6 der Tagesverlierer. Dabei erreichte der Stoxx-Bankenindex mit 79 Punkten den tiefsten Stand seit 32 Jahren. Zur Eröffnung der Wall Street sackten auch die US-Bankaktien ab. So büßten J.P. Morgan 14 % ein. Im Inland fielen Deutsche Bank auf ein Rekordtief von 4,45 und schlossen mit einer Einbuße von 3,9 % bei 4,91 Euro. BASF (-5,4 % auf 39,4 Euro) und Daimler (-10,6 % auf 22,92 Euro) fielen auf den tiefsten Stand seit der Lehman-Brothers-Krise 2008/2009.Unter Druck waren erneut vor allem Aktien, die mit Reise, Freizeit, Veranstaltungen etc. zu tun haben. Der entsprechende Stoxx-Sektorindex fiel bis auf 126 und damit auf den tiefsten Stand seit Juli 2012. In New York wiesen United Airlines am frühen Abend eine Einbuße von 16,2 % auf, Lufthansa verloren 7,9 %, die British-Airways-Mutter IAG 26,2 %, Fraport 15,8 %. Tui verloren 15,4%, nachdem das Unternehmen angekündigt hatte, den größten Teil seiner Reiseaktivitäten einzustellen. Erneut extrem schwach waren die Kinokettenaktien. Cineworld fielen auf ein Rekordtief von 24,31 und schlossen mit einer Einbuße von 13,8 % bei 38,10 Pence. Seit Jahresbeginn hat der Titel 82,6 % verloren. Die Beschränkungen des öffentlichen Lebens setzten auch Betreibern von Fitnesscentern zu. In Amsterdam sackten Basic-Fit um 19,9 % ab. Das Unternehmen hat wegen der Pandemie sämtliche Fitnesscenter bis zum 2. April geschlossen.Ob nun eine Einstiegsgelegenheit bereits besteht oder der Kursrutsch noch anhalten wird, ist kaum abschätzbar. Fakt ist, dass – unabhängig von den noch anstehenden, deutlichen Revisionen der Gewinnschätzungen – die Aktienmärkte nun deutlich günstiger sind. Ablesbar ist dies etwa an den durch den Kursverfall deutlich gestiegenen Dividenden. Auf Basis der für das Geschäftsjahr 2019 avisierten Dividenden betrugen die Renditen etwa von Covestro und BASF 9,64 % bzw. 8,45 %. Allerdings wird die Nachhaltigkeit der hohen Dividenden vom Ausmaß der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie abhängen.Jedenfalls wurde auch am Montag eifrig diskutiert, wie tief die Märkte noch fallen können bzw. wann der Tiefpunkt erreicht werden könnte. Die Berenberg Bank glaubt, dass die Aktienmärkte ihren Tiefpunkt bald erreichen. “Wann findet der Markt einen Boden? Unserer Meinung nach müssen dafür vier Ps gegeben sein: Positionierung, Profitabilität, Politikunterstützung und Panik”, so Bernd Meyer, Chefstratege Wealth and Asset Management des Instituts. Die Positionierung in Risikoanlagen sei nun bei vielen Anlegergruppen gering. Politikunterstützung komme Schritt für Schritt von Zentralbanken und Regierungen. Panik sei spätestens nach letztem Donnerstag auch da. Was die Profitabilität anbelange, seien die Analysten noch zu optimistisch. Der Markt preise eine milde Rezession ein. “Wir dürften uns langsam dem Boden nähern.” Keine attraktiven AlternativenMichael Heise, der ab dem 1. April Chefvolkswirt von HQ Trust wird, ist zuversichtlich, dass sich die Kurse erholen werden. Vieles spreche dafür, dass die Preise für risikobehaftete Vermögenstitel nach dem Corona-Crash wieder deutlich steigen werden und der expansive Finanzzyklus noch Jahre anhalten könnte. Bei äußerst niedrigen Zinsen für sichere Wertpapiere gebe es auf absehbare Zeit keine attraktiven Alternativen zu risikobehafteten Anlageformen. “Geld- und Finanzpolitik dürften zudem alles daransetzen, die Konjunktur in Gang zu halten.” Je höher die Bewertungen stiegen, umso größer werde allerdings das Risiko von Kursschwankungen. “Handelsstreitigkeiten der großen Wirtschaftsmächte oder Protektionismus innerhalb Europas könnten solche Schwankungen erzeugen.” Aber eine erhöhte Volatilität bringe auch Chancen. “Insbesondere langfristig orientierte Anleger können profitieren.”Credit Suisse rät dazu, sich mit Käufen noch zurückzuhalten. Weltweit hätten die Zentralbanken Zinssätze gesenkt und weitere Maßnahmen ergriffen, um die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie abzufedern. Ob und inwieweit sich dies stabilisierend auf die Finanzmärkte auswirken wird, sei noch nicht abzusehen. Auch wenn die Politik umfangreiche Aktionen zur Bewältigung der Coronakrise ergriffen habe, blieben die Marktrisiken hoch. Die Positionierung bezüglich Aktien bleibe vorerst auf “neutral” bestehen. Der Zeitpunkt, um sich wieder stärker zu engagieren, sei noch nicht gekommen.Natixis Investment Managers sieht gute Chancen und hält vor allem Europa für interessant. Die Aktienmärkte sind nicht mehr rational. Dies zeigt u. a. der S&P 500. Seit der Verschärfung der Corona-Epidemie habe er mehr als 20 % verloren. Begleitet worden sei diese Entwicklung von drei Zwischen-Rallys mit Kursgewinnen von 6 %, 5 % und 9 % in den vergangenen zwei Wochen. Am vergangenen Freitag sei es an einem Tag 16 Mal deutlich nach oben und wieder nach unten gegangen. All diese Sprünge im Index seien ohne neue Daten oder neue fundamentale Einschätzungen. Sie seien ausschließlich technisch oder durch die Stimmung bzw. Panik der Anleger getrieben. Mit effizienten Märkten habe dies nichts zu tun.Für aktive Manager wüchsen damit die Chancen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Dispersion, also die Verteilung der Erträge der Aktiensektoren, sich seit Beginn des Monats fast verdoppelt hat. Das sei zwar kein Freifahrtschein für Mehrertrag, aber ein gutes Umfeld für aktive Manager; zumal viele Aktien nun extrem billig geworden seien. Stoxx Europe 600 handle mit einem Forward-KGV von 11,1. Das bedeute einen Abschlag von 28 % gegenüber dem S&P 500, der mit einem Forward-KGV von 15,4 ohnehin schon recht preiswert erscheine. Zudem beträgt die Dividendenrendite im Stoxx Europe 600 4,7 % gegenüber 2,2 % im S&P 500.