Aktienrückkäufe stützen Wall Street

In Zeiten schwacher Gewinnentwicklung und hoher Barreserven setzen US-Konzerne auf Ausschüttungen

Aktienrückkäufe stützen Wall Street

Die Firmen im US-Leitindex S & P 500 haben 2015 wenig vorzuweisen. Bereits drei Quartale in Serie sind die Erlöse im Schnitt gesunken. Der Gewinn ist zwei Quartale in Folge rückläufig. Dass der Index dennoch über dem Niveau zum Jahreswechsel notiert, ist auch auf umfangreiche Aktienrückkäufe zurückzuführen, die Investitionen vorgezogen werden. Ein baldiger Strategiewechsel der US-Konzerne wird nicht erwartet, eher ein Ausbau der Rückkäufe, wie ihn Nike zuletzt angekündigt hat.Von Sebastian Schmid, New YorkDer US-Leitindex S & P 500 steht trotz des zwischenzeitlichen Absturzes Ende August aktuell wieder knapp 3 % über dem Stand zum Jahresbeginn. Zu verdanken haben die Investoren an der Wall Street dies auch einer Vielzahl großzügiger Aktienrückkaufprogramme, die dieses Jahr bereits jetzt mit mehr als einer halben Billion Dollar so umfangreich ausgefallen sind wie zuletzt 2007.Mehrere Faktoren treiben den Rückkaufboom. Erstens sind Barreserven vieler US-Konzerne nach jahrelanger Investitionszurückhaltung prall gefüllt. Zweitens sind dank vielen Sparrunden die Renditen und Cash-flows historisch hoch. Das hat zur Folge, dass angesichts des niedrigen Zinsniveaus in schwachen Quartalen auch auf Pump ausgeschüttet werden kann. Die hervorragende Liquiditätsversorgung trifft auf schwierige wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die den Konzernlenkern die ohnehin schon geringe Investitionsfreude weiter reduziert. In allen drei Quartalen des laufenden Jahres haben die Unternehmen im S & P 500 im Schnitt rückläufige Erlöse gemeldet. Die Gewinne sind im zweiten und im dritten Quartal laut Factset nun ebenfalls gesunken. Auch für das vierte Quartal rechnen Analysten derzeit mit sinkenden Umsatz- und Ergebniszahlen.Ein Ende des Rückkaufbooms ist daher derzeit nicht in Sicht. Die Analysten von Goldman Sachs gehen davon aus, dass die Konzerne auch im kommenden Jahr nur zurückhaltend investieren dürften und stattdessen lieber noch kräftigere Ausschüttungen über Dividendenzahlungen oder Aktienrückkäufe vornehmen werden. Chefaktienstratege David Kostin erwartet, dass von den 2,2 Bill. Dollar, die S & P 500-Gesellschaften 2016 ausgeben dürften, mehr als 1 Mrd. Dollar in Aktienrückkäufe und Dividendenausschüttungen fließen werden. Birinyi Associates hat ermittelt, dass in den ersten neun Monaten im S & P 500 bereits 516 Mrd. Dollar in Aktienrückkäufe gesteckt wurden – mehr als im gesamten vorangegangenen Jahr. Investitionen stagnierenDie Investitionen sollen 2016 laut Kostin indes bei 650 Mrd. Dollar nahezu stagnieren. Diese pessimistische Einschätzung ist wohl auch der jüngeren Entwicklung geschuldet. Im ersten Halbjahr stiegen die Investitionen noch. Im dritten Quartal gingen sie indes im mittleren einstelligen Prozentbereich zurück. Aus Firmen- und Anlegersicht ist die Anhebung der Ausschüttungen laut Kostin derzeit keine schlechte Wahl. Er erwarte, dass Strategien mit hohen Barausschüttungen erfolgreicher sein werden angesichts des moderaten Wirtschaftswachstums, des niedrigen Zinsniveaus und der geringen Gewinne, schrieb er unlängst in einer Mitteilung an Kunden. Auch 2015 habe sich die Ausschüttungsstrategie ausgezahlt.Das sehen auch viele US-Firmen so. Erst vergangene Woche hatte Nike angekündigt, das nächste Rückkaufprogramm werde nach dem Abschluss des bisherigen im kommenden Mai um die Hälfte umfangreicher ausfallen. In den kommenden vier Jahren will der Sportartikelanbieter eigene Aktien für 12 Mrd. Dollar zurückkaufen. Das ist pro Jahr gut 1 Mrd. Dollar mehr als zuletzt.Auf die größten Volumina im laufenden Turnus kommen derweil Technologiefirmen. Der iPhone-Anbieter Apple hat allein in den ersten drei Quartalen eigene Titel im Wert von mehr als 30 Mrd. Dollar am Markt eingekauft. Microsoft kommt als Nummer 2 auf gut 14 Mrd. Dollar. Die Apple-Aktie hat seit Jahresbeginn 12 % zugelegt, Microsoft kommt auf 17 %, während der S & P 500 nur um 3 % gestiegen ist. Dass es auch anders laufen kann, zeigt Qualcomm. Bis Ende September wurden eigene Aktien für 9,6 Mrd. Dollar erworben. Damit wurde die Zahl der ausstehenden Aktien um 5,5 % reduziert. Dennoch haben die Qualcomm-Anteile seit Jahresbeginn mehr als ein Drittel ihres Werts eingebüßt. Auch Oracle notiert trotz Rückkäufen im Volumen von mehr als 7 Mrd. Dollar prozentual zweistellig schwächer.Trotz der zumindest kurzfristig positiven Effekte gibt es auch einige Kritiker der Ausschüttungsstrategie. BlackRock-CEO Larry Fink ist derzeit einer der prominentesten Mahner. Er erklärte unlängst im “Wall Street Journal”, einige Firmenchefs investierten zu viel in Rückkäufe und zu wenig in langfristiges Wachstum ihrer Gesellschaften. Die Aktienrückkäufe helfen den CEOs indes, die teils magere Entwicklung ihrer Konzerne zu verdecken. S & P-Dow-Jones-Indexanalyst Howard Silverblatt hat ermittelt, dass im vierten Quartal mehr als jede zehnte Gesellschaft im S & P 500 einen vierprozentigen Zuwachs beim Gewinn je Aktie zeigen könnte, ohne dass sie ihr Ergebnis nur um einen Cent gesteigert hat. Erschreckend ist, dass es in den vergangenen Quartalen dennoch nicht gelang, die Ergebnisse im S & P 500 im Schnitt zu steigern.