LEITARTIKEL

Aktionäre gesucht

Was assoziiert der Durchschnittsdeutsche mit dem Begriff Aktie? Börsenzockerei? Hoeneß? Oder gar Steuerhinterziehung? Nach den Schlagzeilen der vergangenen Tage vermutlich eher die vorgenannten Begriffe als Stichworte wie "werthaltiges Investment"...

Aktionäre gesucht

Was assoziiert der Durchschnittsdeutsche mit dem Begriff Aktie? Börsenzockerei? Hoeneß? Oder gar Steuerhinterziehung? Nach den Schlagzeilen der vergangenen Tage vermutlich eher die vorgenannten Begriffe als Stichworte wie “werthaltiges Investment” oder “überdurchschnittliche Rendite”. Es kann keinen Zweifel geben, dass Verfehlungen wie auch Fehlspekulationen prominenter Persönlichkeiten das Ansehen des Kapitalmarktes generell wie auch der Aktie im Besonderen in Mitleidenschaft ziehen. Es bestärkt jene, die schon immer einen weiten Bogen um den Kapitalmarkt gemacht haben. Jene, die Spekulation für etwas Unanständiges halten und Börsengeschäften Suchtpotenzial zumessen.Für die Aktienkultur in Deutschland ist der Fall Hoeneß so hilfreich, wie eine Blutgrätsche für den Fairplay-Preis. Dabei haben sich auch ohne das abschreckende Beispiel des zockenden FC-Bayern-Präsidenten allein im vergangenen Jahr 570 000 Anleger von der Aktie verabschiedet. Nach den Zahlen des Deutschen Aktieninstituts sind nur noch 8,9 Millionen Deutsche direkt oder indirekt über Fonds in Aktien investiert – noch nicht einmal jeder siebte Deutsche. Seit dem Höchststand des Jahres 2001 ist damit die Zahl der Aktionäre in Deutschland um 4 Millionen gesunken.Hinter dieser Statistik verbirgt sich ein gewaltiges gesellschaftspolitisches Problem: Ein immer kleinerer Teil der deutschen Bevölkerung nutzt die Chance zum langfristigen Vermögensaufbau durch Aktiensparen. Laut Bundesbank entfielen Ende 2013 nur 5,5 % des Geldvermögens privater Haushalte von insgesamt 5,1 Bill. Euro auf Aktien. Gut 40 % dagegen machten Bargeld und Spareinlagen aus, 30 % stellten die Ansprüche aus Versicherungen. Da nimmt es nicht wunder, dass viele Sparer nicht einmal einen Ausgleich der Inflationsrate erzielen und damit reale Vermögenseinbußen hinnehmen müssen. Konnten die privaten Haushalte in Deutschland vor der Jahrtausendwende in den meisten Jahren 6 bis 7 % realen Vermögenszuwachs verzeichnen, oszilliert dieser Graph seither um die Nulllinie.Das schmerzt besonders vor dem Hintergrund der Aktienkursentwicklung der zurückliegenden Jahre. Vor genau fünf Jahren begann eine Hausse, die den Dax in einem relativ stetigen Aufwärtstrend von knapp 3 600 Punkten auf gut 9 500 Punkte geführt hat. Anleger hätten mit dem Dax in fünf Jahren also eine Wertsteigerung von 160 % einfahren können. Und viele Anleger haben diese Wertsteigerungen verbucht, nämlich die ausländischen institutionellen Investoren, die seit Jahren schon die Mehrheit des Kapitals der großen deutschen börsennotierten Unternehmen halten und diese Anteile weiter ausbauen. Dahinter stehen Pensionsansprüche – vom Lehrer aus Ohio bis zum Bahnangestellten aus Manchester. Am Gros der deutschen Altersvorsorgesparer dagegen ist die Aktienmarktrally weitgehend vorbeigegangen.Die Gründe dafür sind bekannt. Da ist zum einen die seit Jahren beklagte fehlende ökonomische Bildung in weiten Kreisen der deutschen Bevölkerung. Allerdings ist die ökonomische Bildung in Ländern mit deutlich höheren Aktienquoten wie den USA oder England ja nicht generell besser. Und auch unter den Deutschen mit einem höheren Bildungsstand (Abitur oder Studium) liegt die Quote derer, die in Aktien oder Aktienfonds investiert sind, nur bei 26 %. Selbst in der Berufsgruppe der leitenden Angestellten, leitenden Beamten und der Freiberufler sind es mit knapp 30 % nur wenig mehr.Wenn sogar zwei Drittel der deutschen Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von mehr als 4 000 Euro weder direkt noch indirekt in Aktien investiert sind, dann hat das wenig mit Unwissenheit oder fehlendem Anlagevermögen zu tun, sondern mit den Rahmenbedingungen für Aktienanlagen in diesem Land. Hier stehen zwei Punkte im Zentrum. Erstens die eklatante steuerliche Benachteiligung der Aktienanlage im Vergleich zu festverzinslichen Wertpapieren. Aktienerträge werden wegen der Doppelbesteuerung auf Unternehmens- und persönlicher Ebene mit gut 48 % belastet, während es bei festverzinslichen Anlagen nur gut 26 % sind. Zweitens sind die Auflagen für die Aktienberatung und deren Dokumentation in den vergangenen Jahren so erhöht worden, dass sich viele Banken und Sparkassen aus dieser Beratung zurückgezogen haben. Hier schließt sich dann der Kreis. Wo fachliche Beratung und eigene ökonomische Bildung fehlen, ist Platz für Stimmungen und öffentliche Meinungsmache gegen alles, was mit Börse zu tun hat.——–Von Claus DöringFünf Jahre Aktienmarktrally haben weitgehend ohne die deutschen Sparer stattgefunden. Denn Aktiensparen wird steuerlich diskriminiert.——-