Anleihemarkt

Alles nur noch negativ

Der Bund verdient wieder entlang der gesamten Renditekurve Geld mit dem Schuldenmachen, denn alle Laufzeiten liegen seit kurzem erneut im Minus. Sorgen wegen Corona-Mutationen und technische Faktoren weisen die Richtung.

Alles nur noch negativ

Von Kai Johannsen, Frankfurt

Seit einer guten Woche liegt die gesamte Renditestrukturkurve des Bundes wieder im Negativbereich. Das bedeutet: Angefangen von den unterjährigen Geldmarktpapieren bis hin zu den Langläufern des Bundes mit 30 Jahren Fälligkeit handeln alle nominalen Bundeswertpapiere mit einer im Minus liegenden Rendite. Anleger zahlen also entlang der Kurve wieder eine Parkgebühr für die Kreditüberlassung an den Bund, der Bund verdient in allen Fälligkeiten mit dem Schuldenmachen also Geld.

Bei den zweijährigen Bundestiteln war es gestern am Nachmittag ein Satz von minus 0,70%, bei den fünfjährigen Papieren einer von minus 0,56%, bei den zehnjährigen Bundesanleihen lag der Wert bei minus 0,33% und bei den 30-jährigen Titeln immerhin schon wieder bei Minus 0,07%. Zur Erinnerung: Die Langläufer des Bundes hatten sich in diesem Jahr schon auf eine Rendite von ca. +0,40% vorgearbeitet, bei den zehnjährigen Papieren kam die Nulllinie wieder in Sichtweite, so mancher glaubte, dass der Bundmarkt sich damit von seinen Rekordtiefs dauerhaft abgesetzt haben könnte, nun rücken die Rekordtiefs wieder in greifbarere Nähen.

Pandemie im Blick

Hinter dem neuerlichen Rückfall in den negativen Renditebereich der gesamten Bundkurve steht die Flucht der Anleger in sichere Häfen und damit in Bundesanleihen. Auslöser des nun gesehenen Schubes ins Minus war die Pandemieentwicklung und damit entsprechende Sorgen der Anleger. Dies ist im Wesentlichen auf die neue Virusmutation Omikron zurückzuführen ge­wesen. Anleger befürchteten, dass diese noch ansteckender und gefährlicher sein könnte und dass womöglich die vorhandenen Vakzine nicht einen ausreichenden Schutz bieten könnten. Anleger sorgen sich zudem, dass es durch das Auftreten neuerlicher Mutationen des Coronavirus und die gegen diese keinen vollkommenen Schutz bietende Impfstoffe zu neuerlichen Verschärfungen der Maßnahmen der Politik kommen könnte wie etwa Kontaktbeschränkungen, Absagen von Veranstaltungen oder sogar neuerlichen Lockdowns mit der Folge erheblicher wirtschaftlicher Beeinträchtigungen. Auch das treibt Investoren in die sicheren Bundestitel, deren Renditen dadurch abrutschen. Diese Gefahr wird nach Einschätzung von Marktteilnehmern wohl auch nicht in den kommenden Wochen und Monaten endgültig von der Bildfläche verschwinden.

Wesentliche Triebfeder

Dies ist eine wesentliche Triebfeder der Renditeentwicklung der Bundesanleihen, aber auch anderer Staatspapiere oder staatsnaher Bonds in der Eurozone. Beeinflusst wird die Entwicklung aber auch durch einen rein markttechnischen Faktor zum Jahresende. Das Funding vieler Adressen ist nun Anfang /Mitte Dezember abgeschlossen. Am Primärmarkt geht damit die Aktivität immer mehr zurück. Nur noch vereinzelt treten Emittenten auf, der Bund gehört zweifelsohne dazu, aber auch er wird nach dem gestrigen Auftritt mit der zehnjährigen Bundesanleihe, die zu minus 0,38% an die Investoren ging, nur noch zwei Papiere anbieten, und zwar am 13. Dezember zwei Bubills über jeweils 3 Mrd. Euro mit den Fälligkeiten März und Dezember 2022. Das bedeutet für Anleger, dass sie bei neuen Papieren nun nicht mehr allzu viel Angebot sehen werden. Und wer nun noch vorm Jahresende freie Liquidität anlegen muss und sichere Papiere – auch für die Adjustierungen zum Jahresultimo – aufnehmen will, dem bleibt nur noch der Gang an den Sekundärmarkt. Das treibt die Renditen auch nach unten.

Die weitere Entwicklung der Renditen bei Bundespapieren und auch den US-Staatsanleihen wird in den kommenden Wochen und Monaten von dem Verlauf der Pandemie, der Entwicklung der Inflation dies- und jenseits des Atlantiks und der Reaktion der Notenbanken Europäische Zentralbank und Fed abhängen. Die Geldpolitik wird 2022 nach Ansicht der Experten von BNP Paribas Asset Management (AM) wahrscheinlich noch mehr in den Fokus rücken, denn es sei davon auszugehen, dass der erhebliche Inflationsdruck im nächsten Jahr und bis in das Jahr 2023 hinein anhalten wird. Erhebliche Ersparnisse der privaten Haushalte könnten laut BNP AM zu einem Anstieg der Verbraucherausgaben führen, die sich möglicherweise von Waren auf Dienstleistungen verlagern, was die Inflation weiter erhöhen würde. Gleichzeitig könnten jedoch die Nachwirkungen der weltweiten Pandemie den Konsum hemmen und Regierungen und Zentralbanken könnten sich gezwungen sehen, die Nachfrage anzuregen, heißt es. „Auch wenn sich der Inflationsdruck letztlich als vorübergehend erweisen dürfte, könnte er stark und langanhaltend genug sein, um die Federal Reserve zu zwingen, die Geldpolitik früher als geplant zu straffen. Für die Anleger würde dies bedeuten, dass sie sich eher Sorgen um die kurzfristige Entwicklung der Leitzinsen machen als um die mittelfristige Inflation, die wahrscheinlich wieder zum Zielwert zurückkehren wird“, so BNP AM. In der Eurozone würden die Zinsen wahrscheinlich erst 2023 steigen. Der Anstieg der längerfristigen Renditen von US-Staats­titeln werde durch gedeckelte Inflationserwartungen und den Umfang der Fed-Bilanz begrenzt, was reale Renditen niedrig halte.

Nach Ansicht der Kapitalmarktexperten der Union Bancaire Privée (UBP) dürfte sich im kommenden Jahr die Entwicklung der langfristigen Renditen in den USA und der Eurozone wieder normalisieren: Erstmals seit 2019 sei mit Renditen für Bundesanleihen von über 0% und US-Treasuries von über 2% (jeweils zehnjährige Laufzeit) zu rechnen.

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