IM BLICKFELD

An Chinas IPO-Markt klemmt es

Von Norbert Hellmann, Schanghai Börsen-Zeitung, 15.1.2013 Ein Aufbäumen am chinesischen Aktienmarkt, wo die Kurse seit Dezember um 18 % geklettert sind, beflügelt Fantasien, wonach sich auch die Misere im Börsenemissionsgeschäft legen wird....

An Chinas IPO-Markt klemmt es

Von Norbert Hellmann, SchanghaiEin Aufbäumen am chinesischen Aktienmarkt, wo die Kurse seit Dezember um 18 % geklettert sind, beflügelt Fantasien, wonach sich auch die Misere im Börsenemissionsgeschäft legen wird. Einschlägige Prognosen laufen auf eine Welle von Initial Public Offerings (IPOs) an den chinesischen Festlandbörsen in Schanghai und Shenzhen im Jahr 2013 hinaus. Danach ist mit mehr als 200 Börsenneulingen und einem Anstieg des über diese Schiene frisch aufgenommenen Kapitals um 30 bis 50 % zu rechnen.Ganz so reibungslos dürften die Dinge allerdings kaum laufen. Nach Börsenkapital trachtende Adressen gibt es zwar zuhauf: Mehr als 800 chinesische Unternehmen haben sich in das Genehmigungsprozedere für ein IPO auf dem Festland eingereiht, genau darin liegt aber die Crux. In China hat die Dynamik des IPO-Marktes wenig mit dem Abgleich des Kapitalhungers von aussichtsreichen Unternehmen und der Aufnahmebereitschaft von Investoren zu tun. Vielmehr agierte zuletzt die chinesische Wertpapieraufsichtsbehörde als ein immer überfordert wirkender Türsteher, der nach einem höchst intransparenten Prozedere bestimmt, welche Kandidaten wann zur Börse zugelassen werden. Dabei nimmt die China Securities Regulatory Commission (CSRC) – im krassen Gegensatz zum Usus auf westlichen Märkten – zudem starken Einfluss auf das Preisbildungsverfahren und damit die Emissionsspanne in der Sondierungs- und Vermarktungsphase eines IPO.Die über weite Strecken des Jahres 2012 miserable Performance am chinesischen Aktienmarkt brachte die CSRC in ein regelrechtes Dilemma. Auf der einen Seite ist es erklärtes Ziel der Regierung, gerade kleineren Privatunternehmen, die nicht genügend Zugang zum staatsdominierten Bankwesen finden, Wege zur Kapitalmarktfinanzierung zu öffnen. Auf der anderen Seite aber sieht sich die CSRC auch als eine Art Hüter des Börsenklimas. Und dabei musste sie erkennen, dass die schwache Marktverfassung stark damit verknüpft ist, dass in einem Umfeld schwacher Marktliquidität eine geradezu panische Angst der Investoren vor einer regelrechten Kapitalschwemme via Neuemissionen herrscht. Aufseher verstellen den WegUm den Markt nicht zu überfordern, kam es in der zweiten Jahreshälfte 2012 zu einem regelrechten Moratorium am IPO-Markt, bei dem die CSRC immer weniger Börsenanwärter durchschlüpfen ließ. An der Börse Schanghai, wo die größeren Werte Aufnahme finden, sah man im Jahr 2012 noch 26 Börsenneulinge mit einer im Vergleich zum Vorjahr um zwei Drittel niedrigeren Kapitalaufnahme von 38 Mrd. Yuan (5 Mrd. Euro). Die Zahl der Antragsteller ist währenddessen deutlich weiter angewachsen.Von einer Bereitschaft, mehr Kandidaten in den Markt zu lassen, ist derzeit indes nicht viel zu erkennen, vielmehr versucht die Behörde, die Reihen der Anwärter zu lichten. Vergangene Woche wurde eine Art Revisionsverfahren angekündigt: Dabei sollen die transaktionsbegleitenden Broker und Wirtschaftsprüfer die insgesamt 882 Unternehmen, die einen Börsengang beabsichtigen, unter härteren Voraussetzungen auf Börsentauglichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Zahlenwerke überprüfen, um somit stärker auszusieben. Gleichzeitig droht die CSRC mit ernsthaften Konsequenzen, sollte sie bei anschließenden Stichproben der verbleibenden Kandidaten auf Unregelmäßigkeiten stoßen.Angesichts der immer wieder im Fokus stehenden Wildwestverhältnisse am chinesischen Aktienmarkt ist eine anlegerschutzmotivierte Eingrenzung von Börsenkandidaten sicherlich nicht fehl am Platze. Man kann allerdings jetzt schon voraussagen, dass zumindest in der ersten Jahreshälfte der IPO-Markt auf dem chinesischen Festland mehr oder weniger ganz zum Erliegen kommen wird. Die als “Selbstexaminierung” bezeichnete Prüfungsphase durch Emissionsbegleiter und Sponsoren der Kandidaten läuft bis Ende März, während die nachgelagerten Kontrollen der Behörde mindestens die Folgemonate April und Mai in Anspruch nehmen werden.Wie es in der zweiten Jahreshälfte dann mit der investorenseitigen Resonanz aussieht, steht noch in den Sternen. Die Angst der Kleinanleger vor einer IPO-Welle hängt nämlich auch mit den Missständen beim Emissionsverfahren selber zusammen, das einigen Reformbedarf aufweist. Bei den wenigen größeren IPOs des vergangenen Jahres war festzustellen, dass die Aktien mit sehr niedrig gehaltenen Emissionsspannen an den Start gingen, wohl um zu garantieren, dass ein kräftiger Preissprung am ersten Handelstag von den Anlegern als Zeichen einer gelungenen Emission und einer gesunden Marktnachfrage gesehen wird. Tatsächlich profitieren von diesem Manöver in der Regel aber nur institutionelle Investorenkreise, die sich eine Zuteilung und eine satte Emissionsprämie sichern können, die Titel dann aber wieder in den Markt werfen.Es ist geradezu typisch für chinesische Börsenneulinge, dass sie nach dem ersten Kursfeuerwerk einen steilen Abstieg antreten und herkömmlichen Anlegern keine Freude bereiten. Solange chinesische Anleger davon ausgehen müssen, dass sie mit Neuemissionen erst einmal baden gehen, wird auch ein insgesamt aufgehelltes Börsenklima nicht dafür sorgen, dass sich ein lebendigerer IPO-Markt entwickelt.