MARKTCHANCEN 2017

An den Emerging Markets trennt sich Spreu vom Weizen

Schwellenländeranlagen stehen wegen Trump ruppige Zeiten bevor - Langfristig punkten sie mit niedrigen Bewertungen und hohem Wachstum

An den Emerging Markets trennt sich Spreu vom Weizen

Von Christopher Kalbhenn, FrankfurtFulminantes Comeback und ein schwerer Rückschlag: Das ist die für Emerging-Markets-Investoren letztlich frustrierende Bilanz des Jahres 2016. Seit der Ankündigung der geldpolitischen Wende im Jahr 2013 bis in das erste Quartal 2016 unter teilweise heftigen Druck, erlebten Schwellenländeranlagen eine spektakuläre Wende nach oben. Lange von den Anlegern verschmäht, kam es zu einer bemerkenswerten Umkehr der Präferenzen, begleitet von Wochen, in denen für Schwellenländer-Retail-Produkte sogar rekordhohe Zuflüsse registriert wurden. Kapitalströme kehren sich umDurch den Wahlsieg von Donald Trump bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen hat sich die gute Stimmung für die Emerging Markets jedoch abrupt in Rauch aufgelöst mit der Folge, dass sich die Kapitalströme wieder umkehrten. Vor allem zwei Faktoren sind dafür verantwortlich. Zum einen sind durch die von dem Republikaner angekündigten Infrastrukturinvestitionen und Steuersenkungen die Erwartungen bezüglich Wachstum und Inflation der Vereinigten Staaten gestiegen. Dies hat zur Folge, dass auch die Erwartungen an den Dollar und die Zinsen bzw. Anleiherenditen sich erhöht haben. Mit diesen Voraussetzungen werden US-Anlagen attraktiver bzw. aus amerikanischer Sicht Auslandsinvestments unattraktiver. Zum anderen leiden die Emerging Markets unter den von Trump angekündigten Strafzöllen und seinen Plänen, Produktion in die USA zurückzuholen bzw. dort zu halten. Angesichts ihrer stark gestiegenen Abhängigkeit vom Außenhandel gehen von möglichen Einschränkungen des freien Welthandels oder gar einem eventuellen Handelskrieg erhebliche Risiken für die Schwellenländer aus. Stärkere SchwankungenAn den bis zum 9. November sehr gut gelaufenen Aktienmärkten der Emerging Markets hat der Wahlsieg von Donald Trump eine Phase der Underperformance eingeleitet. Während der MSCI World Index seither vor allem dank der Rekordjagd der Wall Street um 4 % zugelegt hat, ist der MSCI Emerging Markets um 5,7 % gesunken (Stand 22. Dezember). Immerhin hat der Schwellenländerindex damit seit Jahresbeginn um 7,3 % zugelegt und damit den Weltindex leicht geschlagen. In den nächsten Monaten müssen sich Anleger aber wahrscheinlich auf ruppige Zeiten einstellen. Höhere US-Zinsen und ein festerer Dollar sind ein Umfeld, in dem sich die Emerging Markets schon immer schwergetan haben. Hinzu kommt die Unsicherheit darüber, was Trump tatsächlich machen wird. Das wird wahrscheinlich zu Folge haben, dass Schwellenländeranlagen nicht nur potenziell weiter unter Druck stehen, sondern auch stärkeren Schwankungen ausgesetzt sein werden.Vielfältige Gründe sprechen aber dafür, dass sich damit im Verlauf des Jahres für langfristig ausgerichtete Anleger günstige Gelegenheiten ergeben könnten. So muss zwischen dem Wahlkämpfer und dem Präsidenten Donald Trump unterschieden werden. Nach seinem Wahlsieg hat er bereits in mancher Hinsicht zurückgerudert, und das wird sich im kommenden Jahr voraussichtlich fortsetzen. Seine Wahlkampfankündigungen sind zu einem guten Teil unrealistisch, teilweise auch für die von ihm postulierten Ziele kontraproduktiv.Zwei Beispiele illustrieren das. Trump hat etwa den Wunsch geäußert, dass Apple die iPhones künftig in den USA produziert. Die Möglichkeiten dazu sind aber in den Vereinigten Staaten gar nicht vorhanden. Wie soll die dafür notwendige Infrastruktur, wie sie in Asien in den zurückliegenden Jahren aufgebaut wurde, repliziert werden? Zudem würden – falls die Produktion in die USA verlagert würden – die Wettbewerber Samsung und HTC immer noch in Asien und damit wesentlich günstiger produzieren, als dies in den USA möglich wäre. Apple wäre dann nicht mehr wettbewerbsfähig bzw. würde Marktanteile und an Profitabilität einbüßen. Als weitere Folge würde die Aktie erheblich an Wert verlieren, was angesichts ihrer Größe auch noch an der stark aktienlastigen Altersvorsorge der amerikanischen Wähler zehren würde. Mexiko günstiger gemachtVergleichbares lässt sich über Mexiko sagen, dessen Währung auch unter der angekündigten Antiimmigrationspolitik leidet, weil dadurch die Überweisungen von in den USA lebenden Mexikaner an ihre Familien reduziert werden könnten. Der Effekt, der durch eventuelle höhere Zölle erzielt werden könnte, ist durch die Schwäche des Peso zumindest zu einem großen Teil bereits aufgehoben worden, weil mexikanische Waren und Produktion deutlich günstiger geworden sind.Hinzu kommt, dass die Schwellenländer durchaus von der Politik Trumps profitieren könnten. Sollte es ihm gelingen, mehr Schwung in die Wirtschaft zu bringen, wird das auf den Rest der Welt positiv ausstrahlen. Auf Rohstoffexporte fokussierte Länder würden gestützt, wenn eine steigende Nachfrage aus den USA für Infrastrukturmaßnahmen die bereits begonnene Erholung der Rohstoffpreise zusätzlich verstärken würden. Steigende BinnennachfrageEntscheidend sind für den Anleger aber die langfristigen, von Trump nicht veränderten Faktoren, die die Emerging Markets interessant machen, insbesondere wenn sich durch eine Schwäche in nächster Zeit günstige Einstiegsgelegenheiten ergeben sollte. So werden die Schwellenländer in den kommenden Jahren – auch wenn die chinesische Wirtschaft einen Gang zurückschaltet – weiterhin deutlich höhere Wachstumsraten aufweisen als die Industrienationen. Getragen wird dies unter anderem durch eine wesentlich günstigere demografische Ausgangslage als in den etablierten Volkswirtschaften. Steigende Einkommen einer stark wachsenden Mittelschicht werden den Konsum weiter antreiben. In vielen Produkt- und Dienstleistungsbereichen, etwa in den Finanz- und Gesundheitsbereichen, besteht im Vergleich zu den Industrieländern nach wie vor ein teilweise massives Aufholpotenzial. Zusammen mit umfangreichen Investitionen in die vielfach noch völlig unzureichende Infrastruktur – hier ist Indien an erster Stelle zu nennen – zeichnet sich damit eine deutliche Erhöhung der Binnennachfrage ab, mit der angenehmen Nebenwirkung einer Abnahme außenwirtschaftlicher Abhängigkeiten.Interessant macht die Emerging Markets nicht zuletzt, dass sie durch den Rückschlag, der im Jahr 2013 einsetzte, eine deutlich günstigere Bewertung erreicht haben, während etwa die Aktien- und Anleihemärkte der Industrienationen stark gestiegen sind. Die Währungen sind erheblich billiger geworden, Anleihen weisen höhere Verzinsungen auf, die beispielsweise in Indien und Brasilien bei 7 % bzw. 8 % liegen. Die Bewertungen der Schwellenländer-Aktienmärkte sind deutlich niedriger als im Jahr 2013, während die Notierungen an den Industrieländern seither stark angezogen haben und vielfach wie zuletzt in Großbritannien und den USA auf Rekordhöchststände gestiegen sind. Die Folge: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis der Emerging Markets, dass vor wenigen Jahren Industrieländerhöhe erreicht hat, befindet sich nun auf einem spürbar tieferen Niveau. Differenzierung wichtigAllerdings wird sich ein Boom, wie ihn die Schwellenländer vor dem Jahr 2013 erlebt haben, nicht in der gleichen Form wiederholen. Jener Boom wurde durch einen dynamischen Globalisierungsprozess befeuert, der der Vergangenheit angehört. Die globalen Lieferketten sind weitestgehend aufgebaut, das Wachstum des Welthandels ist stark zurückgegangen und liegt nun unter dem Wachstum der Weltwirtschaft. Der nächste Aufschwung der Schwellenländerfinanzmärkte wird aber nicht nur moderater ausfallen. Vorbei sind auch die Zeiten, in denen quasi ohne Unterschied nahezu sämtliche Emerging Markets starke Kurssteigerungen erlebten. Seit 2013 entwickeln sich die Wirtschaft und die Finanzmärkte der einzelnen Länder sehr unterschiedlich, und auch in den kommenden Jahren wird es für Anleger sehr darauf ankommen, innerhalb der Asset-Klasse zu differenzieren. Ein passiver Ansatz, der sich etwa darauf beschränkt, den MSCI Emerging Markets abzubilden, wird voraussichtlich wenig Freude bereiten, weil damit auch die Spreu in die Performance einfließt. Aktives Management dürfte die überlegene Methode sein.Zu bevorzugen sind unter anderem Länder wie Indien und Indonesien mit reformfreudigeren Regierungen die einen ökonomisch gesehen günstigen politischen Kurs fahren. Interessant sind ferner Staaten wie etliche lateinamerikanische, in denen gerade ein in diesem Sinne günstiger politischer Führungswechsel gerade geschehen ist oder sich zumindest anbahnt. Dagegen sollten Engagements in Länder, in denen Reformen verschleppt werden, gemieden werden. Auch die Verschuldungslage und externe Bilanzen sind wichtige Kriterien. Ferner sollten die nach wie vor wichtigen Rohstoffe im Auge behalten werden. In den zurückliegenden Jahren hat ihr starker Verfall den stark von der Ausfuhr abhängigen Ländern zugesetzt. Länder, die Nettoimporteure sind, haben dagegen profitiert. Hier scheint nun eine Wende eingesetzt zu haben. Rohstoffexporteure wie Russland und Brasilien zählen zu den Gewinnern der Preiserholung und werden mit diesem Rückenwind im neuen Jahr wohl definitiv aus der Rezession rauskommen.