SERIE: ANLAGETHEMA IM BRENNPUNKT (4) - GASTBEITRAG

An den internationalen Finanzmärkten ist Selektivität gefragt

Börsen-Zeitung, 10.2.2018 Die Aktienmärkte sind lange Zeit von einem Rekord zum nächsten gestürmt. In den USA hat etwa der Dow Jones im Jahr 2017 um 25 % zugelegt. Die 26 000-Punkte-Schwelle durchbrach der Index Mitte Januar - fast jeden Tag...

An den internationalen Finanzmärkten ist Selektivität gefragt

Die Aktienmärkte sind lange Zeit von einem Rekord zum nächsten gestürmt. In den USA hat etwa der Dow Jones im Jahr 2017 um 25 % zugelegt. Die 26 000-Punkte-Schwelle durchbrach der Index Mitte Januar – fast jeden Tag erreichte der Index einen neuen Höchststand. Diese Rally ist umso beeindruckender, wenn man weiß, dass vor Beginn der aktuellen Hausse im Jahr 2010 der Rekord bei etwas über 14 000 Punkten lag. Auch bei anderen Indizes wie dem S & P 500 oder dem Nasdaq sieht es ähnlich aus. Zwar zeigten sich in den vergangenen Tagen Rücksetzer bei den Kursen, eine Trendwende ist jedoch nicht zu erkennen. Insofern sehen wir die aktuelle Situation eher als Möglichkeit zum Nachkaufen und Aufstocken von Positionen. Der Zyklus ist weiterhin in Takt und sollte uns auch noch deutlich über das Jahr hinaus tragen. Sinkende KorrelationAllerdings hat sich die Hausse auch grundsätzlich verändert: War es in den zurückliegenden Jahren vor allem die Geldflut der Notenbanken, die Aktien aller Couleur gleichermaßen und damit auch die Bewertungen nach oben trieb, ist nun ein immer geringerer Gleichlauf zu beobachten. Das gilt nicht nur für Regionen, sondern insbesondere für die unterschiedlichen Branchen. Während die Korrelation zwischen den einzelnen Ländern weit weg von ihrem Hochpunkt während der Finanzkrise ist, hat insbesondere der Gleichlauf zwischen den einzelnen Branchen und zwischen den Einzelaktien in den letzten Monaten stetig abgenommen. Beispielsweise ist die Sektorkorrelation in den USA zuletzt auf das niedrigste Niveau seit der Jahrtausendwende gefallen (siehe Grafik), begünstigt auch durch die US-Steuerreform, wovon die amerikanischen Unternehmen unterschiedlich stark profitieren. Die Konsumgüterbranche kann beispielsweise mit mehr Steuererleichterungen als der Immobiliensektor rechnen. Die Performanceunterschiede über die Sektoren hinweg sind dabei deutlich größer als über Regionen und Länder hinweg. Dies liegt auch darin begründet, dass die meisten Unternehmen immer globaler aufgestellt sind, so dass der Heimatmarkt an Bedeutung verliert. Mitten im ZyklusAuch hat die wechselseitige Beziehung zwischen den einzelnen Anlageklassen wie Aktien, Anleihen und Rohstoffe zuletzt ebenfalls abgenommen. Beispielsweise lag die Korrelation zwischen Aktien und Rohstoffen über die letzten zehn Jahre bei ca. 0,55, es gab also einen positiven Zusammenhang zwischen der Entwicklung beider Assetklassen, während Rohstoffe und Aktien über das letzte Jahr komplett unkorreliert waren. Anders als bei den Aktiensektoren war der Performanceunterschied zwischen den einzelnen Anlageklassen zuletzt aber eher begrenzt. Die Musik spielt momentan auf Einzelaktie- und Sektorebene. Was sind die Gründe für die zuletzt niedrigeren Korrelationen? Es ist derzeit kein globaler Makro- oder Unsicherheitstreiber am Werk, der alle Risikoanlagen gleichartig begünstigt oder belastet. Die Wirtschaft steigt weder aus einer Rezession auf, noch rutscht sie in eine solche ab. Stattdessen ist das Wachstumsumfeld stabil und solide. Wir befinden uns in einem klassischen Mittzyklus-Umfeld, in dem sich üblicherweise nicht alle Titel einer Anlageklasse gleichgerichtet nach oben oder unten bewegen, sondern Selektivität gefragt ist. Die Normalisierung der US-Geldpolitik ist ein weiterer wesentlicher Punkt für das Niedrigkorrelationsumfeld. Nachdem die US-Notenbank ihren Leitzins 2015 und 2016 jeweils nur einmal im Dezember erhöhte, straffte sie die Geldpolitik wegen der verbesserten Rahmenbedingungen mit drei Zinserhöhungen 2017 deutlich stärker. Parallel dazu hat die Fed begonnen, ihre Zentralbankbilanz zu verringern, indem sie nicht mehr alle auslaufenden Anleihen durch neue Papiere ersetzte. Der Höhepunkt der globalen Liquiditätswelle liegt hinter uns. Und dies bedeutet, dass fundamentale Daten wie steigende Unternehmensgewinne wieder in den Vordergrund rücken. Denn es profitieren nicht mehr alle Anlagen durch die Bank von der starken Liquiditätsschwemme. Folglich gewinnen Allokationsentscheidungen über die Anlageklassen hinweg als auch in den Anlageklassen an Bedeutung. Die niedrigeren Korrelationen ermöglichen es dem aktiven Management, wieder mehr Alpha zu generieren. Dies hat sich bereits im vergangenen Jahr gezeigt: Laut Lipper-Daten übertrafen beispielsweise 48 % der aktiven US-Manager ihre Benchmarks dank des richtigen Stock Picking im Jahr 2017. Dies ist der höchste Anteil an Outperformern in acht Jahren und liegt deutlich über den nur 19 %, die 2016 eine Outperformance erzielten. Das letzte Mal, dass ein so hoher Anteil aktiver Manager ihre Benchmarks übertraf, war 2008 und 2009. In beiden Jahren übertrafen 48 % der Gruppe die Outperformance. Ins Bild dazu passt auch die Trendwende bei den Mittelzuflüssen für aktive Aktienfonds. Europäische Aktienfonds verbuchten laut Morningstar wieder ordentliche Zuflüsse in 2017 – nach Nettoabflüssen 2016. Bei Mischfonds sieht es für 2017 ebenfalls deutlich besser aus als 2016. Seinerzeit lag das Wachstum der Multi-Asset-Fonds bei 3,4 %. In den ersten zehn Monaten 2017 lagen die Zuflüsse bei 10,2 %. Gutes Umfeld für AktiveWie geht es weiter? Die aggregierte Bilanz der weltweit wichtigsten Zentralbanken wird 2018 weiter steigen, aber weniger als das nominale Bruttosozialprodukt – die quantitative Lockerung kehrt sich damit in quantitative Drosselung, normal wäre ein Bilanzanstieg parallel zum nominalen Bruttosozialprodukt. 2019 dürfte die aggregierte Bilanz dann erstmals fallen. Damit dürfte die allgemeine, undifferenzierte Vermögenspreisinflation der letzten Jahre auslaufen. Die an den Kapitalmärkten zu erzielenden Gewinne werden über alle Anlageklassen hinweg begrenzter sein, und die Differenzierung wird zunehmen. Ferner rechnen wir mit einer Fortsetzung der soliden Weltkonjunktur. Das spricht insgesamt dafür, dass Selektivität an den Finanzmärkten gefragt sein wird und dass das für aktives Management vorteilhafte Umfeld vorerst erhalten bleiben dürfte. Unsere Investitionsquote ist hoch und unsere Kassenposition niedrig. Einen Aktien-Bärenmarkt halten wir angesichts steigender Unternehmensgewinne für unwahrscheinlich – Korrekturen böten damit Kaufgelegenheiten. Wir übergewichten Aktien, mit einer Präferenz für den Euroraum, Small Caps und Schwellenländer. Wir favorisieren dabei zyklische gegenüber defensiven Titeln, da Erstere von der boomenden Weltkonjunktur mehr profitieren dürften. Dies liegt auch daran, dass wir in fast allen Regionen moderat steigende Inflation und anziehende Zinsen erwarten, allen voran in den USA, einhergehend mit Verlusten bei “sicheren” Staatsanleihen. Wir favorisieren dementsprechend grundsätzlich kurze Laufzeiten bei Anleihen, inflationsindexierte Anleihen sowie Anleihen mit höherem Kreditrisiko, zum Beispiel Schwellenländeranleihen oder Wandelanleihen. Insgesamt halten wir das Fremdwährungsrisiko von Anleihen begrenzt, damit nicht eine etwaige Euro-Stärke die ohnehin schon geringen Anleiherenditen auffrisst. Insgesamt sehen wir das gute Abschneiden von aktiven Aktienfonds im Jahr 2017 als Spiegelbild des besseren Stock-Picking-Umfelds und gehen davon aus, dass sich dies im Jahr 2018 fortsetzen wird.—-Bernd Meyer, Chefstratege Wealth und Asset Management, Berenberg